Freitag, 18. November 2016

Trumpismus: Wiener Medien-Melange aus Terroristen und Flüchtlingen

Auf Fisch & Fleisch bloggte ich letztens, dass ich mich mit grantiger Polemik zukünftig zurückhalten wolle. Fällt mir verdammt schwer. Vor allem, wenn ich, wie unlängst, am Titelblatt des Reklameheftchens einer Mit-U-Bahnfahrenden so etwas lesen muss: "Jeder Zweite Terrorist kommt als 'Flüchtling'". Und das kurz nachdem Donald Jabberwocky Trump die US-Präsidentschaftswahlen gewann. Eine Schlagzeile wie ein Brandbeschleuniger in Händen eines sächsischen Skinheads.

Quelle: oe24.at


Also mal genauer hingeschaut: Laut Anfrage der FPÖ ans Innenministerium wurden 287 Personen ausgeforscht, die entweder Mitglieder des IS waren oder werden wollten, und sich entweder in Österreich aufhalten oder aufhielten. Interessant! Auch, wie die "Österreich" herausstreicht, dass (also doch nur) fast jeder Zweite - genauer 115 - als Flüchtlinge zu uns gekommen wären. Sie rechnet uns brav vor: Das sind 40 Prozent.

Sie lässt allerdings aus, wie viele Prozent das im Vergleich zu den übrigen Zehntausenden Flüchtlingen sind. Oder ob sie sich unter vielen Fliehenden befanden, die zu Fuß über die Grenze kamen oder auf anderen Wegen, um dann zumindest einen Asylantrag zu stellen. Es besteht auch eine gewisse Gefahr, dass Legastheniker*innen die Schlagzeile falsch lesen und "Jeder Zweite Flüchtling kommt als Terrorist" verstehen.
Zudem werden die Möchtegern-Terroristen mit möglicherweise tatsächlichen IS-Kämpfern gleichgesetzt. Allesamt nachweislich IS-Sympathisanten, amtsbekannt und teilweise direkt an der Ausreise gehindert? Dennoch laufen sie frei herum, zumindest die, die noch laufen können?  Wurde da nicht weiter gefragt oder nur nicht weiter berichtet? Es wird auch nicht untersucht, ob die verdächtigten Dschihadisten als Asylanten hier wohnen, als Asylwerber hier wohnten, sich nur als Flüchtlinge ausgaben oder auf der Flucht oder im Aufenthalt radikalisiert wurden. 

Es folgt ein Seitenhieb auf die Mindestsicherung für Asylnehmende. Die Krone geht dabei noch weiter und bezeichnet alle unter Beobachtung stehenden Personen definitv als "Dschihad-Mörder" (was nicht nur anti-rechtsstaatlich, sondern auch eventuell ein Unrecht namens Verleumdung darstellt), die ihre "Dschihad-Wohnungen" mit Sozialhilfe finanzierten. Ein Teil dieser Personen konnte überhaupt nicht in den Dschihad ausreisen.  Es dürfen auch nur Personen Mindestsicherung beantragen, die hier wohnhaft sind oder ihren dauernden Aufenhalt nachweisen können. Personen, von denen das Innenministerium nicht immer wüsste, wo sie sich überhaupt aufhalten?
Quelle: Krone.at; bezeichnet alle verdächtigten IS-Sympathisanten als "Mörder"



Noch so ein Widerspruch


Denn um z.B. in Wien Mindestsicherung beziehen zu können, müsste auch das Asylverfahren bereits abgeschlossen sein. Auch das ist schwer vorstellbar bei Kriegern, die sich auf den Weg nach Syrien machen (wollen) oder von dort gerade erst zurück sind (so ein Asylverfahren kann sich ziehen). Die zitierten € 837,76 bekommen also nur alleinstehende (oder alleinerziehende) Terroristen mit Asyl. Für asylsuchende "Mörder" geht sich das Wohnen (in Wien) vielleicht dann aus, wenn der Herr Dschihadist nicht heizt und nix isst. 

Nicht richtig recherchiert

Mit dem ebenfalls erwähnten Mobilpass (für Mindestsicherungsbezieher*innen) lässt sich übrigens nicht "gratis" öffifahren. Man kann damit nur ermäßigte Monatskarten kaufen. Die Kronisten hätten auf der Info-Seite nicht weit runterscrollen müssen, um das zu "recherchieren".
Der Kulturpass finanziert sich aus Privatspenden und Sponsoring. Es bleibt offen, wie viele der islamistischen Terror-Fundis sich mit Lichtbildausweis registrieren lassen, nur um gratis das Naturhistorische Museum besuchen zu können. Dort wird schließlich Evolution gelehrt.

Dafür zusammenhangslos

Die übrigen Zahlen, die in diesen "Artikeln" auftauchen, haben mit Flüchtlingen noch weniger zu tun. Dennoch werden Asylsuchende zumindest neben den Pranger gestellt, um sie mit der Terror-Gefahr zu assoizieren. Die Tatsache, dass ein Teil der nicht näher beschriebenen IS-Sympathisanten als "Flüchtlinge" registriert wurde, wird mit reinen Mutmaßungen rund um die Mindestsicherung dekoriert, um Empörung hervorzurufen.
Aber gut, diese Zeitungen haben noch weniger mit Journalismus oder Berichterstattung zu tun. Es geht einerseits Reklame, andererseits darum, tendenziell Ängste und einen Bahö z.B. rund um Flüchtlinge und die Mindestsicherung zu schüren. Und der H.C. "Rache" Strache darf wieder einmal aufs Titelbild. Auch so gewinnen die Trumps dieser Welt.

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