Donnerstag, 23. April 2015

"Völkermord": Wichtig für die Türkei

Es ist nicht verständlich, wenn türkischstämmige Nationalist_innen – egal welcher „Nation“ sie auf dem Papier angehören – sich über den Begriff des Völkermords an den Armeniern beklagen. Der türkische Botschafter in Österreich muss natürlich jammern, das ist sein Job. Moralisch akzeptabel wird es dadurch nicht.

Tipp vom gelernten Österreicher


Wenn ich im Ausland auf die Nazivergangenheit angesprochen werde, bin ich nicht beleidigt. Meist beginnt es mit dem „Fun-Fact“, dass Hitler eigentlich auch Österreicher war. In meiner Verantwortung als guter Staatsbürger bringe ich den Hitler-Beethoven-Witz*. Danach bemühe ich mich um umfangreiche kritische Zusatzinformation und/oder Aufklärung.

Im Interesse des neuen Regimes

Die moderne Türkei, allen voran Anti-Kemalist und Möchtegern-Sultan Erdogan, sollte ein Eigeninteresse am „Völkermord“ entwickeln. Haupttäter waren Jungtürken, die Vertuscher Kemalisten. Die historischen Daten stehen zur Verfügung – im Gegensatz zur politischen Reife.

Denn in der kritischen Auseinandersetzung mit diesem Thema wird klar, dass sich das Ausmaß der osmanischen Schuld beispielsweise nicht mit jenem der Nazis gleichsetzen lässt. Die Nazi-Industrialisierung der Shoa macht die gesamte Führungsebne des damaligen deutsch-österreichischen Staatsapparates schuldig.

Im nationalistischen Denken


Es gibt natürlich systematische Parallelen zum Genozid an den Armeniern, aber nicht das gesamte osmanische Reich wurde in eine diesbezüglichen „Endlösung“ eingebunden. Auch wurden bereits 1918 ein großer Teil der verantwortlichen Politiker und Offiziere durch deren eigenen Staat verurteilt (wenn auch durch Druck der Weltkriegssieger).

Für die Freunde der Geschichts-Relativierung

Allein diese bekannten Umstände sollte die türkischen Freunde der Geschichts-Relativierung ausrufen lassen: „Es war nicht alles schlimm damals!“ Dazu müssten sie jedoch erst den Völkermord als solchen bezeichnen (dürfen).
Stattdessen sagen sie: „Es war nicht alles schlimm damals, deshalb darf man auch nicht Völkermord sagen.“ Das erscheint nicht nur kindisch. Der türkische National-Chauvinismus entwürdigt sich selbst.

Irrationale Angst statt Nationalstolz


Niemand würde die heutige Türkei und ihre Generationen für Vertreibung, Deportation und teilweise systematische, teilweise chaotisches Ermordung des armenischen Volkes in Anatolien – 100 Jahre später – verantwortlich machen. Die aktuelle Untat der Türkei ist die Leugung dieses Verbrechens und ihr Umgang mit all jenen, die nur die Wahrheit aussprechen.


*Den „Hitler-Beethoven-Schmäh“ kenne ich von Alfred Dorfer, laut elib.at soll aber von Hannes Androsch sein: "Es ist unser großes Geschick, Beethoven zu einem Österreicher gemacht zu haben und Hitler zu einem Deutschen." Ich brachte damit schon einen Inder aus den USA zum Lachen.

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