Dienstag, 15. März 2016

100 Jahre Kaisertod und das sich reimende Europa

Österreich, Bayern und die östlichen Nachbarn in einem Bündnis gegen die nordeutsche Kanzlerin. Eine sich wiederholende bzw. sich reimende Geschichte? Erinnert an den Konflikts im Deutschen Bund - gegen die "Preißen", die im bajuwarischen Sprachraum immer noch synonym für [Schimpfwort +] "Piefke" sind. Wie passend also, dass Österreich heuer den 100. Todestag des Kaisers Franz Joseph I. "feiert"... begeht... inszeniert.
Von Karl Pietzner (Public Domain)

Die Webseite zur thematischen Sonderausstellung verspricht (ab 16.3.) eine "kritische" Auseinandersetzung mit seiner Majestät. Abwarten. Man wird sich wohl aufs Wesentliche konzentrieren: Des Kaisers Lieblingszimmer (Schönbrunn), des Kaisers Lieblingskutsche (Wagenburg), des Kaisers Lieblingssessel (Hofmobiliendepot), des Kaisers Lieblingsflinte (Schloss Niederweiden). All das an nur vier Ausstellungsorten gleichzeitig. Das soll vermutlich die persönliche Gespaltenheit unseres vorletzten Kaisers symbolisieren. Eine der tragischten Herrscherfiguren auf der Weltenbühne seiner Zeit. Und zugleich so typisch Österreichisch.

Die Erziehung macht's (hin)

Abgesehen von seiner strengen Erziehung, seiner bis zum letzten, bereits vom Lungeninfekt erschwerten Atemzug gewahrten Disziplin; die hatte nichts von österreichischer Gemütlichkeit. Und man sieht, was ihr Fehlen anrichten kann. Was ihm auch immer (von sehr klein auf) eingetrichtert wurde, funktionierte nicht ganz so wie es sollte. Trotz strenger Religiösistät und Gottgesandtheit, gab es außereheliche Verhältnisse. Sogar eingefädelt durch die eigene Kaiserin, die ihre Ruhe haben wollte. Das hatte seinem belehrenden Fürsterzbischof sicher nicht gefallen, für den schon die staatliche Ehe eine Sünde war.

Und die ganze Allgemeinbildung? Seine fundierte Kunstkritik soll den Architekten Eduard van der Nüll in den Selbstmord getrieben haben. Das wiederum soll der Anlass für des Kaisers noble Zurückhaltung bei weiteren Fragen dieser Art gewesen sein. Den übrigen Ringstraßenbau hätte er nur noch mit "Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut" bedacht. Aus Sicherheitsgründen. Das erklärt, warum wie so viele Architekten, die Erbauung von so viel historistischem Kitsch überleben konnten.

Diplomatische, militärische und taktische Ausbildung gab's auch. Nun gut, er war noch jung und hat's in Italien halt einmal selbst mit dem Oberkommando probieren wollen. Aber es sich zunächst mit dem russischen Zarenhaus zu verscherzen, das ihm in der Herbstkrise 1850 noch das hochadelige Gesäß rettete, um sich 16 Jahre später, im "Deutschen Krieg" gegen Preußen, militärisch erneut zu überschätzen... das spricht nicht gerade für seine Lehrer.

Aber selbst darin zeigen sich die zwei Seiten seines Wirkens: Einerseits verlor sein eigenes Reich an Land und Einfluss in Europa. Andererseits verhalfen seine Niederlagen sowohl Italien zu neuer Einigkeit als auch den Norddeutschen zu einer bismarckschen Neuordnung/Modernisierung. Mit österreichischer Selbstverfreilichtheit kann man sagen: Unser Kaiser war Geburtshelfer ganzer Nationen - wenn auch unabsichtlich.

Leider ein Loser

FJI war, nicht bös gemeint, ein "Loser" wie er im Geschichtsbuche steht. Selbst das Musical, das seinen Namen trägt, musste untergehen. Lange nach seinem Tod. Während seine Gattin immer noch aufgeführt und als eigenes Museum von irregeführten Tourist_innen besucht wird. Aber das kommt wahrscheinlich davon, wenn man Romy Schneider heiratet. Die Sache mit Ungarn ging angeblich auch ihretwegen glimpflich aus, weil die Sisi nicht gar so versteift gegenüber dem magyarischen Hochadel auftrat wie er. K&K war geboren. Mit diesem Kürzel einer politischen Notlösung zieren sich altehrwürdige Betriebe immer noch gerne; sowie mit der frechen Behauptung, sie würden den Kaiserhof beliefern. Wer weiß, vielleicht zahlen sie ihre Steuern auch noch ans K&K Finanzministerium.

Man könnte natürlich auch intepretieren, dass Österreich-Ungarn sowas wie die erste europäische Union (zweier unabhängiger Staaten mit teils gemeinsamer Verwaltung) war. Unser Kaiser als - erneut unbeabsichtigter - geistiger Urheber der EU? Wenn es nicht ein Blödsinn wäre. Sowie sich Kurz und/oder Faymann heute als Retter und Macher dieser EU stilisieren (weil andere ihre Grenzen schlossen). Aber vielleicht ist das auch typisch Österreichisch? Schönfärberei und nur kein Bahö? Inkonsequente Haltungen bei gleichzeitiger Behauptung des Gegenteils?

Franz Joseph der Widersprüchliche

Franz Joseph der Erste, den man auch deshalb so nannte, damit er nicht der letzte werden würde, was deshalb natürlich eintreten musste (Murphy's Law steht auch über einem Imperator): Sein Name steht auf allen Prachtgebäuden der Gründerzeit, die der Kunst, Kultur und Wissenschaft gewidmet sind. Viel Franz Jospeh enthalten sie trotzdem nicht. Für ihre Inhalte hatte er kaum Zeit. Auch wurde das Gründer-Material wurde von Wienerberger Ziegelsklaven geschaffen. Deren Rechte er eigentlich im ganze Reich garantieren wollte. Dafür musste sich dann ein jüdischer Sozialdemokrat einsetzen.

Zum Glück war der Kaiser ein Gegner des Antisemitismus. Womit er, wie so oft, weit abseits vom damaligen Trend lag. Den Lueger konnte er deshalb auf Dauer nicht verhindern. So wie gewisse Reformen, die er nie wollte. Auch wollte er zunächst absolutistisch herrschen, setzte dann aber das allgemeine Wahlrecht für Männer durch - vermutlich, um die übrige Aristokratie zu sekkieren (ohne Sisi war ihm halt fad).  

Der Big Bang am Ende

Sein größter Widerspruch: Er wollte Frieden. Dann entschloss er sich doch für den Krieg gegen Serbien - erneut die politischen Konsequenzen nicht abschätzend, Österreich erneut militärisch überschätzend. Die Folgen sind bekannt. Unser Kaiser als Verursacher des Ersten Weltkriegs. Dieser Tage prangt sein Antlitz in knalligem Rot auf der be-grünten Mariahilferstraße. Und so manche Barttracht in dieser Gegend erinnert auch an die gute, alte Zeit, als wir noch wer waren. Nostalgische Rückbesinnung an die Kaiserzeit ist nicht neu. Aber damals schon stand der Monarch für das Ewige und Gestrige, dessen Ende man zugleich herbeisehnte und fürchtete, weil alle wussten, sein Ende käme nicht allein. Auch heute fürchtet Österreich die großen Veränderungen in Europa, in der Welt, die sich anbahnen. Zugleich fördert es das, wovor es sich fürchtet. Und so machen es auch die alten Kronländer.

Heute sind wir auch wieder wer, weil wir "Obergrenze" sagten. Österreich ist stolz und weiß nicht wieso. "Weil's halt so ist": Hätte auch der Wahlspruch des Kaisers sein können. Lautete jedoch. "Mit vereinten Kräften". Daran scheiterte er genauso wie die heutige Bundesregierung, die sich mit sich selbst und Europa auch nur dann einigen kann, wenn sie einen gemeinsamen Feind erfindet.

Wiener Melancholie: Eine Endzeitstimmung

Zum Ersten Weltkrieg könnte man mit österreichischer Opferrollen-Routine sagen: Erstens wäre damals die gesamte europäische Elite kriegsgeil gewesen und hätte nur auf einen Vorwand gewartet. Zweitens wären die Militärs und Berater schuld gewesen. Der greise Kaiser hätte nur unterschrieben. Aber zieht sich dieses Verhalten des Souveräns nicht durch dessen gesamte Herrschaft? Er unterzeichnete stets Dinge, die er selbst nicht wollte.

So wie der heutige Souverän ständig irgendwas wählt, was er dann nicht haben will. Und wie es damals in Europa ausah, so ähnlich sieht es heute aus: Ein zerfallendes Reich und die Köpfe im Sand. Die Aasfresser freuen sich schon auf den Kollaps. Die übrigen fürchten sich. Alle warten und im Abwarten arbeiten sie alle auf das scheinbar Unvermeidliche hin, an das sie so fest glauben möchten. "History doesn't repeat itself but it does rhyme" Endzeitstimmung. Angeblich wie beim Kaiser einst. Wenn man also die Ausstellung über FJI repräsentativ gestalten will, würde ein Raum genügen. In dem stehen des Kaisers Lieblingschreibtisch und des Kaisers Lieblingsschreibfeder und ein Kruzifix. Fertig.  




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