Montag, 31. August 2015

Flüchtlingskrise: Promigrinsen, Protestbewegung und Pessimismus

Mediale Gefühlsfabrikate: Kanzlerin Mutti (des postmodernen Europas) spricht „klare“ Floskeln nach reichlichem Zögern. Promis nennen Idioten Idioten. Nach dem erneuten Höhepunkt der Schockiertheit – weil die letzte „Flüchtlings-Katastrophe“ auf einer österreichischen Autobahn entdeckt wurde oder weil in Heidenau die polizeiliche Beißhemmung gegen Faschist_innen zu lange andauerte – grinsen weitere Produkte der Unterhaltungsindustrie vom Cover, betroffen, gegen den „Flüchtlings-Hass“.
Fliehende sterben nämlich auch an Land (die Toten im Meer bemerkt man schon gar nicht mehr). Ganz was Neues! Und alle, die medial vermarktbar sind, ernten ihre Aufmerksamkeit.

Spiegel einer Krisengesellschaft

Vielleicht kann man nicht mehr erwarten von der Medien-Prominenz. Die  Unterhaltungsbranche ist ein Spiegel unserer Krisen-Epoche. Es braucht saftige Leichenbilder, um Empörung auszulösen.
Da kann die Intelligenzija noch so viele Jahre lang und ganz ohne Leichen erklären, dass Flüchtlinge kommen, dass viele sterben werden... auch warum. Erst wenn die Prominenzija (oder die Mutti) betroffen grinst, wird das Thema emotional realisiert.

Man schaffte es, angetan zu sein, weil man weinende und sterbende Kinder sah. Aplaus, Aplaus! Das Maximum empathischer Leistung unserer europäischen Gesellschaft? Doch die Welle der Empörung hat meist einen sehr kleinen Gipfel. Auf den folgt ein gähnendes Tal der Gewöhnung.  

Kein Ratio ex nihilis

Ohne rationaler Erkenntnis bleibt diese Empörung auch nur Entertainment für die Masse. Nicht alle Aufgerüttelten gehören zur wachsenden Menge der Flüchtlings-Helfer_innen oder zu den Protestierenden heute in Wien. Die übrige Menge empört sich nicht unbedingt über tatsächliche Ursachen des Leides, z.B. die Flüchtlingspolitik, sondern über das Gefühl, das man als mediale_r Endverbraucher_in dabei empfindet.
Diese ausschließliche Emotionalisierung des Themas ist so sinnlos wie das ausschließliche Liken einer Protestkundgebung. Sogar kontraproduktiv: Denn wer nur das Gefühl hat, dass sich etwas bewegt, prüft selten, ob es tatsächlich so ist. 

Aufreger sind kurzlebig.
Solange sie nicht geistig verinnerlicht, zum ideologischen Nährboden einer Gesellschaft werden, verlieren sie auch für die Berufspolitik rasch an Bedeutung. Die agiert bzw. reagiert längst im Einklang mit der schnellverlebigen Medienwelt.    

Pessimsmus unbegründet?

Daher wird die Berufspolitik bestenfalls mit billigen Maßnahmen ein wenig Symptombekämpfung betreiben. Das genügt, um die Emotionen der Wähler_innen wieder auf die Fernsehcouch zu legen.
Wer weiß, wie lange die deutschen und österreichischen Züge aus Ungarn fahren werden – von den Rasierklingendraht-Fetischisten zu den brennenden Asylheimen oder in chaotische Zeltlager. Mein Geschreibe ist vom Sonntag. Schon am nächsten Tag wurde es – bestimmt mit gehässiger Absicht von Deutschland, daraufhin von Österreich – konterkariert. Wäre wünschenswert, wenn meine pessimistische Annahme enttäuscht würde

Schließlich gibt es auch noch Menschen

Menschen, die bisher von und für Flüchtlinge berührt und helfend waren, benötigten dafür Informationen, dass, wo und wie andere Menschen Hilfe brauchen. Empathie und Intellekt genügten.
Während sich die Massenmedien damit begnügen, das Schreckliche schrecklich zu finden. Man stellt (beinahe erstaunt) fest, dass Neonazis Trottel sind und unter uns. Und das Scheiße stinkt. Gratuliere!

Was die Medienanstalten für Massen-Belustigung und Wähler_innen-Beruhigung mit ihrer Gesichtsporminz nicht schaffen: Über Ursachen und Wirkung unserer Probleme zu informieren (oder wenigstens zu diskutieren), Politik qualifiziert zu kritisieren, mündige Bürger_innen wach zu rütteln.

Wo die Promi-Empörung fehlt


Europa wird nicht von Flüchtlingsströmen überflutet, sondern von einer korrupten Finanzpolitik. TTIP, über das die europäische Bevölkerung nichts wissen darf, außer das immer mehr Regierungsvertreter_innen aus ebenso geheimen Gründen dafür sind, ist dessen vorübergehender Höhepunkt.

Die Demokratie wird ausverkauft! Finanz-mächtigen Konzernen und Banken werden Steuergelder indirekt oder auch direkt in den Hintern geschoben. Derweil gründet man mit voller Absicht einen „Niedriglohn-Sektor" für Arbeitnehmer_innen und ist auch noch stolz darauf. Man will es als Erfolg verkaufen, schafft es teilweise auch.

Flüchtlinge SIND kein Problem (sie HABEN eines)


Die Griechenlandkrise zeigt, dass selbst die gebildetere Journaille die Fortsetzung des Troika-Theaters begrüßt, obwohl sie weiß, dass es falsch ist. Die globale Korruption ist auch in der EU dermaßen verflechtet, dass deshalb die europäische Flüchtlingspolitik scheitern muss.

In einer politischen Unkultur, in der alle nur auf ihren eigenen Fressnäpfe schauen, wird niemand Verantwortung für Menschen übernehmen, die weder wählen noch investieren noch schmieren können. Und vielleicht hat die große Kanzlerin kapiert, dass Flüchtlinge in jedem Fall von anderen Problemen ablenken; auch und gerade dann, wenn man sich als ihre Retterin profiliert (nachdem man möglicherweise ausrechnete, dass die meisten Stimmen doch nicht im rechtsextremen Unmenschenlager zu machen sind).


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Schreib dich aus