Mittwoch, 28. Januar 2015

Integrations-Deppatte: Persönliches

Feindbild Muslima. Geschichte mit Vorgeschichte

Ein muslimischer Freund erzählte mir von einer Begegnung im U-Bahn-Lift: Da stand eine sichtbar muslimische Familie. Obwohl die junge Mutter nicht einmal eine Hidschab, gerade mal einen Schal um den Kopf drapiert trug. Als eine weitere Frau sich vorbeizwängen musste, verschob sie eigenmächtig den Kinderwagen und schimpfte sinngemäß, dass diese Leute keinen Anstand hätten. Gemeint waren offenbar Muslime, denn migrantisch wirkte sie selbst.
Er meinte, dass er Unfreundlichkeiten dieser Art, vor allem gegenüber muslimischen Frauen, öfter erleben würde. Ich musste zugeben, dass ich in der Öffentlichkeit anscheinend eher auf andere Dinge achten würde.

Eigene Erfahrung folgte sogleich

Doch nur einen Tag später stehte ich wieder im Lift und erlebe den Stress einer anderen jungen Mutter, die nicht warten kann, bis die Lifttür geöffnet und die Menschen vor ihr aus dem Weg gehen können. Während sie doch noch die Schülerinnen - eine von ihnen mit Krücken, die andere mit Hidschab - passiert, meckert sie, jene würden ja kein Deutsch verstehen - in unfreundlichem wie migrantischem Ton. Letzterer passte zu ihrem Äußeren.

Das sind Details. Ich kenne keine Statistiken darüber, wie oft augenscheinliche Muslime wegen ihres Glaubens oder ihrer "morgenländischen" Wirkung angegangen werden; oder ob es sich bei den Fremdenfeindlichen mehrheitlich um andere "Fremde" handelt, als würden diese eine Konkurrenz fürchten.
Ich habe, neben der Schwierigkeit die richtigen Begriffe zu finden, auch eine andere Wahrnehmung solche Begebenheiten.

Mangelnder Anstand

Für mich liegen ihre Gründe zunächst in einem Mangel an Anstand, Höflichkeit und persönlicher Reife der Beleidigenden. Sie sind quasi nicht gut (in die Regeln des gesellschaftlichen Umgangs) "integriert".
Ob sich dazu  grundsätzliche Fremdenfeindlichkeit gesellt, Islamophobie oder die Furcht der einen Unterschicht vor der anderen, kann ich nicht im Spazieren überprüfen. Aber sollte es dem Mitbürger nicht zunächst um die eigentliche Handlung gehen?

Wer diskriminiert wird

Ich erkenne und erlebe also Diskriminierung von Ausländer_innen bestimmer Schubladen. Umgekehrt, als Migrantenviertelbewohner, wurde ich noch nie von einem Migrantischen diskriminiert. Und fremdartig sind mir in der Großstadt sowieso so gut wie alle Mitmenschen.
 
Die Höflichkeit und Achtsamkeit, die mir eindeutig mehrheitlich von Personen mit südländischem und islamkulturellem Äußeren entgegengebracht wird, vor allem, wenn ich in Rollstuhlbegleitung unterwegs bin, ist auffällig. Man könnte argumentieren, dass die kleinste und am meisten angefeindete Minderheit sich besonders bemühen müsse.

Aber all diese Erfahrungen passen allein nicht in die sprachliche Logik der islamhysterischen Öffentlichkeit.

Angefeindete Religion 

Ich sage, Muslime werden angefeindet. Das wird von Öffentlichkeit und Medien nicht diskutiert. Es geht immer darum, was Muslime falsch machen würden, wenn sie nicht staatsbürgerlicher als der Bundespräsident sind. Es wird behauptet, dargestellt und abgeleitet, der hiesige Islam hätte mit dem gesamten nichtislamischen Rest der Bevölkerung ein Problem.

Logische Inkonsequenz

Aber ist es nicht umgekehrt? In Frankreich erschießen zwei Verrückte, den  Namen des Propheten Mohammeds missbrauchend, 12 Menschen. Die Tat wird zunächst nicht, dann aber nach und nach immer mehr dem Islam und der verarmten Jugend der Vorstadt-Ghettos zugeschrieben.

Das ist keine konsequente Logik. Ansonsten müsste man sich wundern, bei Millionen muslimischer Jungmänner mit düsteren Perspektiven, dass es nicht viel mehr islamistische Terroranschläge in Europa gibt. Mit Sturmgewehren in Menschenansammlungen zu ballern, ist keine hohe Kriegskunst.

Politische Inkonsequenz

Die Inkonsequenz geht weiter. Überall gibt es Zugeständnisse an Rechtsstaat, (mehr) Demokratie und Fairness. Die Mehrheit der Muslime sei nicht zu beschuldigen. Im Zuge der Charlie-Hebdo-Solidarität wird sogar gegen Islamfeindlichkeit a la Pegida demonstriert.
In den berufspolitischen Taten aber zeigt sich: Man will mehr Überwachungsstaat als Rechtsstaat. Und die Muslime sind längst wieder unter Generalverdacht gestellt.

Plötzlich wollen österreichische Provinzfürsten "mangelnde Integration" zur (gewiss verfassungswidrigen) Straftat erklären. Ein Blankoscheck für den Rechtspopulismus. Schließlich kann niemand erklären, was damit eigentlich gemeint ist.
Es handelt sich lediglich um einen Code: Die Fremden sind schuld. Und am meisten fremd und in ausreichender Menge vorhanden wirken bei uns die Muslime.

Die anderen sind ja wenigstens irgendwelche Christ_innen. Oder was anderes, das nicht kenne. Mir egal, ich bin ja eh nicht religiös, solange ich mich nicht über andere Religionen aufregen kann.

Die Geschichte wird weitergehen...
   

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