Mittwoch, 27. August 2014

Spindeleggers Rücktritt unterm Strachegespenst

Michael Spindelegger geht. Kümmert kaum. Hat dennoch interessante Zusammenhänge.
Dass dieser Regierungs-Wirbel Strache irgendwann zum Kanzler mache, sollte man nicht gleich fürchten. Selbst wenn es geschähe.



Absehbare Plötzlichkeit

Dr. Spindelegger verließ den Spieltisch. Man könnte ihm darum eine gewisse Weisheit zuschreiben. Er machte auf Obmannposten weder für seine Partei noch für sich selbst irgendeinen Sinn, das war seit langem klar.
Umso mehr wenn es ihm an Charisma und Schläue mangelt, benötigt ein Anführer zumindest selbstbewusstes Auftreten. Dieses war bei Michael Spindelegger völlig offensichtlich künstlich und oberflächlich aufgetragen. Auch parteiintern und in seinem Persönlichkeitskern fehlte es. Das zeigte zuletzt die Form seines Rücktritts von allen politischen Ämtern.

Er überraschte die eigenen nörgelnden Kurfürsten mit dieser spontan erscheinenden Regung, die gewiss schon länger in ihm gärte. Er sprach noch ein paar beleidigte Worte. Dann überließ er die untreuen Sintflutschwimmer sich selbst. Dieses Verhalten offenbart noch einmal seine Schwächen: Mangelnde Standhaftigkeit und Planlosigkeit.
Im kurzen Kommentar von Walter Hämmerle (Wiener Zeitung) wird zum Schluss obligatorisch auf die nicht zu übersehenden Leistungen des Gegangenen hingewiesen. Er wäre halt nicht korrupt gewesen.
Vielleicht muss man dieser Tage allein dafür dankbar sein? Nein, muss man nicht, niemals! Es ist die Mindestanforderung an eine_n Berufspolitiker_in.

Falsch verstandene Schwächen und Stärken

Dabei verrät die Spontanität, die ihm zum Schluss aus nachvollziehbarer Emotionalität entsprang, das auch er geheime Stärken besitzt oder besäße, wenn er sie nicht zu seinen Schwächen machen würde.
Er ist nicht so nüchtern und kühl wie er sich selbst, in seiner katholischen Akademiker-Sozialisierung, gerne gesehen hätte. Er versuchte jemand zu sein, der er nicht war. Dabei hätte es ihm gut getan, wenn zwischendurch öfter „Es reicht!“ gegen die alten Herren der Partei ausgerufen hätte, ohne sogleich zurück zu treten; wenn er gegenüber der Bevölkerung öfter seine menschliche Seite gezeigt hätte. Aber dafür fehlte ihm offenbar nicht nur das Verständnis für sich selbst, sondern ebenso für die Führungsrolle an sich.

„Wenn der Zussammenhalt nicht mehr da ist, ist auch der Moment gekommen, das Ruder zu übergeben.“, sprach er zum Abschied. Wieder so eine verunglückte Floskel. Er hielt nicht irgendein Ruder. Zumindest offiziell saß er am Steuer. Wenn in der Mannschaft Uneinigkeit ausbricht, lässt man es nur los, um ein paar Watschen auszuteilen.
Eine Führungspersönlichkeit hätte gesagt, dass dann der Moment gekommen wäre, den Zusammenhalt wieder herzustellen. Sie hätte es bis zum Gehtnichtmehr versucht, die Getreuen um sich zu scharen, um die Meuterer niederzuwerfen – jedenfalls innerhalb einer österreichischen politischen Partei, in der entweder archaisches Faustrecht oder Oligarchie, allerdings keine zivilisierte Demokratie herrscht.

Das Gesicht der Führungslosigkeit

Spindelegger ist keine Führungspersönlichkeit. „Spindi“ oder „Schwindelegger“ musste für viele Dinge hinhalten, für die er zwar theoretisch, aber nicht praktisch alleinverantwortlich war. Und für diesen Zweck stand er auch unterm Watschenbaum.
Sein Fehler war, dass er sich dazu nicht schon früher bekannte. Und der Fehler der Schattenherrscher seiner Partei war, zu glauben, einen Strohmann zum Vizekanzler machen zu müssen.
Sie alle schossen sich ins Knie. Denn wenn die ÖVP insgesammt leidet, leiden vielleicht auch irgendwann ihre Landesfürsten, vielleicht sogar ihre Bauernbündler, Raiffeisenfreunderl, Wirtschaftskämmerer* und Beamtengewerkschafter, also die eigentlichen Puppenspieler der halben Regierung.

Wer hat Angst vorm blauen Mann?

Wir dürfen uns nun nicht vom Strachegespenst in Geiselhaft dieser Koalition nehmen lassen. Es dauert auch noch ein Weilchen bis zu den nächsten Wahlen. Wer weiß, was Mitterlehner inzwischen erreichen kann (es kann nur besser werden).
Aber selbst wenn es einen Öster-Reichskanzler Strache gäbe: Auch er würde die Republik nicht allein korrumpieren regieren. Die *schwarzen Institutionen, die roten Gewerkschaften, die Landeshauptleute aus beiden Alt-Parteien werden auch in Zukunft mitmischen.

Schlimmer kann's nicht werden

Wir wissen jetzt schon, mit welcher Partei die FPÖ koalieren würde. Bereits vor der schwarz-blauen Regierung gab es Verschärfungen im Fremden- und Asylrecht. Und nach Schwarz-Blau wurden diese kaum entschärft. Viel schlimmer als die aktuelle Regierung können selbst die ausgewiesenen Ausländerfeinde nicht mehr werden, ohne mit der Verfassung zu brechen.


In der hiesigen „Sozialdemokratie“ gibt es keine Sozialdemokratie mehr. Nach dem propagandistisch vielfach trauerbekundeten Tod von Frauenrechtsbefürworterin Barbara Prammer, hat die SPÖ die Messlatte für Antifeminismus ziemlich hoch für die FPÖ gelegt.
Die so genannten „Christdemokraten“ haben ihren Namen nicht umsonst gewechselt. Was sie aber mit dem „Volk“ gemein haben sollen, kann niemand nachvollziehen, der nicht gerade Bauer oder Banker ist. Auch der „Konservativismus“ der „Konservativen“ bedeutet nicht viel mehr als geistiger Stillstand.

Wir erleben in dieser Kollision aus SPÖ und ÖVP jetzt schon weder moderne sozialdemokratische noch altbürgerliche „Werte“. Bei uns regiert die selbe Melange aus neoliberalen Finanz- und Konzerninteressen, fehlendem Erfindergeist und Mut, wie sie zur Zeit in sämtlichen Real-Demokratien vorherrscht. Die FPÖ würde nichts daran ändern, weil sie Teil des selben mangelhaften System ist.

Ohne Opposition exisitiert kein Strache

Es ist nicht der Genialität der FPÖ, sondern den grauen Eminenzen bei Schwarz und Rot, ihren Spindeleggers und Faymanns zu verdanken, dass Strache in den Umfragen vorne liegt. Seine Unterstützer (also auch die Drahtzieher in SPÖ und ÖVP) sind wie er selbst davon abhängig, möglichst viel Macht mit möglichst wenig Verantwortung zu erhalten. Würde Strache tatsächlich unangefochten an der Spitze stehen und regieren, würde er zugleich seine wichtigsten Unterstützer_innen und die Basis seines Erfolges verlieren.
Von dort ginge es nur noch abwärts. Es sei denn, er würde es schaffen – nach ungarischem oder türkischem Vorbild – noch schnell eine Diktatur zu installieren. Aber so viele, dafür notwendige Sitze würde der deutschnationalistische Zahntechniker auch wieder nicht bekommen.

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