Dienstag, 14. Juli 2015

Muttis Medien: Deutschtreu bis in den Hirntod

Objektivität in der Krise

Das tendenziöse Schreiben der so gerne objektiven Presse ist nichts Neues. Das wusste ein gewisser Gonzo-Journalist schon in den 70ern im tiefsten Drogenrausch zu identifizieren. Im Fall des von dumpfer Feder zugespitzten Griechenland-Konflikts ist es jedoch offensichtlicher geworden. Vor allem eine gewisse Tendenz deutschsprachiger Medien.

Alle pfui, nur Deutschland hui

Auch in meiner Standard-Zeitung muss ich nicht weit nach hinten datieren. Wenn Paris Athen bei den Verhandlungen um Hilfsgelder unterstützt, geschehe dies natürlich nur im Eigeninteresse Frankreichs. Das müsse als das Wesentliche herausgestrichen werden, auch wenn es für die gesamte Eurozone jedenfalls vernünftig wäre, wenn Frankreich nicht durch den sagenumwobenen “Grexit” in Wahrnehmungsschwierigkeiten am Zinseszinsmarkt geraten würde. Investigation bedeutet heutzutage Schadenfreude?

Es gilt anscheinend auch dann als “neutrale”, jedenfalls “normale” Berichterstattung, wenn ausschließlich der griechische Chef-Verhandler – aktuell Ministerpräsident Alexis Tsipras persönlich – “bekehrt” werden müsse wie ein sündiges Schäflein. Egal wie viele international angesehene Ökonom_innen und Denker_innen seinem Standpunkt auch Recht geben und nicht – sagen wir – dem schwäbischen Hausfrauenminister Wolfgang Schäuble und seiner Gelegenheits-Kanzlerin.

Deutschland über alles

Nein! Voraus- oder hinterhereilender Gehorsam beherrscht viele deutschsprachige Medien. Deshalb bleibt diese Tendenz heimattreu bis in den Hirntod: Nichts gehe über Deutschland, vor allem kein böses Wort. Niemals würde das Wirtschaftswunderkind und seine heilige Mutti Angela im Eigeninteresse handeln.

Ausnahmen bestätigen...

Außer vielleicht am Anfang der Griechenlandkrise, als es darum ging, dem gebeutelten Land noch schnell Militärgerät zu verkaufen, ehe man sich bereit erklären wollte, den Euro-Rettungsschirm mit aufzuspannen; und man erst nach diesem, fürs griechische Volk teuren, für die deutsche Waffenindustrie lukrativen Geschäft begann, strenge Sparauflagen zu fordern. Die dann erst recht zum Absturz führten. Aber so etwas schreibt man nicht auf Deutsch.
Auch nicht dieser Tage, wenn 50 Milliarden aus staatlichen Vermögenswerten Griechenlands in einen Privatisierungsfond wandern sollen, der von der “BfW” verwaltet würde, dessen Aufsichtsrat die schwäbische Hausfrau selbst vorsitzt.

Zugegeben: Das stammt wohl aus der Feindpropaganda. Merkel hätte zugestanden, dass der Briefkasten des Privatisierungsfonds auch in Griechenland stehen könne und ein kleiner Teil davon sogar für die Griech_innen bliebe.

Shizophrene Medien

Auch solche nützlichen Infos erhält man in meiner Standard-Zeitung wie auch so manches kritische Wort – wenn auch nie direkt gegen die deutsche Regierung, Banken oder Wirtschaftselite. Warum auch? Selbst Regierungschefs anderer EU-Staaten fürchten sich.
Gegen die Griech_innen und deren gewählten Regierung dürfe man hingegen treten. Das wäre nicht feig, nur pragmatisch. Auch heute wieder verglich ein berauschter Hans die Griech_innen mit Schnorrern, die sich selbst nicht im Griff hätten und besachwaltet werden müssten. Er darf das. Er schrieb es als Glosse und glaubt, er wäre ein Linker.

Deutsches Wirtschaftsherrenmenschenbild

Die Deutschen hingegen sind fleißig, pünktlich und geschneutzt. Sie sind vermutlich auch nur deshalb am bevölkerungsreichsten in Europa und die wirtschaftliche Lokomotive des gesamten Kontinents. Auch sind sie mitfühlend, denn sie zeigen uns dummen Nichtdeutschen wie Wirtschaft geht, obwohl sie als Lokomotive natürlich auch ohne uns weiterfahren könnten. Zumindest will man uns das tendenziell so vor-schreiben.

Deutschland, Deutschland über alles und über alle. Wer zahlt, schafft an! So funktioniert Demokratie... oder Oligarchie... oder Plutokratie? Europa vielleicht nicht, aber wer braucht das schon, wenn wir Deutschland haben.
Wer zahlt, hat jedenfalls Erfolg und wer Erfolg hat, muss Recht haben, schreibt ein Großteil der deutschsprachige Presse. Egal woher der Erfolg kommt und egal, wer wirklich drauf-zahlt.

Was ist Wert in Europa?

Die anderen EU-Mitgliedsstaaten zahlen zwar auch, sind aber für sich genommen weniger “wert” – im finanzspekulativen Sinne. Schließlich fasst sie und ihren Wert niemand zusammen, sagen wir in einer Art Gemeinschaft, die man Europäische Union nennen könnte.
Geteilt ist gut beherrscht, röhrt der Platzhirsch. Und er hat Erfahrung: Mit Harz IV teilt er auch die eigene Gesellschaft in Nutzbringende und Wertlose. Das funktioniert mit deutscher Gründlichkeit.

Die großen Aber

Deutschlands Exportüberschuss schadet dem Euroraum und der eigenen Bevölkerung, die diesen seit über einem Jahrzehnt mit Lohndumping und stagnierendem Binnenmarkt erträgt. Aber wo kein Kläger, da kein Richter. Der selbe Prozentsatz an Deutschen, die mit der Regierung unzufrieden sind, finden “Mutti” Merkel toll.

Deutschland hätte ohne seinen Absatzmarkt in der EU kein Exportwunder. Aber die Anderen sind wohl selbst schuld, wenn sie kaufen. Und wenn sie nicht mehr kaufen können? Dann kommt die Troika und der Treuhandfond – zu deutschtreuen Händen.

Deutschland wurde seinerseits – und nach einem selbst verschuldeten Weltkrieg – durch ausländische Hilfsgelder und Schuldenerlass wieder aufgebaut. Aber das ist doch schon so lange her. Man muss doch vergeben und – noch besser – vergessen können.
Die deuschsprachige Presse arbeitet an vielen Fronten daran. Ob das, was dabei herauskommt, 1000-Jahre halten wird? Wage es zu bezweifeln. Ich bin eben kein guter Deutscher.

Aber Spaß beiseite:
Auf Ö1 hörte ich gerade noch wie jemand erklärte, dass man nicht gegen die Regeln der Banken protestieren solle, von denen man Kredit wolle. Allerdings handelt es sich bei IWF, EZB und dem Mix europäischer Entscheidungsträger_innen nicht um Priavtbanken. Ihre Aufgabe ist hierbei die Stabilisierung des Wirtschaftsraumes. Aber nicht Unbedeutende unter ihnen gaben zu, dass die Austeritäts-Regulierung Griechenlands nach hinten losging.
Die Bank sollte sich also auf die Seite jener stellen, die gegen ihre dummen Regeln protestieren. Nur mit einer solchen Geste der Vernunft könnte sie vermitteln, warum ihre geforderten (anderen) Reformen durchaus vernünftig wären.

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