Donnerstag, 23. April 2015

"Völkermord": Wichtig für die Türkei

Es ist nicht verständlich, wenn türkischstämmige Nationalist_innen – egal welcher „Nation“ sie auf dem Papier angehören – sich über den Begriff des Völkermords an den Armeniern beklagen. Der türkische Botschafter in Österreich muss natürlich jammern, das ist sein Job. Moralisch akzeptabel wird es dadurch nicht.

Tipp vom gelernten Österreicher


Wenn ich im Ausland auf die Nazivergangenheit angesprochen werde, bin ich nicht beleidigt. Meist beginnt es mit dem „Fun-Fact“, dass Hitler eigentlich auch Österreicher war. In meiner Verantwortung als guter Staatsbürger bringe ich den Hitler-Beethoven-Witz*. Danach bemühe ich mich um umfangreiche kritische Zusatzinformation und/oder Aufklärung.

Im Interesse des neuen Regimes

Die moderne Türkei, allen voran Anti-Kemalist und Möchtegern-Sultan Erdogan, sollte ein Eigeninteresse am „Völkermord“ entwickeln. Haupttäter waren Jungtürken, die Vertuscher Kemalisten. Die historischen Daten stehen zur Verfügung – im Gegensatz zur politischen Reife.

Denn in der kritischen Auseinandersetzung mit diesem Thema wird klar, dass sich das Ausmaß der osmanischen Schuld beispielsweise nicht mit jenem der Nazis gleichsetzen lässt. Die Nazi-Industrialisierung der Shoa macht die gesamte Führungsebne des damaligen deutsch-österreichischen Staatsapparates schuldig.

Im nationalistischen Denken


Es gibt natürlich systematische Parallelen zum Genozid an den Armeniern, aber nicht das gesamte osmanische Reich wurde in eine diesbezüglichen „Endlösung“ eingebunden. Auch wurden bereits 1918 ein großer Teil der verantwortlichen Politiker und Offiziere durch deren eigenen Staat verurteilt (wenn auch durch Druck der Weltkriegssieger).

Für die Freunde der Geschichts-Relativierung

Allein diese bekannten Umstände sollte die türkischen Freunde der Geschichts-Relativierung ausrufen lassen: „Es war nicht alles schlimm damals!“ Dazu müssten sie jedoch erst den Völkermord als solchen bezeichnen (dürfen).
Stattdessen sagen sie: „Es war nicht alles schlimm damals, deshalb darf man auch nicht Völkermord sagen.“ Das erscheint nicht nur kindisch. Der türkische National-Chauvinismus entwürdigt sich selbst.

Irrationale Angst statt Nationalstolz


Niemand würde die heutige Türkei und ihre Generationen für Vertreibung, Deportation und teilweise systematische, teilweise chaotisches Ermordung des armenischen Volkes in Anatolien – 100 Jahre später – verantwortlich machen. Die aktuelle Untat der Türkei ist die Leugung dieses Verbrechens und ihr Umgang mit all jenen, die nur die Wahrheit aussprechen.


*Den „Hitler-Beethoven-Schmäh“ kenne ich von Alfred Dorfer, laut elib.at soll aber von Hannes Androsch sein: "Es ist unser großes Geschick, Beethoven zu einem Österreicher gemacht zu haben und Hitler zu einem Deutschen." Ich brachte damit schon einen Inder aus den USA zum Lachen.

Dienstag, 21. April 2015

"Unser Meer" und die Flüchtlingskatastrophen



Die Tragödie


Vorgezeichnet. Da treffen sich hunderte Menschen, um der Opfer der jüngsten Mittelmeer-Flüchtlingskatastrophen (wie am Wiener Minoritenplatz) zu gedenken. Übrig bleiben sie als Hintergrund für die Bühne und Bilder mindesten eines anwesenden Berufspolitkers. Und wie auf der kleinen Bühne, ist's auf der großen. 
In ganz Europa beginnt das Politiker_innen-Profilieren in dieser Tragödie. Als wären sie alle erst seit gestern im Amt.

Begriffe

Mare Nostrum wurde eingestellt. Diese altrömisch-imperiale Bezeichnung bedeutet „unser Meer“. Das deutet unsere Verantwortung an, nicht allein jene Italiens. Für die Bedeutung von „Europäische Gemeinschaft“ braucht es kein Latein.
Auch wenn der nächste ertrinkende Flüchtling nemo nostrum ist... oder ist er nicht doch einer/eine von uns? Sind wir nicht das „christliche Abendland“? Beten fromme Rechtspopulist_innen eigentlich für tote Flüchtlinge? Fragen wir einmal die Pegida-Leute, die Identitären bei ihrem nächsten Spaziergang.

Worauf plädieren Sie?


Mare Nostrum wurde eingestellt. Die Folgen waren absehbar. Wenn von etwas mehr gebraucht wird, weil anonsten mehr Menschen sterben, ich nehme aber von dem Gebrauchten sehr viel weg, sodass mehr Menschen sterben: Bin ich dann ein Mörder? Oder könnte mein Anwalt es wie unterlassene Hilfeleistung aussehen lassen?

Mehr Gewalt oder mehr Verantwortung

Die EU-Chefitäten diskutieren aber nicht über Verantwortung. Sie wollen ihre Probleme mit Gewalt lösen. Die Operation Triton zielte vor allem darauf ab – neben einer Reduktion von Rettungsdiensten – Schlepper_innen und Fluchthelfer_innen gleichsam zu attackieren (weil das Gesetz die beiden nicht unterscheiden kann).
Von Expert_innen korrekt prognostiziertes Ergebnis: Mehr Tote. Nun will man einen Teil dieser Politik fortsetzen, die Militarisierung des Mittelmeerraums ausbauen.

Heuchler-Hilfe

Ein Mehr an Seenothilfe wäre schön. Aber nicht alle Regierungen werden damit einverstanden sein. Warum auch? Man hatte zuvor genug schlechte Gründe, die Hilfeleistung, jene Italiens, zu reduzieren: Um Flüchtlinge durch erhöhte Todesgefahr, steigende Opferzahlen abzuschrecken.

Allerdings: Diese Menschen mussten bereits Todegefahr überleben, ehe sie an Bord eines Fluchtbootes gehen können. Auch aufgrund einer global verdienenden Waffenindustrie, die mit jedem dieser Fluchtboote, das im Vorfeld nun zerstört werden soll, erneut Profit macht. Gewalt ist keine Lösung, sondern Ursache des Problems.

Hier ist der Plan (und das gratis)

Australien hat Konzentrationslager, die britische Presse hat „Ungeziefer“. Einige europäische Politiker_innen hätten das auch gerne. Aber Bella Italia hat etwas besseres: Riace.
Es ist nicht das einzige Dorf, das unter Überalterung und Abwanderung leidet. Doch schon Ende der 90er begann es Flüchtlinge aufzunehmen, diesen zu helfen, das Dorf zu beleben. Dafür brauchte es nicht viel Geld und vor allem kein Militär und keine Waffengewalt.

Disziplinierter Humanismus

Um eine solche intelligente Ver- und Zuteilung von heimatvertriebener Menschen in großem Stile zu organisieren, braucht es ein Wunder: Intelligente Politik und europaweite Zusammenarbeit. Z.B. indem man Operation Mare Nostrum wieder einführt, ausbaut und diesmal über Frontex-Gelder finanziert.

Es braucht auch einen bereits geforderten sicheren Korridor für fliehende Menschen, statt ein härteres Vorgehen gegen jene, die ihnen bei der Flucht helfen. Schlepper_innen, Fluchthelfer_innen und mit diesen die Flüchtlinge werden eine sichere Route erst dann wählen, wenn sie keine Strafe zu befürchten haben. Vielleicht mein der „UN-Flüchtlingskommissar“ das mit „legalem Fluchtweg“?

Das hätte mehrere positive Effekte/ böte Möglichkeiten:
+ Es würde Menschenleben retten.
+ Es erleichtert Absicherung und Kontrolle der Immigration,
+ Es erleichtert Identifikation und Kontrolle von Schleppern_innen und Fluchthelfer_innen. + Es ermöglicht eine gezielte Koordinierung von Emfpang, Registrierung und Weiterleitung von Flüchtlingen.
+ Es würde – weil die Flüchtlingsbewegung gebündelt – die Kosten und den sonstigen Aufwand für Grenzschutz und Überwachung senken.

Sobald ein solcher sicherer Korridor etabliert und die EU – anstatt Lampedusa allein zu lassen – geimeinschaftlich zur Aufnahme der Flüchtlinge verpflichtet wäre, könnten die Geflohenen in ganz Europa dort angesiedelt werden, wo es an Nachwuchs mangelt. 
Nicht um als Billigstlohn-Sklaven zu schuften, sondern um das vernünftigste und menschlichste aus einer unvermeidbaren und großteils von unserer Politik selbst verschuldeten Völkerwanderung zu machen: Menschenwürde und Leben ermöglichen. Das ist auch die beste „Waffe“ gegen Radikalisierung.

Übrigens ignoriere ich die Rechtspopulist_innen und ihre möglichen Reaktionen auf gezieltes Plus an Zuwanderer_innen völlig bewusst. Alles lässt sich irgendwie managen. Warum sollte man mehr Aufwand bei der Jagd auf Menschenschmuggler_innen im Äußeren betreiben, als bei der Jagd auf faschistische Attentäter_innen im Inneren?







Montag, 20. April 2015

Grexit & Co: Exemplarischer Kommentar über einen exemplarischen Kommentar

Betrifft „Böse Griechen, brave Troika“ von András Szigetvari (wegen dessen Namen ich froh bin, dass ich keinen Vlog mache), im Standard vom 20.4.2015.

Dieser Kommentar ist exemplarisch für den Umgang der meisten Medien und ihren Macher_innen mit dem Konflikt zwischen Griechenland und Troika. Ein exemplarischer Kommentar:

Taktischer Mythos: Grexit

Grexitgefahr: Kann stimmen: "Die Chancen dafür, dass Griechenland asu der Eurozone austreten wird, waren noch nie so hoch wie heute". Was aber nicht bedeutet, dass sie insgesamt hoch sind; oder, dass es Beweise für eine Grexit-Stimmung gibt. Denn auf der IWF-Jahrestagung wollte sich diesbezüglich anscheinend niemand „namentlich zitieren lassen“.

Schuldfrage: Er fragt weiter nach der Schuld für die Spannungen zwischen Troika und griechischer Regierung. Und: „(...) was müsste sich bewegen, damit ein Grexit noch verhindert werden kann?“
Antworten: Medienmacher_innen. Sie könnten aufhören, ständig über einen Grexit zu schreiben, für den es noch keine nachweislichen Anhaltspunkte oder rechtliche Grundlagen gibt.

Böse Griechen

Syrizas Zusammenarbeit: Wie sehr häufig wird auch hier die mangelnde Zusammenarbeit durch Pemier Tsipras und „besonders“ Finanzminister Varoufakis erwähnt.
Was aber niemand schreibt: Was ist dieser „Mangel“? Die Tatsache, dass sie die Vorschläge der „Institutionen“ nicht akzeptieren (können), weil sie den alten, abzulehnenden Auflagen quasi entsprechen?
„Die Troika – Eu-Kommission, Europäische Zentralbank und IWF – ist ja mit ihren Reformplänen für Hellas spektakulär gescheitert.“, schreibt der Journalist im selben Artikel.

Überhaupt: Die Beschränkung auf große Worte muss man zunächst der Troika vorwerfen: Deren Mitglieder geben teilweise zu, dass die alte Sparpolitik falsch ist, setzten sie aber dennoch fort. Wie weit hat sich die Troika bisher bewegt? Muss man sie loben, weil sie überhaupt mit den Syriza-Abgeordneten sprechen? Und wann werden diese Fragen thematisiert?

Bad-Boy Varoufakis: Hier wird im nun – nachdem andere „Expert_innen“  ihn gerne modisch kritisieren – vorgeworfen, dass er unserem österreichischen Januskopf Schelling wiederum eine Lüge vorwarf.
Exemplarisch für die Medien: Es wird nicht geprüft, ob der Eine oder Andere Recht hat. Aber es wird wegen diesem einen Vorfall von „Ausfällen“ Varoufakis geschrieben.
Zugleich verschweigt man unangebrachten Äußerungen zum Beispiel Schäubles oder die tatsächlichen Lügen anderer Medien, die sich bereits gegen den Wirtschaftswissenschaftler, in dessen kurzen Amtzeit, richteten. Hier wäre der Plural korrekt!

Böse Troika – Braver Journalist

An der Steuerfahndung liegt's: Nun wirft Szigetvari, durchaus fair, den „Gläubigern Griechenlands“ (zutreffende Bezeichnung) mangelnde Selbstkritik vor. Allerdings deshalb, weil die EU-Kontrolleure, ebenso wie die Griechen, bei der Gestaltung der Steuereinhebung versagt hätten – und zwar seit 2010, als die Syriza noch lange nicht die Regierung bildete (die von einigen Anderen lächerlich gemacht wurde, weil sie bessere Steuerfahndung als Teil der Problemlösung präsentierte).    

Praktisch ideologisch (oder umgekehrt): Beim Troika-Versagen ginge es allerdings nicht um die hohe Arbeitslosigkeit in Griechenland, meint der Kommentator . Und „ob Athen weiter sparen soll oder nicht“, wäre eine „ideologische Debatte“.
Dem folgt sogleich: „Das Versagen hat vielmehr auf einer praktischen Ebene stattgefunden.“ Also vor allem bei der Steuereinhebung.

Schluss!

Was wäre kein Thema? Im gleichen Artikel lesen wir also, dass die Troika praktisch versagt hätte; beim Steuereintreiben mit den griechischen Behörden genauso wie bei den bisherigen „Reformplänen“, also der Austeritätspolitik. Die wurde bekanntlich nicht nur ideologisch umegesetzt. Weshalb die hohe Arbeitslosigkeit in Griechenland durchaus Thema ist.

Was wäre Thema? Verhandlungstil. Würden doch beide Seiten zugeben, dass sie Fehler gemacht haben (immerhin seien Athens Ideen „vage“ und die IWF-Pläne „nicht konkret“ - weil ohne Berlin). Würde Varoufakis doch nicht immer so frech sein (wie Schäuble). Würde man den armen Journalist_innen doch nur nicht das Grexit-Gerücht aufnötigen...
Dadurch werden sie offenbar daran gehindert, darüber zu schreiben, was bei den Verhandlungen wirklich diskutiert wird; was die beiden Seiten jeweils im Detail vorschlagen.

Weiß man es nicht? Dann muss man die Informationslücken nicht mit Gerüchten stopfen.
Weiß man es? Dann könnte dies zur Klärung beitragen, warum die Griechen so viel Widerstand leisten.

Widersprüchliches: Die Frage der äußeren Form der Griechenland-Debatte hat dieser Zeitungs-Kommentar mit so vielen anderen gemeinsam. Dass man dabei allerdings nicht nur essentielle inhaltliche Fragen verabsäumt, sondern sich inhaltlich auch widerspricht, das haben Journalist_innen mit der Berufspolitik, vor allem mit den Troika-Fans gemeinsam.

Aber ich schließe mich letztlich András Szigetvari an: „In einer so komplexen Causa (...) sollten sich alle von außen mit überklugen Ratschlägen zurückhalten.“    

Sonntag, 19. April 2015

Senfstau: Fast alles Gute und Schlechte

Stau. Lange nicht mehr politischen Senf abgedrückt. Das tut mir schlecht, ähnelt sexuellem Notstand. Überall tauchen attraktive Themen auf. Ehe ich das Eine erfasst habe, verführt schon das Nächste – in dieser irren Menschenwelt.
Der ganze Dummsinn in den Nachrichtenmedien! Vielleicht auch mein Sinn verdummt? Wie viel Zeit braucht's, das genau zu prüfen?

Weiß schon: Das Gute wird uns behüten, immer. Wir erkennen es. Es hat nicht unbedingt ein Gegenteil, nur das, was ihm im Weg steht, entgegenwirkt, zuwiderhandelt.
Weshalb man die Scheinheiligen auch leicht erkennen kann: Sie malen den Teufel an die Wand und erklären ihn zum Fürsten und Ursprung allen Übels; womit sie ihrem eigenen Gott widersprechen. Und wer sich im Glauben widerspricht, der oder die hat keinen Glauben; der oder die hat nur Religion. Das ist spirituelles Untertanentum allein.

Schlecht ist: Unterwürfigkeit. Sie kann schlecht existieren ohne die Unterwerfenden. Wo immer ein Mensch sein Selbst in den Dreck wirft und vor etwas zu kriechen beginnt – erscheint dieses auch freiwillig und jenes auch unsichtbar – ist Unvernunft und Ungerechtigkeit am Wirken.
Gut ist: Rebellion gegen Unvernunft und Ungerechtigkeit. Dabei stirbt man zwar leicht oder verliert seinen gemütlichen Bürojob, hat aber wenigstens als Mensch gelebt.

Schlecht ist: Astrologie – vor allem, weil die Abergläubischen sie mit Astronomie verwechseln.
Gut ist: Astronomie – weil sie die Astrologie als Lügenkonstrukt fauler Zeitungsmacher entlarvt; als die unterste Schublade der Esoterik. Andere Scharlatane geben sich wenigstens Mühe, ihre Konstrukte auf moderne Pseudowissenschaften zu stützen. Wer immer noch glaubt, dass die Erde das Zentrum des Universums ist, braucht ohnehin keine Zeitung. Dem oder der genügt der Boulevard.

Schlecht ist: Jede Oligarchie. Die Frage ist zu früh oder zu schlecht gestellt, ob NATO oder Putin mehr Schaden in der Ukraine anrichten. In deren Spiel gibt es keine Guten, bis jetzt auch keine Gewinner. Aber was macht ein Oligarch erneut an der Spitze dieses Staates, dessen Volk zuvor einen korrupten Oligarchen stürzte?
Gut ist: Das Volk, das sich gegen korrupte Oligarchien erhebt. Nenne diese und jene wie du willst. Taten ersetzen Titel.
Wer sich auf Kosten anderer bereichert, hat keinen Verlust zu beklagen. Nur das Leben, das kann kein Gläubiger vom Schuldner beanspruchen.

Schlecht sind: Dynastien. Im Geschenk des Lebens ist kein anderes Recht enthalten. Die Familien Bush, de Kirchner, Le Pen: Sie alle bilden Dynastien, sie alle verursachten Schaden in ihren Ämtern. Die Familie Clinton hätte auch gerne eine Dynastie.
Die Dynastie der Windsors des Königreichs der Briten allerdings ist mittlerweile nur noch eine Schmarotzerfamilie auf höchstem Niveau. Sie braucht die Monarchie überhaupt nicht mehr. Ihre Wirkung ähnelt jener der Astrologie. Teure Seelenbefriedung. Auch andere Familien haben niedliche Babys.

Gut ist: Heiße Demokratie. Lasst uns streiten! Der Pluralismus in der EU gilt als deren größte Schwäche, aber es ist das Beste, was diese Menschenwelt zur Zeit zu bieten hat. Vergiss Putin, Erdogan und die KP Chinas! Vergiss die USA! Das Europa zwischen West und Ost muss sich selbst behaupten; muss Gewicht gewinnen, um ein Gleichgewicht zu bringen. Die Verrücktheit des vielsprachigen europäischen Parlaments ist besser als der Wahnsinn des kalten politischen Dualismus und des einfältigen Wirtschafslobbyimus. Wir brauchen nicht die meisten Waffen oder die größte Industrie; unsere Stärke ist die Vielgestalt.

Schlecht ist: Die Griech_innen wider besseren Wissens auszubeuten. Wie viele von ihnen besaßen Hedgefonds? Auch wenn die Boulevard-Masse nichts von den Lügen wissen, die offenhörbaren Widersprüche nicht vernehmen kann oder will: Lügen bleiben Lügen, Widersprüche bleiben Widersprüche. Und niemand kann sich vor ihren Auswirkungen verstecken.
Gut ist: In Griechenland zu kämpfen. Wer soll es sonst tun? Wo soll es sonst geschehen? Die Finanzherrschaft und ihr Klerus ist übermächtig; nur sie können es sich leisten, aufzugeben. Warum sollte man eine Menschenwelt akzpetieren, in der vor allem jene zahlen müssen, die nichts zum Zahlen haben? Weil all die Deppen und Feiglinge wollen, dass wir es akzeptieren?

Schlecht ist: TTIP – Bei Verträgen geht es um deren Inhalt. Es kann uns wurscht sein, wer, wo, wann, wie diese verhandelt. Wenn sie deren Inhalte verheimlichen, müssen wir davon ausgehen, dass sie jenen schaden, vor denen sie verheimlicht werden. Diese Verheimlichungen sind kein Verfahrensunfall. Wenn Staatschefitäten politisch genötigt werden, für TTIP Werbung zu machen, obwohl sie selbst skeptisch sind, berechtigt das unser Misstrauen gegenüber der Macht internationaler Konzerne. Wenn Kommissarin Malmström behauptet, alles wäre ohnehin transparent im Internet zu finden, was wir wissen müssten, stören nicht nur ihre wiedergekäuten Je-eh-Floskeln. Es bedeutet auch, dass wir mehr wissen sollten, als wir so transparent im Internet finden könnten.

Gut ist: Widerstand gegen TTIP. Während das Aufbegehren gegen die vermeintliche Wasserprivatisierung ein Eigentor für die Rechte der Bürger_innen war; ist das TTIP bereits durch seinen Verhandlungsprozess ein politsches Problem geworden.
Selbst dümmliche Verschwörungstheorien und Halbwahrheiten halbinformierter Bürger_innen geben uns die Chance gemeinsam gegen etwas zu stehen, uns in etwas einzubringen, einzumischen, das ausnahmsweise tatsächlich Relevanz für uns alle hat. Es bringt sogar Rechtspopulist_innen und ihre Zombies dazu, gegen etwas zu grölen, das wirklich exisitert – ein Wunder. Der Widerstand gegen das TTIP bietet der EU auch die Möglichkeit herauszufinden, ob sie eine Union der Wirtschaftsbosse oder eine Union der Bürger_innen ist. Ein Sieg der letzteren hätte eine wichtige beispielgebende Wirkung – nicht nur für Europa.


Schlecht ist: Sich in dieser Form die Blöße zu geben. Man macht sich angreifbar.
Gut ist: Sich in dieser Form die Blöße zu geben. Man macht sich angreifbar.



Dienstag, 7. April 2015

Betrifft Standard-Interview mit Bernd Ahrbeck: Wer fürchtet sich vor Inklusion?

Wie kann man dieses Standard-Interview mit Bernd Ahrbeck - “Ziele von Inklusion in vielen Fällen realitätsfern” - zusammenfassen?

Natürlich! Natürlich ist er nicht gegen Inklusion. Wer wäre das schon? Außer genügend Nichtbetroffenen, die dieser Tage bereits bauliche Barriere-Reduktionen genießen, ohne es zu bemerken. Aber das ist ein anderes Thema.

Ahrbecks Kritik an der Inklusion ist nicht neu. Kurz: Wir müssten aufpassen, dass wir Menschen mit (besonderen) Behinderungen und daher besonderen Bedürfnissen nicht die Möglichkeit der exklusiven Sonderbehandlung wegnehmen. Daher müssten Sonderschulen und andere exkludierende Einrichtungen beibehalten werden.

Meint also: Weil manche Menschen mit Behinderung in regulären Schulen – so wie ein großter Teil aller Schüler_innen – nicht zurecht kommen, müssten alle M.m.B in die Sonderschule.
Warum nicht alle in die reguläre, entsprechend ausgestatte Schule dürften und nur im Sonderfall in einer Sondereinrichtung unterrichtet werden müssten? Schließlich wird bei jeder einzelnen Behinderungsform auch eine jeweils angepasste Therapie empfohlen. Es werden nicht Blinde, Querschnittsgelähmte und Spastiker_innen alle zur Hippotherapie geschickt, nur weil sie sich den Stempel “Behindert” teilen müssen.

Die typische Gut-Aber-Rhetorik suggeriert: Wir sollten die Mehrheit der Menschen mit Behinderung anhand ihrer Minderheit beurteilen (die offenbar Ahrbecks Spezialgebiet ausmachen). Wir sollten zudem die Menschen mit Behinderung an den (von Spezialisten wie Ahrbeck geschaffenen und) bereits bestehenden Einrichtungen anpassen; nicht die Einrichtungen an den Menschen.

Im Grunde ist die Sonderschule eine Form negativer Inklusion, einer Zwangsinklusion, durch die alle M.m.B in einen Topf geworfen werden, die Ahrbeck eigentlich meint – oder meinen sollte.

Aber vielleicht auch nicht. Der Mann studierte Pyschologie und Erziehungswissenschaft, also die so genannten Interpretations-”Wissenschaften”. Vielleicht versteht er deshalb nicht, dass die Zuschreibung “verhaltensgestört” eben keine akkurate Beschreibung der Seins-Wirklichkeit eines Kindes ist. Sie ist – so zu sagen – nur seine sprachliche Wirklichkeit.

Die nichtbetroffenen “Experten” hatten und haben stets das Sagen über die Betroffenen. Vielleicht wehren sie sich deshalb gegen Inklusion – gegen die sie “natürlich” nichts haben, unnatürlich allerdings schon. Inklusion würde einen Verlust ihrer Machtposition bedeuten.

Sollte diese seine Wirklichkeit, die er mit anderen teilt, den Fortschritt durch Inklusionspolitik verhindern? Nur weil er und seinesgleichen sich davor fürchten, dass das, was bisher nicht funktionierte, durch etwas ersetzt würde, das neu wäre.

Er muss sich zudem keine Sorgen machen. Es wird immer Menschen mit besonderem Betreuungsbedürfnis geben, um die sich Expert_innen kümmern können. Daran würde eine echte Inklusion aber nichts ändern. Das hat mit Inklusion auch gar nichts zu tun!

Die Berufspoltik tut zudem genug, um einer humaneren und fortschrittlicheren Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderung barrierefreier aufwachsen, lernen und leben können, entgegen zu arbeiten bzw. sie anrennen zu lassen. Vor allem in Österreich, wo erst im letzten Jahr eine neue Sonderschule eröffnet wurde.

Donnerstag, 2. April 2015

Standard-Zeitung und griechische Bad-Bank

Wie man seine Standard-Zeitung auch wendet und dreht, man kann kaum glauben, was da steht; und ist man ein Bisschen vorinformiert, warum sich die Redaktion nicht für manche ihrer Mitarbeiter_innen geniert.
Krisenfrey, Vogel frei; und Rauscher Hans, nicht lassen kann's; die Wirtschaftsabteilung, in kollegialer Arbeitsteilung: Alles wird dafür getan, im letzten Wort seien die Griechen mit Schimpf und Schande dran. Ganz ohne Spaß, allen voran, Alexis Tsipras, der sowieso nie etwas richtig machen kann.

Die EZB währenddessen verbietet griechischen Banken, das Heimatland mit Geld zu betanken. Überall sonst ist das erlaubt, die EZB jedoch glaubt, dass die Banken dann bei Staatspleite krachen, was passieren kann, wenn die Griechen noch mehr Schulden machen. Sie vergessen nur zu sagen, dass neue Schulden die Griechinnen mit jeder Hilfszahlung plagen, und der Haushalt gerade dann kracht, wenn ihre Regierung keine Schulden macht.

Der Unsinn gipfelt ohne Reim
, nicht sehr geheim, und nach langen Absätzen, in denen sie gegen eine Reformliste hetzen, deren Inhalt sie uns nicht verraten. Doch lassen sie sich von den Deutschen beraten, dass dessen Ablehnung, nur und ganz gewiss, allein der Griechen große, große Schuld ist.
Zum Schluss schreibt man die unmögliche Erwartung, damit die Leserschaft glauben kann, ihr Nichterfüllen wäre griechische Entartung:

Man erwarte nicht mehr, dass ein Überschuss exklusive Zinsen (von Troika definierter "Primärüberschuss") von dieser griechischen Regierung erzielt werde - in Kürze. Lassen wir diesen Satz ein Weilchen ziehen.
Über einen solchen Primärüberschuss als Voraussetzung für Kredite an Griechenland zu sprechen, deren Geld großteils für verschuldete Banken verwendet wird, zeigt: Ganz Griechenland wurde zu einer Bad-Bank gemacht.