Samstag, 31. Dezember 2016

Nachtprotokoll: Salzburg an einem Ende



Murphys Law. Shelter from the storm. The storm has yet to come. Zuflucht vor Kälte, Giftqualm und der jammervollen, qualvollen Zahnpastatubenmusik. Der Mainstream beherrscht die Unkunst, mittels Coverns die Essenz eines Originals auszupressen und uns dessen leere Schale übrig zu lassen. Ein junger Mann singt als verliehen ihm Jingle Bells einen leisen Dauerorgasmus. Ein weniger Junger Mann glaubt, den Sound of Silence plärren zu müssen. Zeichen des kulturellen Niedergangs. Der Pop verliert das Einzige, das ihn ausmacht: Die kunstvolle Oberflächlichkeit.

Im Angesicht des langsamen Unterganges, ist das Pub ein Alternative-Rock-Bunker. Und das Schwarze passt mir immer. Ist auch gut für die Magengegend. Die Spanierinnen und ein Spanier bestellen Rotwein. Manche Tourist*innen legen sich also ihre eigenen Fallen. Dabei ist auf die Iren verlaß, in jeder Stadt Europas.

Ich spiele den Touristen nur. "Ich bin hier aufgewachsen, du Arschloch!", erklärte ich dem zerzausten Irren, der extra sein Haus verlassen hatte, um mich beim Fotografieren von Gebirge und Gewalde zu stören. Wie störte ich ihn? Er stand in der selben Scholle wie ich. Wir hüpften beide in Gatsch. Beide sind wir ohne Besitz auf dieser Erde.

Ich kenne den Bauern, kennt er auch mich nicht. Seine Viecher dünsten aus, was mir genauso Heimatduft ist wie die warme Waschraumluft im Keller auf dem Weg zur Bierkiste. Fehlender Schnee von den Bergen. Die selben blöden Gesichter gutbürgerlicher Spaziergänger und seltener Spaziergängerinnen, die mir das selbe vertraute Schuldgefühl anrüchig machen wie früher. Als würde die Polizei vorüberfahren. Bin immer schon Tourist gewesen in der eigenen Heimat. Vielleicht auch als Kind, aber da war's mir egal. Da nahm ich keine Rücksicht auf die Hexenjäger.

Ich kenne sie alle. Die Irren und die Gutbürgerlichen tragen stets und jeweils die selben Gewänder, hinter denen sie ihre immer gleichen Gesichter zu verbergen suchen. Sie wissen nicht, wie gut ich zu ihnen und hierher passe. Ich bin eine Schnittmenge aus beiden, Blended, keine anerkannte Zuchtrasse. Dennoch bin ich einer von ihnen. Der Irre merkt es bald und zieht sich zurück. Die Gutbürgerlichen brauchen etwas länger. Ein wenig fad ist mir aber schon im Angesicht der Gleichförmigkeit, dieser nützlichen Illusion, die irgendwann zur Wahrheit wird.

Die ewig gleichen Berge hingegen sättigen mich unendlich. Dieses kräftige Licht auf den weißen Terrassen, das grüne Widerleuchten wird nicht zuviel. Was ist der Mensch, der ich bin, wenn die Lichtfänger fehlen. Sie gedeihen auch ohne Zutun, wo man sie zulässt. Lassen statt Tun. Dort atmet die unendliche Sehnsucht in ihrer unbemerkten Erfüllung, in aller Einsamkeit.

Räumliche und andere Distanzen zu dem Menschen, den ich Tochter nennen darf. Kein Plan hierfür. Kein Plan für Silvester. Letzteres macht vielleicht dem Irren Sorge. Ersteres erträgt statt mir die Geduld, meine gutbürgerliche Untermieterin später Tage. Trägt noch mehr an den Köpfen der Hydra. Verwandtschaft kann man sich eben nicht aussuchen. Aber die Geduld wohnt auf einem starken Rücken. Der ist schief und schmal. Mein Herz hat jedoch seine Schwächen. Es ist gesund.

Ich kaufe die vernüftigen Schuhe in einer unvernünftigen Farbe. Manchmal muss man Kompromisse eingehen, wenigstens dann, wenn es eigentlich keine sind. Eigentlichkeiten sind ein Segen. Und wo ist eigentlich mein Schlüssel.

Verbrauche festes Schuhwerk auf den Fährten, trage meine Flicken in das neue Jahr. Die Nähte halten noch. Reissen an den Rissen.

Hier im Pub spielen sie die Playliste alter Freunde und alter Zeiten ab, vergessene Lieder vergessener Nächte. Das ist doch ein guter Ort. Irgendwann lernt man, mit dem zufrieden zu sein, dem es an Schlechtem fehlt. Irgendwann lernt man auch, zufrieden mit seiner Unzufriedenheit zu sein. Meine Vorbilder sind mir nahe geblieben, von Raum und Zeit noch unberührt. Von der Realität noch unbeeindruckt. Aber alles ändert sich. Es ist eine große Welt, die sich schnell füllt. Es dauert, bis die Grenzen erreicht sind und lautlos kommt die Flut. Aber wenn sie branded, wird es ordentlich krachen.

Der Sturm muss noch kommen. Das nächste Guinness ist schon da. Die Segel sind gehisst. Schwerer Anker, über viele Jahre geschmiedet. Ich habe Angst, meine Angst zu verlieren. Meine Freiheit harrt bedrohlich irgendwo da draußen in der Dunkelheit.

Nur das Denken kennt Gnade. Mein Gefühl ist ein Barbar. Der fühlt nur das barbarische Mitleid, wenn der Zorn es befreit. Es ist ihm egal, was die Esoterikerinnen und Scientologen davon halten, wenn sie ihm ihr "Mitgefühl" vorschreiben wollen als Ersatz und Besserung. Selbst und allein müsse man leiden, fühlen aber nicht ohne die Vorgabe der Anderen? So modern ist der Katholizismus wieder. Und die Menschenwelt will sich teilen, in den guten Glauben und in den schlechten Glauben, begründet Anhand von Begleiterscheinungen und als wäre beides nicht nur ein Glauben. Über Wissen wagen diese geteilten Gläubigen nicht mehr zu streiten. Das Wissen liegt auf der Straße, so verliert es an Börsenwert.

Ich habe Angst vor der Egalität. Nackte Menschen sind fragil. Eigenverantwortung ist ein Geschenk. Sie sehen es als Bürde, Beleidigung, Sünde. Wer ihnen die Verantwortung zu eigen macht, muss sich fürchten. Sie machen sich Selbstleid und Fremdgefühl zur Eigentümlichkeit. Freiheitlichkeit statt Freiheit. Imitate an Gedanken und Gefühlen und Zahnpastatubenmusik im immerwährenden Sonderangebot. Diesen kleinen Schlüssel gebe ich lieber in die andere Tasche.

Ich fürchte mich davor, meine Furcht zu verlieren. Aber der Sturm wird kommen und er wird sie davonfegen, die Furcht, die Angst, die Eitelkeit nicht ganz, dann jedenfalls, wenn nichts anderes mehr übrig bleibt. Ich spüre bereits, wie der Wind erstarkt mit der Zeit, mit der vergeudeten und der noch zu erwartenden Zeit. Der Wind ist mein Bruder. Jetzt muss er auch kommen. Ich hab's versprochen, habe es mir verschrieben. Liegt wohl an mir, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu wissen, dass ich bin.

Ich glaube an eine Göttlichkeit, die da ist. Ich weiß nicht mehr als das. Alles, was ich wissen kann, will ich nicht glauben. Alles, was ich glauben muss, kann ich nicht wissen. Zu glauben zu wissen, ist ein Wissen, das den echten Glauben formt. Beides braucht einander. Der Irre und der Gutbürgerliche bedingen einander.
Einander zu sein, benötigt eine Trennung wie die Atemluft. Aber Gegensätze, die man gänzlich trennt, verschwinden zur Gänze. Die fürchterliche Gleichförmigkeit beseitigt das Gleichgewicht.

Die Stadt errichtet Gleichförmigkeit auf den Feldern. Dort gab es vieles, als es noch nichts gab. Jetzt kommt der vielfache Nihilismus. Wenn der Architektur die Gründe einschlafen, muss man auf das Leben hoffen.

Ich habe Angst vor dem Verlust. Und wo ist der Schlüssel? Achja, andere Tasche! Der Körper erinnert sich ans Radlfahren. Auf einsamen Straßen, mit Nachtfrost überzogen. Die Kälte beisst in die Stirn. Endlich Winter! Stört nicht mehr, im Gegensatz, im Vergleich. Es gibt eine innere Kälte, die relativiert jede Oberflächenlast. Befreit für die äußere Welt, vorbereitet für das Kommende.      


 

Freitag, 23. Dezember 2016

Nach Angriff auf Berlin: Angriff auf Asyl

Es ist eigenartig. Außgerechnet die "Heute" verpixelte ein angebliches Portrait des mutmaßlichen Attentäters von Berlin, während ganz Europa nach Anis Amri fandete. Vielleicht handelte es sich auch nur um eines der vielen Täter-Models aus dem Archiv, mit dem das Böse lediglich angedeutet werden sollte. Das echte Abbild des Verdächtigen machte bereits die Runde. Heute ist der Flüchtige tot.

Noch mehr Unsinn ist auch keine Lösung

Als man noch den falschen Verdächtigen einvernahm, waren sich die üblichen Verdächtigen der anderen Art bereits sicher: Man müsse die deutsche Flüchtlingspolitik "überdenken" - sprich Asyl einschränken. Wessen man sich natürlich lange vor der Amok-Fahrt am Berliner Breitscheidplatz sicher war. Man kommt also mit dem Reflex einer alten Idee daher, um ein Problem zu lösen, dass nur oberflächlich etwas mit der Flüchtlingssituation zu hat. Bei Anis Amri handelt es sich um einen mehrfach verurteilten, notorischen Kriminellen aus Tunesien. Er floh gewiss vor vielen Dingen, aber nicht vor dem Krieg; im Gegensatz zu den hunderttausenden anderen Asylwerber*innen, die nicht kriminell waren, wurden oder werden.

Aber in Zeiten des "Trumpismus" (eigentlich "Putinismus", nach dem Original) muss man sich auch mathematisch fragwürdige Gleichnisse von Trump junior anhören. Wenn man eine Schüssel voller Flüchtlinge (Zuckerl) hätte und drei wären vergiftet, würde sie welche essen wollen? Es ist dem Urheber natürlich klar, dass der Vergleich unsinnig ist. Reine Propaganda. Statt vergifteten Zuckerln schluckt man Bullenexkremente ziemlich schnell.

Mit der selben Logik könnte ich vor-"rechnen": Die Mehrheit der (islamistischen) Anschläge werden in Ländern verübt, aus denen Menschen eher fliehen als in sie zu flüchten/immigrieren. Demnach würde mehr Abwanderung mehr Terrorismus bedeuten. Deshalb müssten wir dafür sorgen, dass nicht nur weniger Menschen von hier deportiert werden, sondern, im Gegenteil, mehr zu uns kommen. Wegen der Sicherheit. Ich bin so frei, diese Logik anzuwenden – das nennt man freiheitliches Denken.

Asylproblematik als Ausrede


Mit erneuten Asyl-Debatten nach solchen Anschlägen versucht man vom eigenen Versagen in einem anderen Bereich abzulenken. Der Verdächtige war in mehreren Staaten amtsbekannt. Aber die Ämter Europas (und Amerikas) sind nicht ausreichend vernetzt, um diese Informationen zu nützen. Wozu lassen wir uns eigentlich von der NSA überwachen?
Vergessen wir die fehlenden Papiere und die Regeln im Asylwesen. Es ist die Aufgabe der Geheimdienste und der Polizei, nicht die der Asylbehörden, gefährliche IS-Sympathisanten, von denen man seit Monaten weiß (oder wissen sollte), auszuschalten. Spätestens seit dem Amoklauf von München wissen wir allerdings auch, dass sogar einzelne Bundesländer innerhalb Deutschlands über kein gemeinsames, funktionierendes Sicherheits- und Informationsnetz verfügen. In Zeiten, in denen ansonsten alle irgendwie vernetzt sind!?

Nationalistisches Versagen


Schuld an der mangelnden Kooperation innerhalb Europas sind rückwärtsgewandte, nationalistische Politikerinnen und machtversessener Provinzfürsten, die jeden Fortschritt bremsen. Zwar gaffen sie alle auf die gemeinsamen Fördertöpfe der EU wie die Möwen aus „Findet Nemo“, kreisend und kreischend: "Meins! Meins! Meins!" Aber wenn es um ein politisches, soziales und sicherheitstechnisches Zusammenwachsen Europas geht, fürchten sie um ihre jeweiligen Pfründe. Dadurch hinkt die europäisches Sicherheitspolitik der Bedrohungslage hinterher und ist keinesfalls zeitgemäß. Als Antwort auf die Bedrohung nun das Menschenrecht auf Asyl zu attackieren, macht die verantwortlichen Demagog*innen – vermutlich unabsichtlich – teilweise zu Gehilfen des Terrorismus.

Terroristen wissen, dass sie nicht nur generelle Angst verbreiten. Sie wissen, dass sie durch ihre Untaten die neuen Bewohner*innen, die nach Europa flohen oder immigrierten, den Generalverdächtigungen, teilweise der Wut und dem Hass der übrigen Menschen ausliefern. Dadurch trifft der Terror einerseits jene, die sich dem westlich-säkularen Lebensstil annähern und so, in den Augen der Extremisten, zu Verrätern werden. Andererseits spaltet und schwächt er unserer Gesellschaft. Es zeigt sich erneut: Die Geflohenen und wir haben die selben Feinde – gerade dann, wenn sie sich unter ihnen verstecken.

Samstag, 17. Dezember 2016

Lieber Wahrheit als Trumpismus

Was den Einen Lüge ist/
Ist den Anderen Versprechen/
Die Wahrheit wird nicht vermisst/
Kann man die Lüge nicht brechen/

Wie erkennt man die Dummheit/
Wie ist man so gescheit/
Nicht genug jedoch, für den wahren Grund/
Einer dümmlichen Entscheidung/
Auf den Besitzer schließt man vom Hund/
Ist ein dummer Hund schon eine Beleidigung?/

Sie sagt's Dir ins Gesicht/
Sie bliebe stolz bei der Idee/
Wüsste sie auch nicht/
Einen Beweis für diesen Schmäh/
Der auch nicht der Wahrheit diene/
So wenig wie der Apfel der Apfelsine/
Der allein dem Wunsche gelt/
Von einer Gewalt in dieser Welt/
Die der Verwirklichung von Märchen dient/
Wenn es auch böse Märchen sind/

Liebe Kinder im Geiste, und so/
Kam der Trumpismus auf die Erde/
Vielen ist er eine Beschwerde/
Viele Unbeschwerte macht er froh/

Wer ohne Willen zur Wahrheit lebt/
Ist leicht wie das sterbende Blatt/
Fällt und spürt nicht wie die Erde bebt/
Welt wird rau, doch Geist bleibt glatt/
Da rutschen die Gedanken dahin/
Kennen keinen Widersinn/

Die Anderen sind nicht weniger leicht/
Jedoch werden sie nicht still/
Weil dem Blatt auf dem Baume gleicht/
Wer die Wahrheit will/
Schwer wiegt nur des Baumes Kraft/
So fließt von tiefen Wurzeln/
Hinauf zum Blatt der Saft/
Und wird es auch irgendwann hinunter purzeln/
Gegt es nicht schon vor seiner Zeit aus dieser Welt/
In Gedanken, nur weil ihm das Denken nicht gefällt/

Als Untote leben/
Die der Wahrheit dieses Lebens weichen/
Weil sie nach Versprechen streben/
Für die alle Wahrheiten nicht reichen/

Ich will lieber lebendig sterben/
Als scheinlebend zu werden.


Jahresrückblick 2016: Rechtspopos, Heimat, Christlichkeit

Wie Trevor Noah pointierte: „2016 begann mit Zika und wurde (erst) dann schlimm.“ Dieses Jahr blickt man ungern zurück. Es sei denn man gehört zum internationalen Waffenhandel oder zum verinternetzten Rechtspopolismus.

Letzterer bescherte uns Wahlkämpfe mit ungeahnten Tiefpunkten menschlicher Intelligenz und Würde. Er feierte gewaltige Erfolge, die immer noch schwer nachzuvollziehen sind. Mit Donald Trump fallen die letzten Hemmschwellen: Die korrupte Privatwirtschaft sitzt endlich direkt im korrumpierten Präsidentenamt. Endlich kann man auf den Lobbyismus dazwischen verzichten. Wird viele Krawatten arbeitslos machen. Auf die tollen Synergieeffekte, die dadurch freigesetzt werden, freut sich auch schon Vladimir Putin. Die auch durch das Brexit geschwächte EU wird ihm bald weniger auf die Nerven gehen. Vor allem, wenn die AfD bei den nächsten Wahlen gewinnen würde.


"Mein Wort-Schatz!"

Eigentlich seltsam: In all diesen Fällen wählen Menschen, die Angst vor Statusverlust haben, dessen Abschaffung. So wie man immer gleich "weniger Staat" fordert, wenn er einen Fehler hat. Die "Alternative für Deutschland" ist schon als Name ein grammatikalischer Fehler. Sie stößt sich dermaßen am deutschen Grundrecht, es müsste "Alternative zu Deutschland" heißen. Sie und andere Rechtspopos verteidigen die "Heimat" als persönlichen Wort-Schatz wie Gollum den einen Ring. Mit Heimat meint sie die eigenen vier Wände ihrer Meinungs-Höhle, dort wo „Normalität“ herrsche, egal wie kalt und dunkel sie ist. Und wehe „dreckige, kleine Hobbitse“ „stehlen“ ihren Wort-Schatz... Dann fliegen die Hasspostings!
Wahrscheinlich verstehen wir unter Heimat alle etwas anderes und doch immer das Gleiche, wenn wir nicht gerade vom gemeinsamen Land, dem gemeinsamen Staat sprechen? Versucht man diesen Begriff genauer zu beschreiben, besser, was er persönlich bedeute, kommt man vom hundertsten ins tausendste Detail.

Die Verteidigung des "christlichen Abendlandes" ist ähnlich verwirrend. Christlichkeit? Christentum? Was das sein soll, war unter Christ*innen in Europa bereits vor Luther ein Streitpunkt. Abgesehen von Friede, Frömmigkeit und Fandom. Früher fuhr bei solchen Streitigkeiten wenigstens noch die noch nicht erfundene Eisenbahn der katholischen Inquisition drüber.

Heute hingegen herrschen Religionsfreiheit und Säkularismus in lustiger Eintracht: Eine Errungenschaft der religionskritischen Aufklärung. Dank ihr dürfen FPÖ-Fans behaupten, die Kirche vor der Islamisierung retten zu wollen, in der sie sich nie blicken lassen; außer sie werden durch das mächtige Triptychon der heiligen Gesellschaftspflichten – Taufe, Hochzeit, Beerdigung – hinein beschworen. Das hat man nun von Freiheit und Multikulti.

Warum wollen also ausgerechnet „Freiheitliche“ die "christlichen Werte" verteidigen? Das Gegenteil von Islamisierung ist schließlich nicht Christianisierung. Das Gegenteil von Islamismus ist der säkulare Rechtsstaat. Den haben wir bereits. Könnte man auch verteidigen. Aber damit lässt sich halt nicht gut reimen. Es klingt auch nicht so knackig und dramatisch in der stets bedrohten Heimat.

Meine Heimat

Heimat: Wenn ich dieses Wort denke, taucht immer das selbe, erste Bild auf. Der Blick aus den Fenstern meiner Elternwohnung. Er geht nach Westen, vorbei am Untersberg, dorthin, wo der Staufen mit seinem Wolkenkranz aussieht wie ein mächtiger Vulkankegel; wo die Sonne neben dem ebenfalls bayrischen Högl untergeht, in deren Tiefenlicht sich das Alpenvorland ausbreitet. Das sah mir früher nach großer, weiter Welt aus, von der ich nicht immer wusste, dass sie Deutschland hieß (Tschuldigung! Bayern natürlich); von der ich träumte, kurz bevor ich ins Bett geschickt wurde.

Meine Fremde

Dieses Bild ist Heimat für mich. Es hat zwei Hauptkomponenten: Das Nahe, Vertraute, das durch eine üppige Baumreihe – hauptsächlich aus Eichen und Buchen – begrenzt wird, unter der sich auch heute noch der Spielplatz befindet. Und das Ferne, Unbekannte, das im wahrsten Sinne über die eigene Grenze hinaus geht.
Das Fremde ist immer ein Teil des Eigenen. Manche fürchten sich davor. Andere macht es neugierig. Würde ich Heimat verteidigen wollen, müsste ich mich schützend vor den Stadtrand stellen, vor Wälder, Berge, Landschaften. Aber in den Vororten herrschen als einzige Gefahren rutschige Stiegenhäuser. Und das Landschaftsschutzgebiet wird höchstens von einheimischen Geschäftsleuten bedroht, die ihre hässlichen Bauklötze hineinstellen wollen.

Meine "christlichen" Werte

Auch ein Teil meines Heimatgefühls ist das Christliche, obwohl ich mein „röm.kath. durch ein „o.b.“ ersetzte. Man muss nicht sonderlich gläubig sein, um sich auf Weihnachten zu freuen. Auch Ausgetretene singen Weihnachtslieder, wenn auch heimlich. Ich hatte keine Ahnung von der Liturgie, stand dennoch Ministrant herum. Ich fand die Darstellungen an den Kirchendecken, dazu den muffigen Weihrauchgeruch unheimlich, sang trotzdem als Domkapellknabe. Ich spielte bei der Jugendtheratergruppe meines Pfarrers mit und reiste nach Taizé. Im Wohnzimmer meiner Eltern steht immer noch eine Madonna aus Holz, obwohl die Beiden noch weniger religiös sind als ich.

Meine Identität

Das Christentum ist eben nicht nur Religion. Darauf zielen die Rechtspopulisten auch ab. Es ist ein Kulturgut, das man hierzulande als identitätsstiftenden Bestandteil mitgeliefert bekommt; selbst wenn ihn niemand bestellt hat. Auch wenn man Religion ideologisch ablehnt, trägt die Ablehnung zur Identitätsstiftung bei. So wie man sich die Baumreihen und Berge in der Abenddämmerung nicht aussuchen kann, die sich einem einprägen. Da kann ich nicht klagen. Ich lernte durch die Kirche(n) wunderbare Menschen kennen. Wie göttlich oder menschlich Jesus wirklich war, ist mir egal. Viele Gläubige sehen ihn quasi als humanistisches, sogar sozialistisches Vorbild – was auch immer tatsächlich nach ihm (ins Neue Testament) kam. Soll mir Recht sein, nur nicht Recht. Es ist auch wundervoll, zu erleben, wie leidenschaftlich Menschen von ihm sprechen, die wirklich an die Nächstenliebe und den Frieden glauben.

Meine Antichristen

Diese „christlichen Werte“ verteidige ich gerne. Es sind auch meine Werte, auch wenn ich ihre Quellen woanders orte. Aber vor wem sollte ich sie verteidigen? Vielleicht vor Ungläubigen, die Kindern zurufen, sie sollten wieder in den Krieg zurück verschwinden, aus dem sie flohen? Vor Hohepriestern und Landesfürsten, die sich auf keine gemeinsame Mindestsicherung einigen können, weil die, die wenig haben, nicht genauso viel bekommen sollen müssen, wie die, die noch weniger haben? Vor Stadthaltern, die das Betteln verbieten wollen, aber genug Geld für falsche Propheten in den Medien übrig haben?
Das klingt nach verdammt viel Arbeit. Vielleicht versuch ich's auch einmal Hasspostings. Das wird mein Neujahrsvorsatz. Ich wünsche ein frohes Fresst... Fest (freudscher Verschreiber)!

Dienstag, 13. Dezember 2016

Montag, 12. Dezember 2016

Smokey Vienna: Wien, Dezember, rauchig

Gasometer, Vienna

Schafberg, Vienna, looking north-east

A Liar

He's a liar/
And they know it/
Still breathing his fire/
Still swallowing his shit/
Just not knowing/
What else to do/

Past is flowing/
Future will strike true/

Once the greedy worked hard/
As puppet masters/
At least a formless form of art/
Today it's just a disasters/
And this master is his own marionette/
Well, thanx! The stage is set/

And any rebellion will drown/
In the mass religion of the gun/
The union had signed at dawn/
Before its damnnation begun/

An unholy canonization/
Of the weapon of cowards/
Blood run from the railway station/
To their soil, earthwards/
Where it was coming from/

Blood will always come back/
Now stand still and see/
How evil deeds of old following your track/
And democracy commits suicide/

And you have no other system to flee.
 

Montag, 5. Dezember 2016

#BPW16: Wer die Wahl gewann

Ja, sicher! Sicher! Ich könnte mich kurz fassen: Die Wahl zum Bundespräsidenten 2016 gewann Dr. Alexander Van der Bellen. Ansonsten hat niemand die Wahl gewonnen. Es gehört schließlich zu den gesellschaftlichen Errungenschaft einer Demokratie, dass man wählt, damit ein anderer Mensch (Macht) gewinnt, von der/dem man sich am besten vertreten fühlt oder - im Idealfall - denkt.

Kein Sportereignis

Natürlich sagt es sich leicht: "Wir haben gewonnen! Wir haben es geschafft!" Tatkräftige Unterstützer*innen der VdB-Kampagne können auch durchaus stolz auf sich sein. Asonsten ist die Demokratie aber kein Fußballspiel. Es gewinnt nicht die gesamte Mann- oder Frauschaft inklusive Trainer oder Trainerinnen plus Fan-Gemeinschaft den Sitz in der Hofburg. Abgesehen davon, dass man am Sonntag eventuell seinen Hintern erheben muss, hat eine Wahl auch wenig mit sportlicher Leistung zu tun. Alle Wahlberechtigten haben einen Freistoß und der trifft immer. So eine Stimme bedeutet zwar ein hohes Recht, aber im Verhältnis wenig Macht. Und das ist auch gut so, ist der Sinn der Demokratie. Erst die Summe macht das Spiel. Für sich allein kann eine Stimme nichts erreichen, daher auch keine einzelnen "Wählergruppen".

Schlagzeilenanfall

Wenn also Wahl-Analysen eintreffen, trifft mich der Schlagzeilen-Schlag. Die Frauen entschieden die Wahl? Gewannen sie gar? Oder die Jungen? Oder die Gebildeten? Oder die jungen Gebildeten? Die Städte gegenüber dem Land? Diese Segmentierung der demokratischens Gesellschaft, diese absolute und zweidimensionale Sicht- oder Schreibweise auf die Daten ist nicht nur falsch. Sie füttern auch die populistische Spaltung der Gesellschaft mit Schlagworten.

Jede/r der/die für Van der Bellen stimmte, hat zur entscheidenden Summe beigetragen - nicht mehr und nicht weniger. Die jungen, gebildeten Frauen in den Städten hätten ihren Kandidaten alleine nicht in die Hofburg befördern können. Nicht ohne die Männer, die ebenso VdB ankreuzten. Nicht ohne die wenigen Arbeiter*innen und Pessimist*innen die trotzdem nicht Hofer wählten. Es gibt bestimmt auch ungebildete Alte, die nicht nur eine rechtsextreme Grinsekatze verhindern, sondern sogar einen Altgrünen wählen wollten. Daher gehört "der Sieg" ihnen allen und nicht nur einem einzelnen "Segment".

Stadt-Land-Schmus

Rechter Rand am Land? Natürlich wird es immer eine Diskrepanz zwischen Stadt und Land geben. Die meisten Menschen leben in Städten, die soziale Durchmischung ist entsprechend höher. Mehr gebildete Jungfrauen, von denen manche auch eingebildete Jungmänner sind, leben urban. Das bedeutet aber nicht, dass man sie nicht auch hinterm Wald fände, wenn dort auch die Baum-pro-Bildungsbürgerin-Quote eine andere Relation hat.

Am Land werden gewisse Probleme auch leichter sichtbar. Mit der Entwicklung zur Dienstleistungs-Gesellschaft kann man in Agrarregionen wenig anfangen. Vielleicht schiebt man Entindustrialisierung und "Bauernsterben" der ökologischen Strenge der Grünen in die Waldviertler-Schuhe. Auch wenn die Grünen bisher nicht bundesweit und nirgends alleine regierten. Einige werden sicher erkennen, dass die gegebene Entwicklung eher mit Globalisierung zu tun hat. Das heißt aber nicht, dass sie die Globalisierungskritik der Grünen, dieser "kiffenden Öko-Hippies", anerkennen. In den Medien spricht man diesbezüglich nur über Hofers Einstellung, weil man seinen populistischen "Öxit"-Flirt mit einem thematisch ernstzunehmenden Beitrag verwechselte.

Die Konservativen gelten traditionell als die Hüter des Bauern(be)stands. Das ist genauso tief in dörfliche Strukturen eingeprägt wie Kirche und freiwillige Feuerwehr. Hofer war bei dieser Stichwahl der einzige "Konservative". Dennoch wählten auch Landmenschen den "linkslinken" Van der Bellen. Vielleicht nahmen auch ein paar verirrte Rechtsradikale den "Grünfaschist" in der vermeintlichen "Hitlerpose" ernst.

Segmentegesellschaft, Segmentekampf

Nicht vergessen: Die Menschen sind mehr, als ihre Segmente. In den Analysen ihrer Statistiken bleiben Fragen ungeklärt. Ich ahne strategische Fehleinschätzungen für die nächsten Nationalratswahlen voraus. Der massenmediale Interpretationstanz könnte letztlich emotionale Gründe liefern, die Legitimität einer solchen Wahl in Frage zu stellen. Wenn man die gesamte Wählerschaft in bedeutende und unbedeutende Schubladen einteilt, werden sich viele Menschen wenig repräsentiert fühlen (vom Präsidenten). In Wirklichkeit wird aber jede Stimme gezählt und das gesamte Land hat entschieden - nicht seine einzelnen Wahlsegmente. Das nennt man Demokratie. Und die massenmediale Wahl-Segmentierung nennt man besser "Filetierung": Gustostückerln für die Schlagzeile, für einen "Rosenkrieg" bei den Wahlen.

Erschien auch auf Fisch & Fleisch

Samstag, 3. Dezember 2016

Zur Erinnerung: Das Warum in der Wahlwiederholung

Man muss vielleicht zwischen der Juristerei und einer verständlichen Sprache unterscheiden. Schließlich nennt man so ein Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshof "das" Erkenntnis. In der Philosophie hingegen spricht man eher über "die" Erkenntnis. Das ist der Hinweis auf ein grundlegendes Missverstehen meinerseits. Daran muss es liegen, dass ich mich, je näher ich mich mit der jetzigen Stichwahlwiederholung befasse, umso weniger auskenne.

Formen ohne Inhalte

Es gab Formalfehler in gewissen Mengen. Schlecht. Die Formalitäten sollen Wahl-Manipilationen verhindern. Letztere wurden vom VfGH alledings nicht nachgewiesen. Es wird nur erklärt, dass es welche geben "konnte". Daher wurde die Stichwahl annulliert. Das ist, als ginge im Auto der Airbag hoch, weil eine Tür nicht ganz geschlossen wurde.
Aber wie kam es zum Nachweis? Belasteten die Zeug_innen sich allesamt selbst und erklärten, sie hätten zwar Formfehler gemacht, nachdem sie zuvor unterschrieben hatten, dass alles in Ordung gewesen wäre? Aber manipuliert hätten sie nicht? Oder beobachteten sie die jeweiligen Vorstehenden bloß beim Verschwinden ins stille Kammerl, wo daraufhin z.B. das illegale Öffnen von Briefwahlkarten vollzogen wurde? Was sie außerhalb des stillen Kammerls jedoch nicht feststellen hätten können. Und wenn sie doch dabei gewesen wären, hätten sie dann alles ganz genau beobachtet? Aber doch die Klappe gehalten, bis klar wurde, dass die FPÖ knapp verlor? Und dann wurde das Signal gegeben? Norbert! Sag, dass du die Niederlage akzeptierst, mein Unschuldslämmchen! Wir fechten derweil die Wahl an.

Wurde die Formalität so weit verformt, dass Manipulation wirklich möglich gewesen wäre. Als ich mein Kuvert - unwissender-, aber illegalerweise - selbst in die Urne warf, so wie alle vor und nach mir? Hätten die Wahlhelfer_innen mehrfach gefälschte Stimmzettel mit Kreuzerl für Van der Bellen bemerkt, wenn sie für mich eingeworfen hätten? Hätten sie es etwa nicht bemerkt, wenn sie das Kuvert geöffnet hätten? Hat der VfGH bei ähnlichen Situationen festgestellt, dass es deshalb keine Manipulationen gab, weil selbst die Formalfehler gar keine ermöglichten? Oder fehlten nur die konkreten Vorwürfe von Zeugen-, also teilweise Verursacherseite? Und der VfGH begnügte sich damit, nichts Genaues zu wissen?
Vielleicht war der VfGH genauso verwirrt wie ich? vielleicht unter zu großem Zeitdruck? Weshalb er letztlich nur die Möglichkeitsform von Manipulationen in den Raum stellte. Aber wie kann er sicher sein, wenn er sich nicht sicher ist? Und müsste er sich nicht sicherer sein?

Mit den Wähler_innen werden die Falschen bestraft

Selbst wenn es tatsächlich zu Manipulationen kam bzw. nach etwaigen Stimmenungültigmachungen, ließe sich dadurch nachweisen, dass Hofer Stimmen gestohlen wurden? Worauf der VfGH eigentlich hätte achten sollen: Ob die unbewiesene, aber mögliche Manipulation von relevantem Einfluss auf das Wahlergebnis war. Was nicht feststellbar ist, wenn man nicht einmal weiß, ob es zu Manipulationen kam.

Darauf achten müssen hätte der VfGH nicht. Als höchstes Institut unseres Rechtsstaat hat er die höchste Interpretations-Souveränität inne. Er darf, im Hintergrund seines Erkenntnisses, nach der Vertrauenswürdigkeit des Wahlprozesses fragen. Auch wenn das nicht seine Aufgabe ist. Währenddessen urteilen einige Kolleg*innen (Zyniker*innen) von mir, dass Österreich zu blöd zum Wählen wäre. Ein Fehlurteil. Die Wahlwiederholung ist nicht die Schuld der Wählenden, sondern die einer Minderheit der Mitarbeiter_innen in den Wahlbehörden. Dennoch hält man quasi allen Österreicher_innen vor: Falsch gewählt! Nocheinmal.

Wieviel Sünde trägt der Bock als Gärtner

Muss man deshalb die ganze Stichwahl wiederholen? Hätte es nicht genügt, die Formverfehlenden zu Abschreckungszwecken zu bestrafen? Z.B. den offiziellen Wahlanfechter H.C. "Rache" Strache, der geheimzuhaltende Hochrechnungen verbotener Weise frühzeitig veröffentlichte? Würde ansonsten nicht erst recht das Vertrauen in die Demokratie bzw. den Rechtsstaat in Zweifel gezogen werden - wie ein Argument des VfGH lautete - wenn die wahlanfechtende Partei selbst für die anzufechtenden Formfehler verantwortlich wäre? Wenn sie selbst den Grund für die Annullierung des Wahlergebnisses lieferte, als hätte sie dessen für sie ungünstiges Ergebnis geahnt oder zumindest seine Möglichkeit eingeplant? Und das ohne rechtliche Konsequenzen? Oder doch? Darüber wird ja wenig berichtet.

Immerhin waren auch Wahlhelfer_innen der klagenden FPÖ an den "Schlampereien" beteiligt, die sie erst nach Bedarf - also dem Sieg Van der Bellens - bekanntgaben. Wobei sie ihren eigenen Betrug zugaben, da sie zuvor eidesstattlich unterschrieben, dass alles konform abgelaufen wäre. Wobei sie womöglich geblieben wären, wenn Hofer gewonnen hätte. Wird das rechtliche Folgen für diese Personen haben? Weiß der VfGH genug darüber, um sich vom tatsächlichen Schlamperei-Vorgang ein Bild zu machen? Oder lässt er sich von der FPÖ ein wenig verarscherln?

Der Januskopf will's wissen - ich auch

Der einzige, der in diesem Fall Sinn für mich macht, ist ausgerechnet der freiheitliche Januskopf Norbert Hofer. Natürlich ist sein Good-Demagogue-Bad-Populist-Spiel, das er gemeinsam mit Strache treibt, leicht zu durchschauen. Es ist auch klar, dass die FPÖ mögliche weitere Manipulationen (im Altersheim) nur deshalb ein weiteres Mal zur Anzeige brachte, weil sie's für den erneuten Wahlkampf benötigt: Ein doppeltes Netz über dem Grund für ihre bisherige Anfechtung. Aber das ist wenigstens nachvollziehbar.

Auch ich würde gerne, wie Hofer es verlangte, wissen, ob es tatsächlich Manipulationen gab. Oder ob die Stichwahl lediglich einem Schönheitsfehler zum Opfer fiel, einer oberflächlichen Beurteilung. So wie Neukanzler Kern internationale Wahlbeobachter_innen nur deshalb ablehnt, weil das dem Image Österreichs schaden könnte - zusätzlich zur Wahlwiederholung selbst.

Tat-Sache VS Imagefrage

Ich erhielt also - zur Stichwahlwiederholung und zum VfGH-Urteil - mehr Fragen als Antworten. Das Einzige, das sich recht klar als Muster in den Äußerungen von Verfassungsgerichtshofpräsident Holzinger, BuPrä-Wieder-Kandidat Hofer, Ex-BuPrä Heinz Fischer und Kanzler Kern abzeichnet: Es geht nicht um Tatsachen, nicht um (Un)Taten sondern ums Image, um den Anschein. Vermutlich ist das der entscheidende Unterschied zwischen "dem" Erkenntnis und "der" Erkennntis.  

Das ist auch der Unterschied zwischen Van der Bellen und Hofer. Ersterer erscheint äußerlich nicht perfekt und sein Gegner stürtzt sich auf jedes seiner I-Tüpferl, das durch sprachliche Fehler einen inhaltlichen vorgaukelt. Letzterer ist ein Rhetorik- und Partei-Marketing-Profi. Gewinnt Hofer, dann gewinnt auch die Oberflächlichkeit, die schmeichelnde Redekunst gegenüber der Wahrheit.

Die Scheiß-Geschichte und das Scheiß-Muster

Aber das ist das Muster der Anfechtung. Es ist das traurige Muster in der politischen Menschheitsgeschichte. Sokrates wurde "hingerichtet", ermordet. Platon wurde vorübergehend versklavt. Die Redekünstler aber, die Sophisten machten politische Karriere. Zum Trost aber taugt: Die Platoniker begründeten Schulen, Aufklärung, Zivilisation und sind heute noch weltberühmt. Die Demagogen und Schmeichler hingegen kennt keine Sau mehr. Sie liegen begraben unter den Ruinen ihrer Inhaltleere.

Freitag, 2. Dezember 2016

10 Punkte für Van der Bellen

Ich will dennoch einen Überblick verschaffen, über gute Gründe kommenden Sonntag Van der Bellen zu wählen. Außerdem versuche ich direkte Vergleiche zu seinem Kontrahenten – einer grau melierten Grinsekatze aus dem rechtsextremen Wunderland – zu vermeiden, ergo dessen Fehler aufzuzeigen. Denn man kann am 4. Dezember durchaus Alexander Van der Bellen ankreuzen, auch wenn man sich nicht vor Rechtsextremismus fürchtet. Er wäre, für sich allein betrachtet, ein intelligenter, besonnener Bundespräsident, politisch und gesellschaftlich etwas links von der Mitte.
Und ich geb's zu, die "10 Punkte" zu VdB sind nur Werbung (das Internet liebt 10-Punkte-Listen).

Quelle: WikiCommons/gruene.at


Keine Miss Austria

Eines spricht bereits für ihn: Seine Gegner und Gegnerinnen können Van der Bellen kaum moralische oder berufspolitische Fehler vorwerfen. Deshalb zicken sie gerne über sein Äußeres. Seine Plakatserie wäre zu plakativ, sie würde nicht zu den Vorurteilen und Verleumdungen der Internetblasenwelt, dieser Online-Gerüchteküche passen. So dürfe ein "Grüner" keinen Trachtenjanker tragen (Weil? So halt!). Seine Zähne wären nicht schön genug. Zugleich grinse er viel zu wenig (siehe Widersprüchlichkeit). Außerdem wäre er schon alt und nicht gerade ein Unterhaltungskünstler. Ich denke, wenn sie eigentlich eine Miss Austria wählen wollten, können sie am 2. Adventsonntag auch zuhause bleiben.    

Wi(e)der das Trick'l vom Kickl

Im Wahlkampf saugt man sich einiges gegen VdB aus den Fingern. Während H.C. "Gelhelm" Strache über den verpixelten Bart des 72-jährigen herzieht, setzt Herbert Kickl auf Rhetorik-Schmähs. Erst letztens, im Zentrum konnte man hören, wie er zusammenhangslose Andeutungen und Zitate aneinanderreihte, um den Ex-Chef der Grünen als jemanden darzustellen, der keine feste oder eine widersprüchliche Meinung hätte. Die Worthülsen fielen so schnell, dass sein Gegenüber nicht auf den Schwachsinn im Detail antworten konnte.
Kleine Hilfestellung: Gegen nachweislich überteuerte und in Zusammenhang mit Korruption gekaufte Euro-Fighter zu sein, bedeutet nicht, gegen das Militär im Allgemeinen zu sein. Die Grünen haben auch kein Problem mit der Flagge unserer Republik. Jene angedeutete Sackerl-Flaggerl-Aktion war eine einmalige Satire gegen übertriebenen Nationalismus, die von Jung-Grünschnäbeln in Wien durchgezogen wurde. Einmal, von einer lokalen Gruppe, gegen den Wunsch des damaligen Gerade-Noch-Chefs. Dass die Konkurrenz vor allem letztere G'schicht ständig zur Unwahrheit aufbläht, zeigt, dass sie ansonsten nicht viel gegen Van der Bellen zu sagen hat.  

Ein Studierter mit Inhalt

Natürlich gibt es auch echte Themen und Inhalte, mit denen man nicht einverstanden sein könnte. Aber einerseits wählt man keinen Regierungschef, keinen Gesetzgeber. Andererseits zeichnet sich Van der Bellen dadurch aus, dass er über Inhalte genau nachdenkt. Seine Kritikerinnen stellen es gerne so dar, als wäre er ein bisserl langsam. Wir sind Schaussteller auf der politischen Bühne gewöhnt, die zuerst möglichst schnell und laut sprechen und erst dann nachdenken. Dafür gibt es auch Rhetorikkurse: Damit man den verzapften Blödsinn bestenfalls in Echtzeit auszubessern weiß. Van der Bellen hat das nicht nötig.
Er ist ein Studierter geblieben. Wo andere nur Floskeln haben, hat er eine Meinung. Sie ist reflektiert. Und vor allem: Sie ist seine eigene. Die Welt auf eine irreale schwarzweiß Aufnahme zu reduzieren, macht zwar den populistischen Wählerinnenfang leichter. Aber dem zum Trotze bleibt „der Professor“ seinen intellektuellen Ansprüchen treu. Was also von einigen als seine Hauptschwäche ausgelegt wird, ist in Wahrheit ein triftiger Grund, ihn zu wählen. Goscherter Populismus gehört höchstens in die Opposition. Der Bundespräsident hingegen sollte ein bedachter, ein eigenständig denkender Mensch sein (er hat ja auch die Zeit dafür).

Grün-Faschist?

Deshalb ist auch der Vorwurf, er wäre ein "grüner Links-Faschist" (oder umgekehrt) ein reines Ablenkungsmanöver von den eigenen Leichen im Keller (ich will ja keine Namen nennen, von wem); einer der vielen Widersprüche gewisser Schmierfinke: Denn eigentlich wird ihm gerne vorgeworfen, er denke zu viel nach und würde (auf Grundlage dieser Gedanken) auch mal seine Meinung ändern. Im Gegensatz dazu macht es "Faschisten" oder auch "Extremisten" aus, dass sie weder nachdenken noch ihre politische Meinung ändern (können).

Freihandel

VdB betrachtet TTIP mittlerweile kritisch. CETA gehört zu jenen Themen, bei denen er eine bedachte Position einnimmt. Er ist grundsätzlich nicht gegen Freihandel, solange die Rechte der österreichischen bzw. europäischen Bevölkerung, Unternehmen und Regierungen durch ein solches nicht gefährdet werden. Damit stellt er sich sowohl gegen die extreme Rechte als auch gegen die extreme Linke (siehe: Kandidat der Mitte).

Europa, eh klar, aber...

Van der Bellen ist natürlich pro-europäisch. Wer heute noch glaubt, dass es uns ohne EU, aber mit Schilling besser ginge, der/dem kann ich auch nicht mehr helfen. Abgesehen von Personen, die in den letzten 30 Jahren im Koma lagen (kontaktieren Sie mich!). Andererseits steht er der Idee einer EU-Armee skeptisch gegenüber, weil sich diese nicht mit der österreichischen Neutralität vereinbaren ließe. Seine EU-Befürwortung kennt also auch Grenzen.

Flucht und Migration mit menschlichem Augenmaß

Beim Thema Migration und Flucht zeigt sich auch ein Medien-Problem. Der ORF titelt: "Van der Bellen gegen Obergrenze". In Wirklichkeit bezweifelt er nur, dass eine Obergrenze für Flüchtlinge und Asylwerber rechtlich überleben könnte. Auch die FPÖ kritisiert gelegentlich, wenn Gesetze beschlossen werden, die vor der Verfassung nicht stand halten können. VdB tat hier nichts anderes.
Ansonsten zeigt er auch bezüglich Flüchtlingspolitik Besonnenheit. So hat er nichts gegen Kontrolle und Registrierung an den Grenzen. Von Kürzungen der Sozialleistungen für Flüchtlinge hält er aber wenig, weil Verelendung und dadurch folgende Ausgrenzung genau jene Integration verhindern würde, die von Kürzungsbefürworterinnen immer wieder verlangt wird (siehe: Zuerst denken, dann sprechen!). Man darf auch hier nicht vergessen: "Der Bundespräsident ist nicht der Ersatz-Innenminister". VdB würde die Regierung jedenfalls daran erinnern, dass die Menschenrechte Teil unserer Verfassung sind.

Nicht mehr grün hinter den Ohren

Der ehemalige Bundessprecher der Grünen ist keiner der sich an einen Baum ketten würde. Im Grunde ist ein grüner Raucher wie ein Jäger, der sich beim VGT engagiert. Aber auch das zeichnet VdB aus: Der Umweltschutz ist für ihn wichtig, weil er vernünftig ist. Extreme Positionen nimmt er deshalb auch hier nicht ein.
Für eine Legalisierung von Marihuana setzt er sich übrigens auch nicht ein. Obwohl dieses Gerücht gerade der angeblich Grünen-skeptischen Landbevölkerung gefallen müsste. Im Gegensatz zu Tabak, wächst das Graserl auch bei uns.

Putin & Co

Van der Bellen zeigt geopolitisches Verständnis für die Annektierung der Krim durch Russland. Er sieht das Problem des Konfliktes vielmehr in der Ostukraine und fairerweise ebenso bei der ukrainischen Regierung. Was nicht bedeutet, dass er dem Putin-Regime gegenüber völlig unkritisch wäre. Er schlägt sich (obwohl pro EU) nicht blind auf eine Konflikt-Seite, sondern analysiert genau und ergreift Partei für die Vernunft.

Antidemokratisch?

Die Tatsache, dass er den aktuellen FPÖ-Chef-Demagogen nicht zum Bundeskanzler ernennen wolle, entspricht keiner Parteilinie. Im Gegenteil: Sie entspricht seiner persönlichen Haltung und seinem selbstbewussten Amtsverständnis. Der Bundespräsident hat schließlich die Pflicht und das verfassungsmäßige Recht, eine Regierung abzulehnen, die seiner Ansicht nach der Republik schaden könnte. Van der Bellen hat die Eier, das laut auszusprechen und auch dabei zu bleiben (sein Gegner hingegen will die Regierung nun vielleicht doch nicht mehr entlassen). VdB verspricht auch nichts, was sein Amt nicht hergeben könnte.

Ein Mann des Volkes

Seine Gegner bezeichnen ihn als Kandidaten einer abgehobenen Elite. Aber Van der Bellen ist (intellektuelle) "Elite" im ursprünglichen Wortsinn. Der Wirtschaftswissenschaftler ist einer der wenigen (Anm.) Politikern, die nicht nur (irgendwas) für Titelgeilheit, Vitamin-B und politische Karriere studierten. Er war seine gesamte Karriere über in der Opposition und gehört (im Gegensatz zu seinem Kontrahenten) nicht mehr zum parlamentarischen, staatlichen Establishment. Stattdessen saß er bis 2015 im Wiener Gemeinderat. Er finanziert seinen Wahlkampf zu einem großen Teil (2,73 Millionen) durch Privatspenden aus dem Volk. Die Grünen unterstützen ihn naturgemäß, administrativ allerdings auch die SPÖ. Die Neos ergreifen Partei für ihn, ebenso Teile der ÖVP. Es gibt kaum einen Präsidentschaftskandidaten (abgesehen von Irmgard Griss, die ihn ebenfalls wählt), dem die Überparteilichkeit eher zu zutrauen ist.

Ein Kandidat der Mitte

Van der Bellen ist kein "Linkslinker", nur weil er nicht gerade rechts ist.  Barack Obama oder die EU sind schließlich auch nicht pazifistisch, nur weil ihre Administrationen den Friedensnobelpreis erhielten. In allen genannten Beispielen zeigt sich vielmehr: VdB ist ein Kandidat der Mitte mit gewissen Linksdrall. Er scheut in seinem Buch "Die Kunst der Freiheit" auch nicht davor zurück, eingefleischten Grünen vor den Kopf zu stoßen und stets seinen eigenen zu benützen – auch gegen parteipolitische Konventionen. Man muss nicht in allen Dingen seiner Meinung sein, um das anzuerkennen.    

Kein "Traum"-Kandidat

Das, was aus meiner Sicht an VdB tatsächlich zu bemängeln wäre, kommt selten zur Sprache (siehe: Vorwürfe aus der Gerüchteküche). Vielleicht, weil es den Rechten eigentlich gefallen müsste: Seine zurückhaltende Kritik gegenüber Kapitalismus, Neoliberalismus und Putin & Co, seine Distanz zur echten Linken, zum Sozialismus.
Ich hätte mir ja eine charismatische Frau und echte Sozialistin (und Nichtraucherin) in die Hofburg gewünscht. Aber eine solche Kandidatin bleibt ein Traum. Weshalb ich den einzig wahren Kandidaten wähle. Als Oppositionspolitiker war er mir zu „moderat“. Aber als Bundespräsl wäre Alexander Van der Bellen nicht nur im Vergleich der bessere. Er würde für sich gesehen so gut in die Hofburg passen wie eine Tschik ins Tschocherl, wie Hubert von Goisern hinter die Quetschn, wie der Jedermann vor den Salzburger Dom...

Das Wichtigste zum Schluss: A Ruhe in der Hüttn! 

Van der Bellen wäre ein gelassener Bundespräsident. Natürlich würde sein Bekenntnis zur Demokratie, Menschlichkeit und Vernunft vehement verteidigen, wenn er muss.  Aber er würde keine halb-heimliche Agenda gegen bestimmte Personen- oder Volksgruppen hegen. Er wäre kein Populisten-Präsident. Sondern ein freundlicher, gefestigter Herr, der gelegentlich nette Ansprachen hält. Das heißt, sollte er gewinnen, müsste ich mich für die nächsten 6 Jahre nicht über das Amt aufregen. Es könnte uns allen wieder so wurscht sein wie bisher. Wir haben immerhin wichtigere Probleme.

Dienstag, 29. November 2016

Alle Jahre wieder: Bettelmafia annektiert Weihnachtsmarkt



Gestörter Weihnachtsfrieden

Die Adventzeit rollt an. Christkindlmärkte eröffnen. Als Viel-Öffifahrer erkennt man das sofort, an der erhöhten Anzahl temporär gehbehinderter Fahnenträger*innen in der heimkutschernden Bim. Dort hat man auch Gelegenheit, das einseitige, aber dafür großformatige Angebot an Printmedien zu nützen, das andere Fahrgäste einem vor die Nase halten. So weiß ich, dank der Tageszeitung "Österreich", dem regelmäßig erscheinenden Bildband für avantgardistische Fotomontagen: "Bettelmafia immer aggressiver". Und nicht nur das! Sie würden auch neueste Tricks anwenden, um hilflose Weihnachtseinkäufer*innen um ihr Geld zu bringen. So sieht man einen jungen Mann, der die Hand aufhält und Geld "fordert". Ich muss zugeben, dass mich diese Neuheit an etwaige Ess-Diäten erinnert, die jede Woche in Frauenmagazinen als "jetzt neu" angepriesen werden (wenn man nur lange genug wartet, ist auch die Frankfurter-Würstchen-Diät wieder aktuell). Aber ich bin doch sehr froh, vorgewarnt zu sein. Möglicherweise fordern diese Fordernden tatsächlich anders als all die anderen Schnorrer, die mich in Wien täglich grüßen.

Bettelnde Banden, Wackere Werbeleute, dankbares Christkind 

Die Bettel-Banden werden jedenfalls, wie im letzten Advent, immer mehr! Sicherheitshalber sollte man niemanden mehr etwas geben, um die Bettelnden vor Ausbeutung und den Adventmarkt vor Bedürftigen zu bewahren. Machen sie auch bei Straßenmusikern, Weihnachstmännern und adretten Jungmenschen mit Klemmbrettern und Sammelbüchsen keine Ausnahme. Man kann nie wissen, mit welchen Tricks die Bettel-Mafia als Nächstes kommt. Das Christklindl wird es uns danken! Ebenso Walter Hillerer, Leiter des Büros für Sofortmaßnahmen der Stadt Wien - vor allem, wenn es sich um den selben Walter Hillerer handelt, der im Aufsichtsrat der Wien-Marketing GembH sitzt. Er dürfte sich besonders gut mit gestörten Christkinlmärkten auskennen und half der "Österreich" bei ihrer Recherche.

Man muss es den Leuten von der "Österreich" hoch anrechnen, diese Geschichte erneut aufgedeckt zu haben. Immerhin sind sie keine ausgebildeten Journalist*innen. Sie sind - ihrem Medium nach zu beurteilen - lediglich Werbefachleute, die von Berufs wegen eigentlich eine gewisse Fakten-Distanz einhalten müssen. Dieses Hindernis überwanden sie dennoch durch äußerste Kraftanstrengung.

Des Boulevards Freund und Helfer

Dabei stand ihnen wieder einmal ein ganzer Freund und Helfer zur Seite, diesmal aus Klagenfurt. Eine wunderbare Tradition! Seit mehr als einem Jahrzehnt dienen (neben manchen betroffenen Geschäftsleuten) hauptsächlich bzw. ausschließlich einzelne Polizisten als Whistleblower gegen die berüchtigte Bettel-Mafia. Vom Herren Major Tilli lernen wir heute, dass das Einsperren illegaler Bettler nichts brächte. Deren Mafia-Paten würden sie ohnehin auslösen, weil die Fachbettler*innen im Häfn weniger wert wären als auf der Straße. In Kärnten beträgt die Geldstrafe € 700, exklusive Verwaltungsgebühren. Die Ersatzfreiheitsstrafe läuft zwei Wochen. Die einzelnen Bettler*innen dürften also einen Zweiwochenumsatz von mehr als € 700 machen, sagen wir mindestens 60 €uro pro Tag - und das allein in Klagenfurt. Ansonsten würde sich der Freikauf für die Bosse kaum rentieren. Ein Wahnsinn! Da könnten wir ja alle betteln statt arbeiten gehen, wenn wir uns einmal eine Denkpause gönnen.

Die andere Erfahrung

Autor*innen, die keine Polizist*innen sind, sondern im sozialen, wissenschaftlichen, journalistischen, teils politischen Bereich arbeiten, sich ausführlich mit den Bettler*innen selbst auseinandersetzen, mit ihnen sprechen und ihre Herkunftsorte bereisen, um auch dort nachzuforschen, würden diesen Tagesumsatz vielleicht anzweifeln. Außerhalb der Werbefachleute-Polizei-Beziehung gewisser Reklame-Zeitungen, finden sich überhaupt kaum Hinweise auf die Existenz gewaltiger Bettel-Organisationen aus Osteuropa. Gewalt und Missbrauch von Menschen mit Behinderung fände - wie übrigens auch bei uns - eher in der eigenen Familie statt. Oft würden sich auch verarmte Freunde und Bekannte "organisieren", weil man organisiert angeblich besser durchs Leben käme (was mir, wie ich gestehen muss, völlig neu ist).

Die Bettel-Mafia ist nicht zu fassen

Wem soll man da glauben? Nicht etwa der reichen Erfahrung des Stadtmarketings. Es erforscht seit Jahren die Gemütsstimmung genervter Standl-Besitzer*innen. Oder den Beamt*innen, die sich ebenfalls ausführlich mit den wegen Aggressivität verdächtigten Bettlerinnen beschäftigen? Die sie verhaften (weil sie keinen Hund haben und auch sonst nur entfernt an Punks oder Fundraiser erinnern). Die sie auch schon nackt gesehen haben (weil sich Bettler*innen auf der Wachstube entkleiden und nach Waffen untersuchen lassen dürfen). Die sie einsperren (obwohl das, wie wir bereits erfahren haben, nichts bringt). Die das erbettelte Geld beschlagnahmen (damit die bösen Hintermänner es ihnen nicht wegnehmen können).

Und seit Jahren jagen Polizei und Boulevard nach den berüchtigten Mafia-Bossen. Weil sich die dreisten Bettler*innen unverschämterweise oft nichts nachweisen lassen und man sie nach einigen Stunden wieder gehen lassen muss. Weil die nur in seltenen Fällen von Bossen sprechen. Eine Erfahrung, die wiederum auch Sozialarbeiter*innen machen (die haben also auch keine Ahnung). Und weil das eigentlich gar nicht die Aufgabe unserer lokalen Polzei ist, intereuropäische Verbrecher-Chefs zu jagen.  Sie hat schließlich genug zu tun mit ihrer eigentlichen Aufgabe: Stadt- und Christkindlmarkt-Verschönerung. 

Wie alle Jahre

Da fällt mir zum Glück gerade ein, dass mich das Thema überhaupt nicht interessiert. Sollte ich mich auf Christkindl-Gebiet verirren, werde ich mich mit heißem Punsch bewaffnen - wie alle Jahre. Falls mich irgendjemand gewaltsam um Geld oder eine Unterschrift bitten oder zum Hören anderer blöder Fragen zwingen möchte, weiß ich mich zu verteidigen - wie alle Jahre. Ich werde die Adventzeit also wahrscheinlich genauso verbringen wie alle Jahre wieder. Aggressiv, aber ungestört.

Beispielhaft

Zufällig begegnete ich vorhin einem jungen Mann, der mit höchst aggressiver Gelassenheit und Charme vorging, in dem er höflich meine Fist bumpte und daraufhin mein Erscheinungsbild lobte. Er wollte mich allerdings nicht anbraten, sondern Kaffee-Kleingeld von mir (diese Jugend hat auch nur das Eine im Kopf). Als ich ablehnte, verabschiedete er sich erneut höflich und bedauernswert. Er hatte offenbar noch nichts von der neuesten Aggressivität gehört, die man sich als Bettler dieser Tage zulegen muss. Das widerlegt übrigens nicht den Bericht des Reklameheftchens aus den Öffis: Der Mann kam augenscheinlich nicht aus Osteuropa.

Artikel erschien auch auf Fisch & Fleisch

Freitag, 25. November 2016

Europe Decide

The self-injuring woman cheers/
For Trump the Agitator/
While the man who has no tears/
Prefers Putin the Dictator/

And you, Europe, must decide/
They say, between devil and devil/
Choose one of the same side/
And sacrifice your own will/
For this monstrous choice/

Yes, Europe, decide/
Strong arms build the lanes/
Your thougths can travel - wide/
And far your historic stains/
Wave as banners of betterment/

Decice your own future now/
And don't ask the parcel of rogues/
How, but anyhow/
Ask your folks/
With your own voice of reason/

I wait in the shadow of your trenches/
I watched your promises being burned or sold/
By man with ties, a bunch of uniformed wenches/
And I keep my birthright on the hold/
For not much longer/

What do you want to be/
A strong-box for the tyrants of the new world order/
Or a stronghold for people who flee/
From those who besiege your moral border/
To keep in your fear/

Europe decide now/
Or the tyrannts decide for you anyhow/
If you will be strong, hopeful and free/
Or a weak vassal - for the world to see/
That there is no hope in it.


Freitag, 18. November 2016

Über den Gedanken

Da bleibt der Wind wehend/
Wie er will/
Für sich stehend/
Also auf einmal still/
Wenn ein Gedanke ihn berührt/

Zum gänzlichen Erfassen reicht es nicht/
Doch hast Du ihn gespürt/
Schlicht/
Der Vielheit Strom über dem Enden/
Aller irdsichen Einzelteile/
Greife hinein mit vollen Händen/
Und verweile/
Ein wenig/
Wird auch Dein Gedanke sein/

Darüber weht der Wind.

Trumpismus: Wiener Medien-Melange aus Terroristen und Flüchtlingen

Auf Fisch & Fleisch bloggte ich letztens, dass ich mich mit grantiger Polemik zukünftig zurückhalten wolle. Fällt mir verdammt schwer. Vor allem, wenn ich, wie unlängst, am Titelblatt des Reklameheftchens einer Mit-U-Bahnfahrenden so etwas lesen muss: "Jeder Zweite Terrorist kommt als 'Flüchtling'". Und das kurz nachdem Donald Jabberwocky Trump die US-Präsidentschaftswahlen gewann. Eine Schlagzeile wie ein Brandbeschleuniger in Händen eines sächsischen Skinheads.

Quelle: oe24.at


Also mal genauer hingeschaut: Laut Anfrage der FPÖ ans Innenministerium wurden 287 Personen ausgeforscht, die entweder Mitglieder des IS waren oder werden wollten, und sich entweder in Österreich aufhalten oder aufhielten. Interessant! Auch, wie die "Österreich" herausstreicht, dass (also doch nur) fast jeder Zweite - genauer 115 - als Flüchtlinge zu uns gekommen wären. Sie rechnet uns brav vor: Das sind 40 Prozent.

Sie lässt allerdings aus, wie viele Prozent das im Vergleich zu den übrigen Zehntausenden Flüchtlingen sind. Oder ob sie sich unter vielen Fliehenden befanden, die zu Fuß über die Grenze kamen oder auf anderen Wegen, um dann zumindest einen Asylantrag zu stellen. Es besteht auch eine gewisse Gefahr, dass Legastheniker*innen die Schlagzeile falsch lesen und "Jeder Zweite Flüchtling kommt als Terrorist" verstehen.
Zudem werden die Möchtegern-Terroristen mit möglicherweise tatsächlichen IS-Kämpfern gleichgesetzt. Allesamt nachweislich IS-Sympathisanten, amtsbekannt und teilweise direkt an der Ausreise gehindert? Dennoch laufen sie frei herum, zumindest die, die noch laufen können?  Wurde da nicht weiter gefragt oder nur nicht weiter berichtet? Es wird auch nicht untersucht, ob die verdächtigten Dschihadisten als Asylanten hier wohnen, als Asylwerber hier wohnten, sich nur als Flüchtlinge ausgaben oder auf der Flucht oder im Aufenthalt radikalisiert wurden. 

Es folgt ein Seitenhieb auf die Mindestsicherung für Asylnehmende. Die Krone geht dabei noch weiter und bezeichnet alle unter Beobachtung stehenden Personen definitv als "Dschihad-Mörder" (was nicht nur anti-rechtsstaatlich, sondern auch eventuell ein Unrecht namens Verleumdung darstellt), die ihre "Dschihad-Wohnungen" mit Sozialhilfe finanzierten. Ein Teil dieser Personen konnte überhaupt nicht in den Dschihad ausreisen.  Es dürfen auch nur Personen Mindestsicherung beantragen, die hier wohnhaft sind oder ihren dauernden Aufenhalt nachweisen können. Personen, von denen das Innenministerium nicht immer wüsste, wo sie sich überhaupt aufhalten?
Quelle: Krone.at; bezeichnet alle verdächtigten IS-Sympathisanten als "Mörder"



Noch so ein Widerspruch


Denn um z.B. in Wien Mindestsicherung beziehen zu können, müsste auch das Asylverfahren bereits abgeschlossen sein. Auch das ist schwer vorstellbar bei Kriegern, die sich auf den Weg nach Syrien machen (wollen) oder von dort gerade erst zurück sind (so ein Asylverfahren kann sich ziehen). Die zitierten € 837,76 bekommen also nur alleinstehende (oder alleinerziehende) Terroristen mit Asyl. Für asylsuchende "Mörder" geht sich das Wohnen (in Wien) vielleicht dann aus, wenn der Herr Dschihadist nicht heizt und nix isst. 

Nicht richtig recherchiert

Mit dem ebenfalls erwähnten Mobilpass (für Mindestsicherungsbezieher*innen) lässt sich übrigens nicht "gratis" öffifahren. Man kann damit nur ermäßigte Monatskarten kaufen. Die Kronisten hätten auf der Info-Seite nicht weit runterscrollen müssen, um das zu "recherchieren".
Der Kulturpass finanziert sich aus Privatspenden und Sponsoring. Es bleibt offen, wie viele der islamistischen Terror-Fundis sich mit Lichtbildausweis registrieren lassen, nur um gratis das Naturhistorische Museum besuchen zu können. Dort wird schließlich Evolution gelehrt.

Dafür zusammenhangslos

Die übrigen Zahlen, die in diesen "Artikeln" auftauchen, haben mit Flüchtlingen noch weniger zu tun. Dennoch werden Asylsuchende zumindest neben den Pranger gestellt, um sie mit der Terror-Gefahr zu assoizieren. Die Tatsache, dass ein Teil der nicht näher beschriebenen IS-Sympathisanten als "Flüchtlinge" registriert wurde, wird mit reinen Mutmaßungen rund um die Mindestsicherung dekoriert, um Empörung hervorzurufen.
Aber gut, diese Zeitungen haben noch weniger mit Journalismus oder Berichterstattung zu tun. Es geht einerseits Reklame, andererseits darum, tendenziell Ängste und einen Bahö z.B. rund um Flüchtlinge und die Mindestsicherung zu schüren. Und der H.C. "Rache" Strache darf wieder einmal aufs Titelbild. Auch so gewinnen die Trumps dieser Welt.

Freitag, 11. November 2016

Trumpence



Lying beauty over sunny Vienna/
Crooked hope around the world/
Golden signs of an epidemia/
The sickness of poop that is hurled/
Into the atmosphere.

And everywhere democracy crumbles/
And the media mumbles/
Only lost souls to be heared/
Bawling to the spokesman of insanity/
Who wants to pulp them into unity/

Make the people poor/
To make someone rich/
And tyrants - they are now on a tour/
To give society a stitch/
Using a wrecking ball/

Using grabbing hands/
To carve a smile into this lands/
What a Trumpence/
Hark! The trumpettes scream/
Bout that dead american dream/

You woke up sooner/
But to late to meet reality/
Though we will see/
If that joker fooles the fools/
Who're just waiting for their stools.

Dienstag, 8. November 2016

Demons

Can't hunt your demons/
Without feeling fear/
To track them down/

Sit and have a frown/
I pay the first round/
To your pain I'll be bound/
As well to fell the giants of hell/
With that thine line/
Hard to spot/
I feel it pulling at my spine/
Head becomes hot/
And my chest is a book/
About to open/

I roam the blooming carcass of the city/
Fall feeds color to everyones light/
Today you're all so pretty/
I wanna wash the mouth of society/
Rush before the sobriety/
And than your music becomes so still/

Rolling on the river/
Sliding on the leaves/
Frightening the dogs/
Barking with the trees/

You're to young for me darling/
But I want to forget time in your eyes/
And then spring/
Does not care for my demise/

Yes, everything and everyone/
Must have a soul.

Montag, 7. November 2016

Medienkritik: Postkausales Zeitalter

Alle reden und niemand sagt ein Wort

Halt! Stop! Die Medienwelt wird gebeten, für einen Augenblick das Drehen um die eigene Achse einzustellen. Die "klassischen" Medien sind gemeint, die sich in Opposition zu den bösen, wilden, sittenwidrigen "sozialen" Medien sehen. In Wirklichkeit beeinflussen sich beide gegenseitig. Gewisse Kolmunistinnen und -en des Reklame- und Skandal-Boulevards unterscheiden sich schon länger nicht, weder stilistisch noch inhaltlich, von so manchem hetzenden Online-Troll. Online-Zeitungsartikel sind genauso gestaltet wie Blogs, von denen es auch investigative gibt, deren Kommentarleiste die Verbindung zum schnöden Internetpöbel oder wen auch immer darstellt. Und die Verschwörungstheoretisierten mit ihrer "Lügenpresse" beziehen die Quellen ihrer überflüssigen Dauerempörtheit selbst dann aus der selbigen Presse, wenn sie aus schwindeligen und schwindelnden Blogs zitieren, die ihrerseits auch nur die althergebrachten Journale verwursten. Zum völligen Selbererfinden fehlt den meisten die Fantasie.

Der Funke Wahrheit genüge dem Flächenbrand der Lüge

Der Lügenpresse-Vorwurf beruht jedoch auch auf der morastigen Grundlage jener Medien, die tatsächlich regelmäßig Unwahrheiten verbreiten - nicht immer, aber doch auch mit Absicht. Was die Vorwerfenden nicht daran hindert, genau diese Medien in Massen zu konsumieren und daraufhin die Richtigen, also die Falschen mit Bullenkot zu bewerfen. Während die Meinungsmacher*innen, die in den Zeitungen 3/4-Seiten-Freiheit besitzen, nicht weniger mit Vorwürfen und Forderungen um sich werfen, aber selten mit Erklärungen. Der Rest des Inhalts fällt der Pseudo-Objektivität zum Opfer. Oder dem Sparkurs.

Es ist etwas faul in der Welt, das spüren selbst die Einfältigsten. Aber was oder wer oder wo? Irgendwer ruft "Flüchtlinge!" und schon brennt ein Asylheim. Darüber drückt dann das selbe Billig-Blatt für Journalismus-Allergiker die Eiterbeule seiner Dauer-Schockiertheit aus, das tags zuvor noch Generalpanik wegen "Flüchtlingswellen" ausrief.

Da hängt zusammen, was zusammen gehört. Und wie in einer schlechten Ehe werden die problemtatischen Zusammenhänge lieber ignoriert, ehe man sich entzweit. Unterschwellig wuchert jedoch das generelle Misstrauen, in Ermangelung an Reflexion, unkontrolliert gegen alles und alle. Bis man daran erkrankt. Und dann sehnt man sich einen Heilsbringer, einen Messias, der den bzw. mit dem ganzen Schlamassel aufräumt.

Donald der Trumpel: Die Personifizierung einer Krise

Als solcher stilisiert sich Donald J. Trump mit Erfolg. Auch wenn zur Zeit die Reihen seiner Höflinge schwindet. Sollte mich nicht stören. Wären die Gründe nicht so entlarvend scheinheilig. Trump äußert sich seit Jahrzehnten immer wieder sexistisch, öffentlich, ohne Reue. Das wurde von den jetzt Empörten nur nicht erkannt, weil es dem Alltagsseximus entspricht. Erst nachdem herauskam, dass er vor 11 Jahren aussprach, was der Alltagssexismus in der Praxis bedeutet - nicht-öffentlich, aber dann doch mit Reue - war die Aufregung plötzlich groß.
Es gilt im amerikanischen Englisch auch als Tabu, laut über weibliche Geschlechtsmerkmale in Zusammenhang mit Sexualität zu sprechen. "Pussy" darf man nur dann sagen, wenn man einen männlichen Feigling meint. Aber eine Vagina zu meinen und dann auch noch auszusprechen was man meint, mit ihr machen zu wollen? Es war jedenfalls eine gute Gelegenheit für die republikanische Partei, sich endlich kollektiv von Trump the Dump zu distanzieren. Erdrutsch-Ausstieg statt Erdrutsch-Sieg.

Natürlich lässt sich der Egomane das nicht gefallen. "Diese Wahlen sind manipuliert!", ruft er seiner Anhängerschaft entgegen. Jedoch warnt er davor auch nicht zum ersten Mal. Außerdem hat er, auch wenn ihm das selbst nicht klar sein dürfte, ausnahmsweise Recht.

Manipulierte Demokratie

Das ist wie mit der "Lügenpresse": Ein teilweise verlogenes System liefert dem Oberlügner die Grundlage für seine Attacken, u.a. gegen das System selbst. Es ist dennoch falsch zu sagen "Trump unterminiert die Demokratie". Dazu hatte er noch keine Gelegenheit. Im Gegensatz zu den Anderen.

In den USA werden in einigen Gegenden die Grenzen von Wahlbezirken nach Bedarf versetzt, um den Regierenden bei der nächsten Wahl Vorteile zu verschaffen. Dabei werden üblicherweise "Weiße" von "Minderheiten" getrennt. Hauptsächlich in Gemeinden, in denen „Minderheiten“ auch mal die Mehrheit sind.
Zudem werden vor allem "Schwarze", auch Latinos, im Allgemeinen jedoch Arme teils durch regionale Sondergesetze bzw. auf bundesstaatlicher Ebene , teils durch Schikanen an der Wählerregistrierung gehindert. Marginalisierte, deren Nase den Beamtinnen missfällt, haben keine Chance. Gefängnisinsassen - deren überwiegende Mehrheit Afroamerikaner stellen, die weit häufiger als "Weiße" und oft wegen Kleinigkeiten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden, womit sie auch in Freiheit und bis in alle Ewigkeit gebrandmarkt bleiben und in den Privatgefängnissen quasi als Sklaven der Privatunternehmen schuften müssen - dürfen generell nicht wählen.

Das System vergiftet sich selbst

Trump greift nicht das demokratische System an. Er ist auch nicht der Ursprung von Rassimus, Hass und Gewalt. Er ist dessen Ergebnis, der hässliche Auswurf dieses Systems, das längst an sich selbst erkrankt ist. Es waren die Rassistinnen, Hassprediger, Gewaltverharmloserinnen und Antifeministen der USA, die Trump erst ermöglichten, die ihn erschufen. Er ist das Produkt einer korrupten Politik, die die Armen seit Jahrzehnten ärmer, die Reichen - so wie Trump - noch reicher macht, mit miesen Geschäften und Spekulationen, die, trotz ihrer oft schädlichen Auswirkung für die Allgemeinheit, entweder legal sind oder mit wirkungslosen Geldstrafen bedacht werden .

Die Opfer dieser Politik sind 98-99% der Gesellschaft. Aber ausgerechnet diejenigen, die es besonders hart getroffen hat, wollen in großer Zahl das Symptom der Krankheit wählen. Verzweifelte Menschen verloren ihre Jobs an China. Diese Tyrannei in den Augen echter Demokrati*innen feiert ihren Aufstieg als Rolemodel neoliberaler Soziopathen, dank der Profitmaximierung der Unternehmen "westlicher" Demokratien. Trump motzt wegen dessen wirtschaftlichen Aufstieg. Zugleich gehört er zu den Nutznießern dieser Globalisierung. Sogar seine „Make America great again“-Mützen sind made in China.

In einer hässlichen Welt, ist die Wahrheit hässlich und die Lüge König

Hauptsächlich verdiente (und verlor) Trump aber sicherlich mit Immobilienspekulation. Durch diese steigen die Preise. Das führte bereits unter Bill Clinton zu einer Flut an staatlich unterstützten Billigkrediten fürs American-Dream-Haus. Nur nicht die Bevölkerung desillusionieren! Dem folgte ein Blasenplatzen und eine Weltwirtschaftskrise, an der wir heute noch kauen. Die Desillusionierung kam also doch. Und während an den Börsen munter weiterverspekuliert wird, wünschen sich die gebissenen Schafe nichts sehnlicher, als vom Wolf ins Paradies geführt zu werden. Warum nicht mal was Neues probieren? Der Hirte und sein Köter sind schließlich auch korrupt.

Trump sagt nicht die Wahrheit. Die Wahrheit spiegelt sich allerdings in seiner Fratze wieder. Ein unschöner Anblick. Und was für die USA gilt, gilt mal mehr, mal weniger auch für Europa. Natürlich gibt es maßgebliche Unterschiede. Die hiesigen Rechtspopulistinnen und Demagogen sind die Speichellecker der Trumps dieser Welt. Außerdem übertreibt es Trump mit seinem losen Mundwerk, mehr als alle anderen, weil er glaubt, es sich leisten zu können. Er entzaubert alles: Die eigene Partei, den illusorischen Neoliberalismus, die Parallelgesellschaft der reichen Eliten, den käuflichen "Journalismus". Gut so! Man kann am Donald sehen, wie es auch hinter dem frisierten Grinsen Norbert Gerwald Hofers, H.C. Straches, Marine Le Pens, Vitor Orbans oder Nigel Farags... obwohl, dem sieht man's auch so an.

Postkausales Zeitalter

Angeblich leben wir im "postfaktischen" Zeitalter. Aber Fakten gibt es genug. Es mangelt an Zusammenhängen. Was wieder zurück zu den "klassischen" Medien führt. Auch die bildungsnahen Kommentare und Debatten haften nicht selten an der selben Oberflächlichkeit, die man den "sozialen" Medien vorwirft – wenn auch mit mehr Grammatik. Es genügt eben nicht, die Probleme beim Namen zu nennen, wenn sich niemand traut, Ursache und Wirkung an- und auszupacken. Es genügt nicht, Appelle hinauszuschleudern. Die Macht der Kolumnistinnen und Gastkommentatoren liegt nicht darin, der Berufspolitik etwas vorzuschreiben, sondern darin, den Souverän namens Volk aufzuklären - in dessen Sprache. Das Volk muss dann die Revolution übernehmen. "Die Politik muss endlich...!" Nein, muss sie nicht. Das ist das Problem. Und warum sollte sie überhaupt etwas Bestimmtes müssen? Die Antwort darauf, nein, bereits die Frage danach kommt oft zu kurz. Aber nur sie kann für die nötige Motivation sorgen.

Es genügt manchmal, die richtigen Fragen zu stellen. Das passiert gelegentlich auch noch. So bemerkt Günter Eichberger in seinem Standard-Kommentar, dass zwar die Münder offenstehen, wenn ein Verfassungsrichter seine Privatmeinung preis gibt. Aber wenn man dabei erinnert wird, dass der VfGH selbstverständlich mit Parteifreunderln besetzt wird, bleiben die Münder lieber geschlossen. "Goschn halten, Hände falten." Denn wer weiß, wo man die Parteibuchwirtschaft für sich selbst noch brauchen könnte. Außerdem berichtet man nicht über Alltägliches - außer Flüchtlinge.

1000 und ein Märchen vom magischen Kopftuch

Bei der "Kopftuchdebatte" etwa drehen sich die Gedanken in beiden Medien um die eigene Achse. Die meisten scheinen auch nicht zu wissen, ob und wann es ums Kopftuch, die Burka oder beides bzw. alles dazwischen geht. Einige machen hierbei gleich gar keinen Unterschied. Und wirklich alle scheinen zu glauben, dass diese Kleidungsstücke über einen eigenen Willen verfüge (auch die Muslimas). Als wäre dem Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm!) der Koran nicht vom Erzengel Gabriel, sondern von einem magischen Kopftuch offenbart worden. Und sobald die Hidschab aus der Öffentlichkeit verschwunden ist, würden mit ihr die islamistischen Fundis verschwinden. Natürlich ist diese Annahme deppert. Aber die Deppatte läuft darauf hinaus.

Man spricht lediglich darüber, ein mögliches Symbol religiöser Unterdrückung von
Frauen aus den Augen und damit aus dem Sinn zu entfernen. Probleme irgendwo anders hin zu deportieren, liegt ja zur Zeit im Trend. Es hinterfragt aber niemand, ob das muslimische Mädchen, das jetzt alle besorgt angaffen, sich der patriarchalen Strukturen ihrer Familie als Antifeminismus überhaupt bewusst ist. Zugleich scheint es allen gleichgültig zu sein, ob die Unterdrückung im verborgenen Haushalt weitergeht, wo die äußere Verhüllung ohnehin abgelegt wird. Zumindest den vielen übers Kopftuch jammernden Männern scheint das genauso wurscht zu sein, wie die heimliche Gewalt an nicht-muslimischen Frauen; oder die täglich Viktimisierung von Frauen im öffentlichen Leben; oder die Diskriminierung von Frauen in gewissen Berufen; oder die schlechtere Bezahlung von Frauen bei gleicher Arbeitsleistung; oder der mittelalterliche Degradierung zum Zuchtvieh in jenem Buch, zu dem Präsidentschaftskandidat Hofer und sein Parteiführer das Vorwort schrieben.

Terrorismus ist kein arabisches Wort

Darüber wird nicht getitelt, gebloggt, geklagt oder gekommentiert. Zumindest nicht im selben Ausmaß wie über die lebenswichtigen Fragen zu Burkinis und Türl mit Seitenteilen. Ich tappe ja selbst in diese Erregungsfalle hinein: Grenzzäune? Wozu? Die Misogynisten und Neonazis, die "unsere Werte" bedrohen, sind schon längst hier, die haben das Land nie verlassen. Auch darüber wird kaum debattiert, nicht einmal deppattiert. Vielmehr spricht man von den Flüchtlingen als Auslöser rechter Gewalt. Also wären wieder einmal die Anderen schuld.

Und der rechtsextreme Terrorismus? Der Nationalsozialistische Untergrund ermordet in Deutschland neun Menschen, vielleicht sogar mehr und die Medien sprechen von einer Mordserie, wenn nicht gerade von „Döner-Morden“, als gebe es da keinen politischen Hintergrund. In Deutschland werden hunderte Asylheime von Rechtsextremen attackiert. Man nennt es Unruhen. Ein Breivik-Fan, der sich für einen echten Arier hält, „läuft Amok“ in einem Einkaufszentrum (wieder 9 Tote). Und ein deutscher "Reichsbürger", schoss unlängst auf Polizisten, die er als solche genausowenig wie die Bundesrepublik anerkennt, weil Hitlers Reich für ihn weiterexistiert (einer der Beamten kam dabei ums Leben). "Terrorismus" oder wenigstens "Terror" wäre das alles vermutlich nur dann, wenn diese Faschisten „Allahu Akbar“ gerufen hätten.

Aber wehe ein deutscher Antifaschist rückt in Wien nicht nachweislich einen Mistkübel gerade. Dann gibt's einen batz'n Bahö. Nur kein medial inhaltliches, auch wenn die Parteilichkeit der Justiz - die Beweismittel ignoriert, wenn sie ihr nicht passen - offensichtlich ist. Aber vermutlich entspricht das immer noch einer Alltags-Amtswillkür und fällt deshalb nicht weiter auf.

Und was bereits beim "Amoklauf" von München kritisiert wurde, wird auch bei den "Reichsbürgern" nicht weiter verfolgt: Einzelne Bundesländer - auch in Österreich (der jüngste Polizistenmörder hat Kontakte zu Gleichgesinnten in der Steiermark) - sammeln Informationen über Rechtsextreme, aber es gibt anscheinend keine Zentralisierung der Daten, keine Koordinierung und Vernetzung , schon gar nicht EU-weit. Die Zusammenhänge fehlen auch hier. Stattdessen hält man Kopftuchverbote und das Aussperren von Flüchtlingen als Waffe gegen den islamistischen Terrorismus bereit. Der IS  zittert vermutlich schon.

Die Gefahr lauert im Stiegenhaus

Stimmt schon, Österreich ist anders. Bei uns brannte in diesem Jahr immerhin erst ein Asylheim. Allerdings hatten wir auch keinen islamistischen Terroranschlag. Trotzdem werden Notstandsverordnungen, Sicherheitsgesetze, höhere Militärausgaben und jede Menge Schwachsinn hierzulande durch diese fiktive Gefahr mit-begründet. Es geht in den „klassischen“ selten um etwas anderes, weil es in den „sozialen“ Medien um nichts anderes geht. Beide sind einander der Spiegel der Angst.

Über die größte Gefahr in Österreich zu sprechen, wäre auch weniger spannend. 2014 verletzten sich 348.200 Menschen bei Sturzunfällen, mit Abstand am häufigsten "auf gleicher Ebene". Das Bedrohlichste, das einem bei uns begegnen kann, sind nicht Kampfbomber, Sprenggürtel oder fliehende Menschen, sondern Treppen. Treppen! Vielleicht sollte man hier einmal über Türl mit Seitenteilen nachdenken.

Es stirbt auch eine halbe Million (500.000!) Europäer und Europäerinnen jährlich an den Folgend des (Passiv-)Rauchens. Die Tabakindustrie sponsert quasi das größte Massen-Selbstmord-Attentat der Menschheitsgeschichte, wenn auch auf Raten, damit's niemand so richtig bemerkt. Wenn Staaten etwas gegen diesen Terror unternehmen wollen, werden sie eventuell verklagt, zumindest die kleinen in Südamerika und Afrika. Der Guantanamo-Knast wäre übrigens immer noch offen, nur so als TTIP.  Zu fürchten gebe es auch Krankenhauskeime (EU-weit angeblich 91.000 Todesopfer jährlich), ungesundes Essen plus zu wenig Bewegung, Eifersucht in der Beziehung, eCETAra.

Die Gefährlichkeit der Alltagsprobleme ist ihre Langweiligkeit

Ein großes Medien-Spektakel wird es aber zu diesen Problemen nicht geben. Auch Durchschnittsmedien werden die thematische Oberfläche der geselligen Internetzwerke und Online-Gerüchteküchen nicht durchdringen. Und wenn sie es doch tun, kriegt es niemand mit. Weil's dann niemanden mehr interessiert. Diese Abwesenheit von Zusammenhängen und thematischem Tiefgang ist der Hohlraum, in dem sich all die Hohlbirnen mit ihren Lügen sammeln können.

Deshalb warnt die dafür eingesetzte Expertenkommission auch vor dem Abriss von Hitlers Geburtshaus. Weil das einen Pilgerstättenstatus für Neonazis nicht verhindern würde. Ausstellungsräume zum Nationalsozialismus wollen die Expert*innen dort allerdings auch nicht haben. Weil das zu einer Pilgerstätte für Neonazis werden könnte. Da muss man sich doch fragen, was kann bitteschön nicht zu einer Pilgerstätte für Neonazis werden? Und wurde es bisher zu einer solchen? Nein? Vielleicht aus dem selben Grund, aus dem sich Hilter-Fans nicht auf jenem Parkplatz in Berlin versammeln, unter dem sich des großen Abführers letzter Wohnort befand? Richtig: Denn Hitler lebt! Scherz beiseite.

Bekennende Neonazis leben im Keller. Sie wollen nicht dermaßen sichtbar sein wie der Alltags-Faschismus (oder der Alltags-Sexismus). Noch nicht. In den "sozialen" Medien geben sich zumindest die unspezifischen Faschisten und ihre weiblichen Untergebenen bereits zu erkennen.  Die überdurchschnittlichen Faschisten halten sich noch ein wenig zurück, bewegen sich im Verborgenen. Und die Kommentatorinnen und Kolumnisten aller Art, sogar gleichgesinnte Gutmenschen, Sozialistinnen, Antifaschist*innen wollen, dass das so bleibt?

Wer wegsieht, rennt irgendwann dagegen

Das ist ein großer Fehler. Ich will, dass diese Menschen sichtbar werden. Ich will, dass sie sich auf der Straße versammeln, dass sie so offen ihre Menschenverachtung aussprechen wie Donald Trump. Ich will, dass die islamistischen Fundi-Eltern ihre Töchter in Burkas hüllen, ebenso die Frau Mama und die Omama, und dass die Männer ihre Anti-Schnauzer tragen, damit ich erkennen kann, wer die Fundis sind. Ich will sehen können, wo das Problem liegt.

Erst wenn man erkennt, kann man Ursachen erforschen und Lösungen finden. Die aktuelle Berufspolitik bemüht sich hingegen vor allem um kosmetische Eingriffe. Warum auch nicht? In den Medien aller Projektionsflächen geht es schließlich auch primär darum, was jemand sagt und nicht warum.

Warum wird jemand zum islamistischen Fundamentalisten, zur Faschistin, zum Neonazi, zum Internet-Troll? Man will Netzneutralität, aber kann nicht akzeptieren, wenn im großen virtuellen Freiraum auch der ganze gesellschaftliche Dreck hochkommt. Unsere Menschen-Natur ist dreckig. Der ganze „Hass“, der seit Neuestem, aber eigentlich schon immer unter Straches Web-Auftritten zu finden ist, sucht nicht seinesgleichen. Die Welt ist voll davon. Geht einmal mit mir spazieren durch die Gassen, durch die Beisl. Ihr werdet hören, dass der Hass nicht allein ein Internetphänomen ist.

Abgesehen davon: Das "Geburtshaus" ist genau der Ort, an dem selbst Adolf Hitler noch ein unschuldiges Kind war. Ich wünschte mir eine Ausstellung, die diese Tatsache seinen späteren Taten gegenüberstellt und den Leuten erklärt, wie er zu so einem Tyrannen werden konnte. Und wie man auch heute noch zu so einem werden könnte. Wer oder was einem dazu machen kann. Niemand ist oder wird allein.

Was soll das GeCETA?

Und was ist eigentlich mit CETA? Da sind alle ganz schlau, wenn es darum geht, zu erklären, was offensichtlich ist. Natürlich wollen alle Mitglieder der EU bzw. deren Regierungsmitglieder das Beste für sich herausholen. So eine Chance kommt nicht wieder – jedenfalls nicht für die Wallonen, ihre Zentralregierung zu piesacken. Und Visa-Erleichterungen für Bulgarien und Rumänien sollten im Interesse jener Mitteleuropäer_innen sein, die sich seit Jahren davor fürchten, vom Osten, aufgrund der EU-Freizügigkeit überrollt zu werden. Dann könnten sich nämlich einmal die Kanadier*innen umsonst fürchten.
Was ist aber mit dem Nicht-Offensichtlichen? Was steht eigentlich im Abkommen drinnen, wenn man die juristische Sprache übersetzt, diverse „Beipackzettel“ inklusive? In mir wächst allmählich der Verdacht, dass niemand die mehr als 500 Seiten Rohmaterial genau studierte. Ich geb's zu, ich kam auch noch nicht dazu. Dennoch gelten die jeweils Anderen, die totalen Befürworter bzw. die absoluten Gegnerinnen, als vollkommene Brut des Bösen. Absolutismen ohne Ahnung. Nicht nur auf Facebook.
Man spricht von einer historischen Chance/Gefahr. Seit sieben Jahren warten alle darauf. Alle, außer der Handel. Der macht munter weiter. Die Vorteile für ihn sind ohnehin umstritten. Gegnerinnen sehen in CETA die Generalprobe für eine drohende neue Weltordnung der Großkonzerne. Und ich dachte immer, dass es die schon längst gibt.

Aber was soll man schon glauben? Man hört und liest in den Berichten über die Wallonen, die blockierten. Aber warum und warum wirklich, erfährt man genauso selten wie inhaltliche Argumente der Ceta-Befürwortenden. Andererseits hinterfragt auch niemand das allgemeine Narrativ, wonach die EU sowieso nichts richtig machen kann. Sie gilt als schwach, weil sie nicht einfach über ein Mitglied drüberfährt. Aber wehe sie will in allen Staaten Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen durchsetzen, dann gilt sie als übermächtig. Es wundert sich auch niemand, dass der boreale Sunnyboy Justin Turdeau bzw. seine Handelsministerin das mangelnde Selbstbewusstsein der EU ausnützt und dass die Euro-Chefitäten dabei kräftig mithelfen. Medien sowieso.

Im ORF nannte man das souveräne Entscheidungsrecht der Wallonie "Erpressung". So als hätte niemand die EU so gestaltet wie sie heute ist. Als wäre sie irgendwie herausgerutscht. Hätte die Wallonie diese Möglichkeit nicht gehabt - sowie zunächst Deutschland, Österreich, Rumänien, Bulgarien und alle anderen - und die anderen Staaten wären tatsächlich drübergefahren, hätte man von "EU-Diktatur" gesprochen. Hauptsache Drama, Dokutainment.

In den Medien werden hauptsächlich unbedeutende Floskeln zitiert, wenn nicht gerade eine Krise herbei-getitelt wird, die es ansonsten vielleicht nicht gebe. Der Eine sagt dies, die Andere sagt das, dazwischen sagt niemand was. Betrifft auch andere Themen. Wer sich eine Meinung bilden will, kommt mit den alten Medien nicht weit. Die klagen dann darüber, wenn wir uns deshalb im Internet selbst auf die Recherche machen. Wobei viele, auf dem Weg dorthin, am Nonsense der "sozialen" Spinnennetzwerke hängen bleiben. Ein Kreislauf des gegenseitigen Ärmermachens.

Wer einmal lügt...

Ich bin grundsätzlich skeptisch. Unsere EU-Kommission bzw. EU-Regierungschefparty beginnt immer erst dann mit „Nachbesserungen“, wenn aufgrund irgendwelcher Leaks und investigativen Wahrheiten der (teils auch eingebildete) öffentliche Druck zu groß wird. Und so sympathisch der neue kanadische Premier auch erscheinen mag, er ist halt leider doch nur ein Liberaler (Liberale = die Esoteriker*innen der Parteipolitik). Die Griechenlandkrise hat auch sehr deutlich gezeigt, wie selektiv oder schlampig selbst seriösere Medien über komplexe Finanzwirtschaftsthemen berichten.

Und warum sollte man den Extremisten beider Positionen vertrauen? Mit Bundeskanzler Kern hat man endlich einen, der die Sache sachlich, kritisch und offen angeht. Aber gerade dafür wird er von Rechts und Links abgewatscht. Die moderne Medienkultur erlaubt eben keine Mäßigung. Sie kann nur in Extremen darstellen und denken. Die Vernunft ist eine Spaßbremse für all die vernetzten Drama-Queens, die den Kick der radikalen Polarisierung suchen. Immer "wir gegen die" rufen, aber die Demokratie retten wollen! Da kriegt man doch Lust auf Gewalttaten.

Mind Games

Wir streiten gerne über eine oberflächliche Sittlichkeit und selbst diese können wir nicht genau definieren. Da hat einer etwas gesagt, das sich nicht schön anhört. Aber über die Beschaffenheit der Gründe von moralisch Gutem und Schlechtem wird nicht verhandelt. Warum könnte er es gesagt haben, warum empfinden wir es als unschön? Sowohl die "sozialen" wie auch die "klassischen" Medien verwandeln sich in einen einzigen Make-Up-Vlog: Alle diskutieren darüber, dass da etwas übermalt wird. Aber niemand fragt warum, woher das Zeug eigentlich kommt, woraus es besteht und wieso ich mir das überhaupt antun sollte. Im übertragenen Sinne, nix gegen Make-Up-Tutorials!

Das alles erinnert mich wieder einmal an John Lennon: "Everybody's talking and no one says a word." Strange days indeed. Aber das führt notwendig zu einer Gegenbewegung. Jede Abwärtsspirale aus wechselseitigem Ärmermachen erreicht irgendwann ihr Endziel. Irgendwann werden wir es uns nicht mehr leisten können, dass sich niemand mehr Qualitäts-Medien leisten kann, die sich wiederum darum niemand mehr leisten kann. Und wenn die Gegenbewegung so massiv ausfällt wie die aktuelle Entwicklung, können wir uns freuen.


 


 

Freitag, 4. November 2016

Im Tunnel

Leut gehen fort/
Bin ich immer irgendwie/
Immer auf dem Weg zu solchem Ort/
Aber daheim letztlich nie/

Die Gasse ist schon winterkalt/
Der Weg dorthin wie das Beisl/
Und wie ich selbst schon alt/
Geh noch einmal kurz aufs tropische Häusl/

Dann ein Staro, bald gebracht/
Und auf einem der vollen Tische/
Wird die Nacht mit Brettspiele verbracht/
Die Erinnerung weht mit einem Augenwische/

An die alten Freunde denk ich itzo/
Wünscht ich hätt jetzt irgendeinen/
Der genügte mir einfach so/
Wie er ist, zum Sein, zum Meinen/

Im Tunnel sitz ich, namenssinnig/
Ein Dach, zwei Wege, zum kurzen Verweilen/
Wohin ich auch gehe, der Tunnel bleibt innig/
Die Frage bleibt nur: Wann muss ich eilen?/

Des Tunnels Merkur mocht keine Lesbenküsse/
Ich sitze hier dennoch wie ich bin/
Und küsste ich schwul und folgerten dumme Schlüsse/
Würd ich weiter machen oder alles hin/

Schöne Menschen spielen schönes Spiel/
Mir wächst ein Mittelscheitel/
Ich sehe alles, aber nicht viel/
Hab's geerbt und bleibe eitel.


Dienstag, 25. Oktober 2016

Das mediale GeCETA

Krise nennen sie es, wenn real wird, was wir sind: Demokratien. Eine der unseren lässt ihr Recht gelten. Die Zeitungen lassen es als Blockade, als Angriff, als Skandal gelten, als Krise.

Der Verhandlungspartner ist so süß. Man vergisst seine neoliberale Gesinnung, die schon als Begriff eine einzige Lüge ist: weder neu, noch liberal. Denn wenn die Freiheit nur für juristische Personen gilt, können echte Menschen niemals gemeint sein.

Der Verhandlungspartner greift die Sprache derer auf, die seit jeher die Beschwörungsformel des Verfalls sprechen. Die EU sei schwach, wenn sie ist wie sie ist. Ihnen aber gilt die EU immer als schwach, egal wie sie ist.

Sie nennen es Verhandlung, ein Angebot. Sie akzeptieren jedoch kein Nein. Sie drohen: Nur mit einem Ja wäre unser Ruf zu retten. Den wollen die Einen zerstören, die Anderen konnten ihn nie begreifen. Sie lassen sich von den Medien treiben, die selbst keine Richtung kennen und wundern sich, dass sie als die Getriebenen erscheinen.

Seit sieben Jahren wird verhandelt. Jetzt können sie keinen Monat mehr warten. Sie mussten das Dickicht verlassen, sind sichtbar, angreifbar. Deshalb haben sie es eilig, den offenen Stall zu erreichen. Der Hirte blamiert sich währenddessen vor den Pressen.

Die Idioten schreien "Lügenpresse" und haben Recht, da Medien ihnen im nacheilenden Gehorsam die Realität verrücken. Die Lüge wird nicht erkannt. Aber sie beisst dem Volk über den globalen Umweg in den Arsch.

Sie wollen, dass wir ihnen vertrauen. Sie wollen unser Vertrauen mit Geheimniskrämerei und Kriegsgeschrei zu gewinnen. Sie geben uns keine Gelegenheit, es für uns zu entdecken.







Bob Dylan

Just walkin'/
Someone's talkin'/
While that old troubadour/
Is telling stories to the beat/
Always on tour/
Still wandering/
That's what we need/

And I know what you want/

Now people talking about him/
In front of his back/
His chances were slim/
all along/
He stays on the track/
When that ol' wind blows strong/

Hard rain comes always/

Someone tries something new/
And those talker spit fast/
In their own stew/
Can't believe they still live in his past/
Guess he is carrying a death man's shield/
Still breathing/
Words for us to wield/

And they say it's all good/

Beyond that they know nothing/
But the mountains of his past/
There's always something/
That won't be the last/
And now they borrowing his steel/
To arrow for his heel/

Shouldn't sacrifice an union for one sundown/

Just do your thing, that's wise/
Than he destroyed the noblest price/
Nobody was glad/
The price was given to him/
He was supposed to feel bad/
He's still doing it/
That's his sin/

Who was this Maggie anyway?/

But he crossed that river/
I wanna sing my lover about/
A cold stream that makes me shiver/
A song, a black stout/
I think we'll cross it again/
Yes Sir, I know that refrain/

Well, times still are a-changing.



Mittwoch, 12. Oktober 2016

Himmel überm Yppenplatz

Himmel überm Yppenplatz/
Fenster im geordneten Rahmen/
Mit ungeordneten Details/
Mit offenen Armen/
Sitzen und warten, weil's/
Sein muss, während Kinder tanzen/
Die Pärchen strawanzen/
Junge Frauen, Hand in Hand/
Und die Krähe stirlt und entdeckt/
Im Pflanzentopf noch allerhand/
Ehe sie aufgeschreckt/
Emporflattert zum hellen Grau/
Herbsthimmel, Zwickl-Bier/
Genau, gut zu warten hier/