Mittwoch, 30. Oktober 2013

Zu Halloween geh ich als NSA

NSA, NSA, NSA... Das liest und hört man zur Zeit überall. Und mit jeder Erwähnung dieser gemheimdienstlichen Behörde, mit ihren nunmehrigen Halbgeheimnissen, verschwinden andere Themen aus den Schlagzeilen. Themen, über die man schreiben könnte, weil man Genaueres, Näheres, sogar Ferneres über sie weiß.

Hätte ich den mittlerweile mehrfach verfluchten Namen dreimal in einen Spiegel hinein gerufen, wäre vermutlich General Alexander persönlich erschienen (nicht der aus Makedonien, der aus New York), schließlich steht Halloween vor der Tür. Jawohl! Mir gefällt dieses amerikanische Spektakel, ich bin ein Freund von Multi-Kulti, ich bin Tolerant, ich bin Gutmensch: Daher auch ein Freund der Amerikaner, zumindest auf Facebook-Freundschafts-Niveau. Man kennt sich eben übers Internet.

Ernsthaft

Was mich freilich stören sollte, sind all die Abhörskandale, die von Edward Snowden veröffentlicht wurden. Zumindest muss man die Ami-Technologie, die hierbei zur Anwendung kam und kommt, ernst nehmen. Schließlich verfügen wir in Europa nicht über eine solche Abhör-Power und das ist gewiss peinlich, in einer globalisierten Welt. Zumal seit Gründung von Staaten ein jeder Staat die anderen ausspioniert, wie es in seinen Möglichkeiten liegt.

Die USA hat lediglich mehr und bessere Möglichkeiten. Und es ist auch kein Zufall, das ausgerechnet die Putin-Diktatur den freigeistigen Whistleblower Snowden bei sich Unterschlupf gewährte. Der diktatorische Ex-KGBler würde gerne so viel er kann über das neueste Know-How seines einstigen Feindes aus dem Kalten Krieg erfahren.

Ernst ist lange tot

Was man also nicht ernst nehmen kann, ist die allgegenwärtige, geheuchelte Empörung: Diese bösen, unartigen Amis! Ich bitt' Sie! Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs beinhaltet vor allem Deutschland diverse, wichtige Stützpunkte des US-Militärs. Manche nennen das Imperialismus, andere Pragmatismus – alle haben Recht.

Die USA stürzen, putschen, infiltrieren, schmieren, geheimagieren, sonderkommandieren, bomben und dronen wo, wann und wie sie wollen und die Welt, auch die UNO, muss „schmähstad (dt: sprachlos, in Ermangelung an Argumenten)“ zusehen. Warum sollte das mächtigste Militär der Welt nicht auch die deutsche Kanzlerin abhören (Ich muss gestehen, ich würde auch gerne manchmal wissen, was diese Frau laut am Telefon denkt.)? Und warum sollten wir glauben, sie hätte sich ihre Überwachung nicht denken können?

Wer zu viel weiß, kann nicht schlafen

Antwort: Ablenkung! Sprechen Sie das dreimal um Mitternacht zu Halloween in den Spiegel und es wird ein besonderes Schreckensgespenst erscheinen: Sie selbst – Der mündige Bürger, die mündige Bürgerin, der/die mittlerweile die Ohren und Augen voll von all den globalen Schwierigkeiten hat, die uns die neuen Informationsmedien non-stop eröffnen. An den USA gäbe es vieles zu kritisieren. In meisten Fällen aber müsste man dabei auch den Global-Player EU mitverantwortlich machen. Das dürfen wir nicht vergessen. Das will man uns vergessen machen.

In einem Interview sagt Ilija Trojanow, Deutschland hätte die verfassungsmäßige Verpflichtung, seine Bürger_innen vor dem Angriff auf ihre Privatsphere zu schützen. Recht hat er. Ich gebe aber zu bedenken, dass jeder Staat, der diese Pflicht ernst nimmt, seine Bürger_innen vor Gefahren zu bewahren, sogleich Brasilien militärisch besetzen müsste (beispielsweise – nicht ausschließlich), um den für alle Erdlinge lebenswichtigen Regenwald zu hüten, dessen Flächen gerodet werden, um Massentierhaltung und Monokulturen Platz zu machen, damit wir – in den USA und Europa – uns die Ateriosklerose anfressen und den Lungenkrebs anrauchen können.

Wir wollen lieber schlafen

Wer also ein Problem mit der NSA hat, der sollte noch viel mehr Probleme mit den anderen Schweinereien haben, die durch die Machtbesessenheit in aller Welt verursacht werden. Dies aber wären Probleme, über die wir zu gut bescheid wissen (könnten). Wir belegen die öffentliche Debatte jedoch lieber mit Dingen wie der NSA-Enthüllung, über die wir bei aller Enthüllung kaum Belegbares erfahren (können). Die ganze Geschichte mag für uns von einem unterhaltsamen Hauch Mystik und Empörungspotenzial umgeben sein.

Doch viel könnten wir, bei bisheriger Kenntnislage, nicht gegen den technologisch besten Geheimdienst unternehmen, ohne die eigenen Geheimdienste zu gefährden. Es brächte auch keinen Vorteil, wenn wir einseitig diese Quellen unserer Scheinheiligkeit abschaffen würden. Und viel Nützliches lernt das international anwachsende Heer der Arbeitslosen und Perspektivenlosen, der Working-Poor und Working-To-Much, der an Umweltgiften gegenwärtig und in Zukunft Leidenden und Sterbenden, der zu Tode Gedealten und Finanzverzockten durch diese Story auch nicht - Bleiben dennoch damit beschäftigt. Im Geheimen werden die Merkel und andere Machtmenschen dem Obama und der NSA dafür die Füße küssen.






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