Freitag, 19. September 2014

SOKO-Salzburg: Kein Krimi, sondern Politshow

Polizei macht Politik

Die Salzburger Polizei veröffentlichte nun die Ergebnisse ihrer vierzehnmonatigen Sonderermittlung gegen Bettler_innen. Ziemlich dünn: Eine Gruppe wurde wegen Betrugs angezeigt, weil sie den ältesten Schmäh in der Jahrtausende alten Geschichte des Bettelns praktizierte: Sich blöd oder behindert stellen, Mitleid zu erwecken versuchen.
Dass sich noch keine Geschädigten gemeldet haben, macht nix. Die Gruppe ist zum Glück geflohen, aus den Augen... Der Sinn steht der Polizeichefetage dennoch nach Bettlerbeseitigung.
Für den zweiten Fall sollte man der Bettler-Soko dennoch danken; oder eigentlich jener Studentin, die sie darauf brachte. Denn er betrifft Menschenhandel (sprich Sklaverei), also eines der schwersten vorstellbaren Verbrechen.

Déjà-vu?

Dennoch wurde der dringenst tatverdächtige Slowake aus der U-Haft entlassen, weil die Vorwürfe nicht ausgereicht hätten. Was mich an den Schlepperprozess gegen Votivkirchen-Protestanten erinnert: Auch hier wurde einzelnen zunächst schwere Vorwürfe gemacht. Aber anstatt sie strafrechtlich zu belangen und die Angelegenheit gerichtlich zu klären, wie sich das für einen Rechtsstaat gehört, wurde die „Verdächtigen“ vorzeitig abgeschoben. Kein Déjà-vu.
Das Muster ist hier das selbe: Bevor die Polizei (oder ihre Auftraggeber_innen) ihre Behauptungen beweisen müssen, auf deren Grundlagen sie politische Forderungen stellen, verschwinden die dafür notwendigen Subjekte stets aus unterschiedlichen Gründen.

Abgesehen davon: Die Polizei verfolgte ihre Verdächtigten logischerweise auf Grundlage bereits bestehender Gesetze. Dennoch will sie mehr. Mit dem geforderten "sektoralen Bettelverbot" wird man allerdings nicht mehr Betrüger oder Menschenhändler finden.
Dieses beiden einzigen strafrechtlich relevanten Fälle, die mit angeblich organisierter Bettelei in Salzburg zu tun hatten, betraf EU-Bürger. EU-Bürger sind Mitbürger.

Grundsätzliches

In den Öffis, neben mir, sitzen zwei wettergegerbte Gestalten, unterhalten sich heiter miteinander, teilen sich die Krücken. Jeder bekommt eine. Sie tragen sie noch unterm Arm, als sie nahe der Einkaufsmeile hinausschlendern. Aber auch wenn ich ihnen zuvor nicht begegnet wäre, wüsste ich, dass der eine verdrehte Fuß, die Schiff aufgesetzte Mütze unter dem stotternden, blöden G'schau* ein Schmäh ist. Dafür brauche ich keine Soko.

Ich fühle mich jedenfalls nicht betrogen. Die Show gehört für mich – neben unerwünschtem Autoscheibenputzen, Musik, Gesang oder Gebet – zum Service dazu, den einige Bettler_innen anbieten. Diese von ausländischen Schnorrer_innen angewandte Methode ist mir jedenfalls angenehmer, als der regelmäßige Versuch diverser einheimischer Junkies, mir irgendein minutenlanges G'schichtl* vom verlorenen Öffi-Ticket reinzudrücken.

*Gesichtsausdruck, Geschau. Den Apostroph verwende ich trotz seiner vielen Gegner_innen, als Lückenfüller für das verstummte E. 

Mit Kanonen auf Spatzen

Dennoch gilt es gesetzlich offenbar als Betrug, wenn Menschen körperliche Behinderung vortäuschen, während sie Passant_innen nach Kleingeld fragen. Ein Vorurteil: Als würde ich jemanden nur deshalb etwas spenden.
Man muss sich auch fragen, warum nicht diverse politische Parteien wegen Betruges angeklagt werden? Die erbetteln regelmäßig viel mehr Geld von gewissen Privatunternehmen und geben dabei vor, in deren Sinne das Land zu regieren. Wenn sie ihre Versprechen aber nicht einhalten, kommt dann die Polizei und klagt? Die juristischen Personen als Spender_innen sind demnach selbst schuld, wenn ein berufspolitischer Bettler gar nicht Bundeskanzler wird. Risiko.

Als natürliche Person gehe ich gerne freiwillig das Risiko ein, dass eine Bettlerin, der ich Geld gebe, gar nicht so arm ist, wie sie aussieht. Andererseits: Würde ein Mensch, die es nicht nötig hat, zum Spaß den ganzen Tag auf der Straße knien? Eben.
Im Gegensatz zu den Partei-Schnorrern bieten mir Bettler_innen außerdem ein Mindestmaß an Transparenz: Ich weiß, woher das Geld kommt und an wen zunächst übergeben wird.
Was aber damit getan wird, geht mich nichts an. Eine Bettler_in ist keine Vertreter_in meines Staates. Sie ist eine Privatperson, der ich, als Privatperson, freiwillig Geld gebe. Warum? Auch das ist Privatsache. Und ich habe durch die freiwillige Aufgabe von beschwerlichem Kleingeld nicht das Recht erworben, das Leben der Bespendeten zu kontrollieren.

Meine Freiheit ist deren Freiheit

Was ich mit meinem Geld mache, geht Staat und Polizei nichts an, solange ich keine illegalen Geschäfte tätige. Gerade weil ich keine Ware oder augenscheinliche Dienstleistung erhalte, ist die Angelegenheit harmlos. Ich könnte ein-zwei Euro auch verlieren und irgendjemand würde sie aufheben. Welcher Schaden würde dadurch entstehen, außer mein eigener finanzieller?
Welcher Nutzen entsteht, wenn Menschen, die vom Betteln existenziell abhängig sind, quasi von der Staatsgewalt vertrieben werden? Eine aktive Korruptionsbekämpfung in den finanziell höheren Ebenen brächte jedenfalls mehr.

Instrumentalisierte Bettler_innen, instrumentalisierte Polizei 

Mit ihrer Jagd nach, wie sie selbst nachweisen musste, nicht einer existenten Bettelmafia, hätte eine "SOKO-Salzburg" sicherlich einen gewissen Unterhaltungswert - als SOKO-Kitzbühel-Parodie vor allem. Als reales Unterfangen hingegen, das unmittelbar Steuergeld abzieht, ist ihre Bettel-Ermittlung ein Problem.
Wenn die Polizei von einer gewissen Berufspolitik instrumentalisiert wird, bei der Bevölkerung einen gewissen Anschein zu erzeugen, und daran festhält, selbst wenn sie scheitert, ist das ein größeres Armutszeugnis als Bettler_innen auf unseren Straßen.

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