Donnerstag, 10. Juli 2014

Das Buch Monis: Erste Auszüge

Nachdem ich unlängst mein neuestes Projekt "Das Buch Monis" hier vorstellte, liefere ich heute die ersten Textauszüge:

„Sie konnte so fassungslos traurig und zornig werden, wenn wir über die Probleme in der Welt redeten, über Politik und den ganzen Mist.“, erinnerte sich Alex. 
„Sie war großartig.“, fasste es Bibi leise zusammen und die anderen bejahten es laut. Sie verkündete außerdem, heute unbedingt noch mehr trinken zu wollen. Sie wäre noch nicht ansatzweise betrunken genug für einen solchen Tag.
Alex wollte mitmachen. Daphne erinnerte an ihre kleine Tochter, die jede genussvolle Katerstimmung nicht nur verunmöglichte, sondern ebenso erbarmungslos bestrafte.
„Meine bessere Hälfte hat bestimmt trotzdem genug Bier eingekühlt“, versprach sie. Und Bibi gab ihren Geheimplan preis: Sie hätte bei ihren Eltern den Besten Wodka gelagert. Dazu gebe es den nicht unbedingt besten Apfelsaft. „So wie es Moni liebte, damit wir gebührend auf sie anstossend können.“
Daphne versprach, den anderen nichts zu verraten. Alex musste zunächst seinen üblichen Schmimpf losweren: Man könne den Besten Wodka nicht mit Apfelsaft versauen.
Bald darauf hielt Daphne ihren Familien-Van an der Bushaltestelle vor der alten Siebzigerjahre-Neubausiedlung am Rande der Kleinstadt. Der Platzregen war einem sanften Nieseln gewichen. Alex und Bibi mussten hier raus, verabschiedeten sich und schlenderten Arm in Arm ihren jeweiligen Elternhäusern entgegen.
Da waren wieder diese Gerüche aus ihrer Kindheit: Die sommerlich-süß faulenden Blüten unbekannter Herkunft, eine Spur frisch geschnittenen Rasens, das seit Jahrzehnten gleiche Reininungsmittelaroma.
Sie kamen am Stahlbeton-Bungalow der netten Frau Maurer vorbei, die dort seit Anbeginn ihrer Welt gewohnt hatte, jedoch Anfang dieses Jahres verstorben war. Deshalb fiel es Alex wieder ein: „Ich glaube, wir werden alt.“
Bibi stieß ihm sofort mit dem Ellenbogen in die Rippen: „Nein! Nicht das schon wieder, mein lieber Kauz! Heute nicht! Nicht heute, hörst du?“
Alex ergab sich, nickte und behielt seine aufsteigende Melancholie für sich, während er sich am kreisrunden Plätzchen, in der Mitte der Wohnanlage, von B verabschiedete.
Sie nahm plötzlich seinen Kopf in beide Hände, schaute ihm tief in die Augen, sodass es ihn wundervoll schauderte, und sie sprach mit viel Gewicht auf jedem Wort: „Heute trauern wir nicht nur. Wir feiern heute auch das Leben. Das Leben das Moni hatte, das uns einmal so viel bedeutet hat.“
Er nickte: „Bis dann, meine liebe Käuzin.“

"Auf dem Weg zum Schlafzimmer kam er an einem Bild Monis vorüber. Es war eine große Schwarzweißaufnahme aus ihm unbekannter Zeit, offenbar Sommer. Verpasste ihm einen kurzen, harten Schmerz in der Brust. Er hatte bei sich zuhause kein schönes, gerahmtes Foto von ihr an der Wand hängen. 
Nur eine etwas zerknitterte, unscharfe Fotografie von Moni und ihm, auf der sie rauchend auf einem Spielplatzgerüst saßen, steckte an seiner Pinnwand über seinem chronisch unaufgeräumten Schreibtisch – in der verstaubten Großstadt, die im Augenblick ein Jahrzehnt weit weg erschien.
Daphne öffnete vorsichtig die Tür. Ein angenehmer Geruch schlich ihnen entgegen. Die Luft wurde wärmer. Und in einem kleinen Beistellbett, neben dem elterlichen, regten sich aschblonde Locken im Windhauch.
Der gelbe Strampler hob und senkte sich sichtbar mit dem lautlosen Atem des Kindes. Lange Wimpern verschlossen die kleinen Augen. Der Schnuller hing schräg im Mundwinkel.
As Blut stieg empor in seinen Kopf wie ein Adler der zur Sonne abhebt. Er bemerkte sein eigenes Lächeln nicht, es floss wie geschmolzene Butter über sein Gesicht.
Der Mutter entging es nicht. Sie neckte ihn, als sie die zweite Türe wieder behutsam schlossen: „Ich glaube, deine biologische Uhr tickt.“
„Das ist mindestens sexistisch.“, wollte er schon seit einer ganzen Weile sagen, „Auch Männer können kleine Kinder einfach nur süß finden. Das ist ganz natürlich.“
„Ich hab auch nicht gesagt, dass deine biologische Uhr etwas Unnatürliches ist.“ Damit machte sie seinen Witz schweigend. Er sah Bibi mit Konrad am Balkoon und bekam Durst.
Bierflaschen wurden mit dem Feuerzeug geöffnet. Rauchen wäre nur draußen erlaubt. Das hatte sich also geändert."

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