Dienstag, 18. März 2014

Acht Flüchtlinge. Acht „Schlepper? – Irgendwo an den Grenzen der kriminellen Organisation und des Rechtsstaates

Hintergedankliches: Erinnerungen an den Tierschützerprotest bei schlechteren Karten für die jetzt Angeklagten. „Illegale“, denen etwas Illegales vorgeworfen wird, dessen Beweis auch schon egal zu sein scheint. 

Nun läuft in Wien, nach sieben Monaten U-Haft, der Prozess wegen Schlepperei gegen acht Flüchtlinge, die Großteils der Refugee-Protest-Bewegung (von 2013) angehör(t)en. Vorgeworfen wird ihnen, im Zusammenhang mit der Schlepperei, die Beteiligung an einer kriminellen Organisation.
Das erinnert nicht zufällig an den Wiener Neustädter „Tierschützerprozess“ von 2010 – 2011. Dieser war, nicht weniger als der jetztige Schlepper-Prozess, durch gewisse Medien und öffentliche Wahrnehmung vorbelastet. Ein Staatsanwalt schien davon besonders beeinflusst gewesen zu sein.

In den pseudojournalistischen Reklameheftchen für die völkische Selbstverherrlichung wurde den Flüchtlingen, die u.a. in kalten Votivkirche überwinterten, massive Bereicherung vorgeworfen (und auch beklagt). Ausgerechnet die Richterin greift dieses Vorurteil auf. Einen Angeklagten im Anzug fragt sie sogleich, ob er sich diesen eigens für das Verfahren gekauft hätte. Im Kontext erkennt man ihren Hintergedanken.
Zudem dient dieser Prozess, genau wie die Schaffung der entsprechenden Paragrafen, vor allem der Machtdemonstration der verantwortlichen Berufspolitik. Eine Pauschalverurteilung ist in der Praxis immer ein Willkürakt.

Denn wo steht uns der Rechts-Sinn? Wo der Gerechtigkeitssinn?

Menschen werden nicht mehr für von ihnen begangene Verbrechen bestraft, sondern für eine nicht näher definierte Verbindung zu anderen Verbrecher_innen. Dieses diffuse Netzwerk aus vielleicht geschäftlichen, vielleicht privaten Beziehungen wird als kriminelle Organisation dargestellt. Selbst wenn diese Darstellung nicht vollständig möglich ist.
Die Verfahren gegen gewisse Hintermänner wurde eingestellt, weil diese nicht auffindbar sind. Jene Personen also, mit denen die Angeklagten, die in Österreich in Armut fristen, angeblich eine gewinnbringende Organsiation bildeten, sind uns nicht für weitere Ermittlungen ausreichend bekannt (bis auf einen Fall).

Was ist Schlepperei?

Ich gebe MichaelGenner von Asyl in Not hierzu Recht. Man muss zwischen Schleppern unterscheiden. Natürlich gibt es jene Geldgierigen, die hunderte Menschen auf seeuntüchtigen Booten in den höchstwahrscheinlichen Tod schicken. Jedoch sitzen die Abzocker mit den Flüchtlingen kaum in einem Boot.

Andererseits sind manche Fluchthelfer_innen ebenso „Schlepper“, die nicht mehr und weniger tun, als Menschenleben zu retten. Wenn die Justiz also nicht zwischen diesen und jenen unterscheiden kann, ist die Rechtssprechung impotent, ist keine Gerechtigkeit möglich. Im Fall der Beschuldigten muss man ehr, wie in vielen Fällen, eher annehmen: Sie haben sich eher selbst geschleppt.

Diesen wird angeblich auch zum Schlepper-Vorwurf gemacht, dass sie andere Flüchtlinge „bei sich“ übernachten ließen. Wobei „bei sich“ u.a. einen Gebetsraum im Serviten-Kloster meint. Soll auf diese Weise die Verbindung zu einem bisher nur sagenhaften, internationalen Verbrechernetzwerk bestehen? Oder ist die Kirche, gar die Caritas im Visier?

Justiz aus dem Bauch des Boulevards heraus? Meinung oder Seinung?

Flüchtlings-Bewegungen sind lästig für die verantwortliche Berufs-Politik. Manchen in der Bevölkerung machen sie Angst. Diese wird vom Pseudojournalismus und Amateur-Demagogen zusätzlich geschürt.
Aber auch „Bettlerbanden“ und „Bettelmafia“ sind umhergeisternde Begriffe der Furcht vor dem Unbekannten. Niemand weiß, wer diese sind, woher sie kommen, ob es sie wirklich gibt. Dem Volk genügt – wie in schlechten, alten Zeiten – das Hörensagen, der Glaube, um sich eine „Meinung“ zu bilden. Die ist in den meisten Fällen daher nur eine „Seinung“.

Aber dem Rechtsstaat? Dem hätte es damals beinahe genügt, dass gewisse Tierrechtsaktivist_innen die selben Ansichten vertreten wie teils unbekannte Vandal_innen, um sie als eine Art Mafia schwer zu bestrafen.
Auch sitzt ein Teilnehmer der diesjährigenNO-WKR-Demo seit dem 24. Jänner, angeblich ohne konkrete Anklage (und bisher ohne gegenteilige Auskünfte), in U-Haft. Was ist da los?

Zu vieles steht im luftleeren Raum. Wo bleiben – hier und da, gestern wie heute – Informationen zu konkreten Verdachtsmomenten, Indizien und Beweisen? Oder darf sich die Justiz so intransparent und nicht nachvollziehbar wie die Regierung aufführen?

Werden wichtige Details aus der medialen Berichterstattung herausgefiltert, schlampig recherchiert? Denn was darf man über die Beweiselage der Anklage wissen?
Oder hat der Rechts-Staat ein Problem mit allem irgendwie Linken im Staat, das er gerne schmähstad machen würde, indem er aus dem Rechtsweg in ein linkes Ding dreht – mit einer Justiz, die in erster Linie die emotionale Rechtsauffassung der Klatschpresse zu vertreten scheint?


Recht VS Gerechtigkeit. Flüchtlinge als internationale Verbrecherorganisation? Mit rechtsextremen Rechtsbrechern tanzende Netzwerker als unbescholtener Spaß? Banken-Politiker-Lobbys mit faktischem Schadenspotenzial als straffreie Normaliät?

Die Ansicht, der Rechtsstaat diene der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, ist ein Fehler. Der Rechtsstaat kann und darf ausschließlich der Gerechtigkeit dienen und diese beruht allein auf Vernunft. Erst danach kann man beginnen, im Detail über Gesetz und Ordnung nachzudenken.

Oder darüber, warum ein nicht näher erklärbares Netzwerk aus Menschen, die während einer langen Zeit auf der Flucht, über Jahre und die halbe Welt, irgendwann einmal etwas miteinander zu tun hatten, eine kriminelle Organisation sind? Ballveranstalter, die u.a. mit durchaus bekannten, gut dokumentierten, verurteilten Rechtsbrechern (Wiederbetätigung, Bestechlichkeit, Korruption...) in der Hofburg netzwerken, dessen aber nicht einmal verdächtigt werden? Von der Hypo-Kärnten-Freunderlpartie will ich gar nicht erst anfangen.

Die österreichische Justiz scheint sehr rasch mit dem Vorwurf der verbrecherischen Organisation zu sein; allerdings nur bei jenen, von denen sie annimmt, sie könnten sich nicht dagegen wehren.

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