Samstag, 31. Dezember 2011

Wanderlust

Mein Zuhause liegt dort ferne
Wo mir nahe geht ihr Duft,
Wie ich mit jedem Schritte lerne,
Balken zu zimmern
Aus freier Luft.


Die Pfeiler streben aus der Erde,
Zu Wolken und Sternen sie ragen
Hoch und was von ihnen getragen werde,
Weisen Vögel in ihrem Zug
Jenen zu die danach fragen.

Das Dach liegt zerklüftet und zerrissen,
Aus Haut und Gewand über mir,
Wie die Landschaft, über die nun fließen
Meine Gedanken, die mich tränken
Und ernähren dort wie hier.

Sie erbauen mir Kammern und Säle,
Mit Stoffen von vielen Welten versorgt.
Das Herdfeuer brennt mir in der Seele,
Auf allen hellen und dunklen Gängen,
Die das Leben mir borgt.


Meine Außenwand mauerst und brichst du vielleicht;
Und zuhause sein in mir – endlich wieder –
Ist vielleicht durchs stete Wandern – immer wieder –
Am Grad von Wildheit und Vernunft erreicht.

Donnerstag, 29. Dezember 2011

Magie

Im Angesicht des Neugeborenen erfüllt das Mensch sich Träumerei,
Die duften, nach einem Garten im eigenen Reich vergessner Kindheit.
Schwäche und Stärke, Macht und Ohnmacht sind hier einerlei;
Das Kind lebt auf und königliche Tore öffnen sich weit.

Vor dem schutzbedürftigsten Wesen verneigt sich die Herrschaft der Welt,
Wenn Liebe ihr Lehn bestimmt und gebietet, was es zu erbeten gilt.
Darum hat es Schutz. Wie’s sich mit schwächster Hand an deiner hält,
Mit größter Kraft darin, die der Flüsse Betten füllt;
Die Flut und Ebbe herstellt,
Zu denen sich die Bahn der Gestirne gesellt,
Wenn es mit dem Lauf unserer Tage und Nächte spielt.

Es ängstigt den Freund die ungewisse Erwartung des anderen;
Ob er ihrer genüge? – Wie lange man sich auch schon kenne.
Es fürchtet sich das Nichts vor seiner Entdeckung, dem Verstehen,
Und das Beinah vor der Trefflichkeit, die man auch gerne anders nenne.

Was gute Narren und Helden ihrer Zeit kühn und jung erschaffen,
Ist zukünftiger Jugend Gedicht und Schwärmerei.
Der Ahnen Engel und Dämonen, die sie sich betrafen,
Gehen erneut, in verwandelten Gestalten, an den Alten und Jungen vorbei.

Alles ist Magie.

Kneipen lernen

Das Kind lernt in der Kneipe,
Was zu lernen wichtig ist:
Die Erwachsenen sind eine Pleite,
Deren antrainierte Weise man bestenfalls vergisst;
Hat man sie trunken erst gesehen,
Und gerochen und gehört,
Ohne ihre Jammererscheinung zu verstehen,
Von der man so oft wird im Kindsein gestört.

Kein Bitte, kein Danke,
Kein Erringen einer Höflichkeit
Oder anderer Benimmlichkeit,
Wie man’s von euch Kindern oft verlangte,
Kommt in den besoffenen Sinn.
Man prustet sich ins Essen,
Man sabbert sich aufs Kinn.
Der Kleinkinder Lehrjahre scheinen vergessen.

Freitag, 16. Dezember 2011

Abhanden gekommen

Meine Generation kommt mir abhanden,
Im Kreiseln meiner Wesenheit,
Zuhanden einer vertrauten Fremde inmitten,
Die meine Kreise stets nur schneidet.

Meine Nation hat den fauligen Atem ihrer verdorbenen Neurose,
Und mir stinkt die Faulheit der menschlichen Spinnen;
Deren loses Netwerk verbleibt ihren Kadavern.
Die Regelwerke haben sich vom Joch ihres Nutzens befreit
Und geißeln uns mit ihrem Umherirren,
Den Mensch uns als Sinn erbetet.

Meine Schwächen und Fehler werden alt,
Einen Tempelgarten der Ruhe will ich ihnen erbauen.
Ich aber werde jung, in meinem ergrauten Erkennen der Jugend.
Ein drittes Bier trink ich hier, an der Theke,
Wohin mir die Mathematik, in ungeahnter Höhe, überraschend folgte.
Manches bleibt mir treu, so lange bis es gut so sei.

Die hoheitliche Mathematik stellt Mensch mir als angebliches Mittelschulmaß vor.
Sperrstund ist! Die Stammbar bleibt mir nahe,
Wie Heimat erfühlt in einem Augenzwinkern der Präsenz,
Für eine Weile; ich kreisle weiter
Und ich surfe am weiten Flusse.

Sonntag, 11. Dezember 2011

Liebe Zwischenzeit

Das alkfreie Bier baut auf,
Was das alkische Niederriss.
Und bin ich gar zu nüchtern drauf,
Hilft der Weihnachtsbock gewiss.

Jede Stunde hat ihre Ablöse,
Mit der sich ihre Zeit erfüllt.
Ich erwache, wenn ich döse,
Erblicke was das Andere verhüllt.

Und hier bin ich wieder
Strandend vorm dunklen Horizont.
Das Licht stürzt auf alles hernieder,
Mit eingefrorener Sturmesfront.

Und was ich in kühl-lichter Ferne sehe,
Kann ich nicht mehr erreichen.
Wo in unerfüllter Stund ich stehe,
Lange ich nach fremden Reichen.

Mein Fehlen wird wieder Überdruss.
Weit ist’s, ist’s noch nicht so weit.
Schluss ist damit erst zum Schluss,
Ich wart auf die liebe Zwischenzeit.


Samstag, 10. Dezember 2011

Zum Tanz allein

Im Aufgeben mach ich’s mir gemütlich,
Ehe der Wind mir den Weltenatem ins Gesicht bläst.
Er trägt mein Zuhause hinfort
Und ich jage hinterdrein
Dem Lageplan.

Dich will ich mir am Arsch vorbei gehen sehen,
Wenn ich so einsam bin.
Ein Minenfeld ist deine Wahrheit.
Das meide ich und verliere
Deshalb die Chance zu Verlieren.

Und zu Gewinnen bedeutet nunmehr nichts;
Nichts für alles zu empfinden.
Strategischer Rückzug in den Bunker,
Wo mich keiner lebend kriegt.
Doch meine Kinder vergifteten mich.

Im Schmerz steckt die Wahrheit
Und die Lüge gleichermaßen.
In Maßen ist das Gift mir Heil,
In Maßen die zu fühlen sind
Wie die Verliebtheit, bitte sehr.

Es war kein Gift im rechten Maß,
Es war das brennende Eigenblut.
Das misst nicht, es ist
Gewaltiger Zusammenfluss
Und ich tanze durch die Flammen.

Das Bier bringt mir den Sturm,
Auf die unaussprechende Zunge.
Sie bewegt was mich bewegt,
Zu dir und von dir fort
Im Zusammenfluss.

Keine Angst!
Meine Liebe, ich will dich nicht
Hochzeiten, bewohnen, zum Herzen tauschen.
Ich brauche bloß jemanden
Um nicht allein durch die Flammen zu tanzen.



Freitag, 9. Dezember 2011

In allem, bei Kind, am Wind

Ich hindre mich.
Damit behüte ich die Welt,
Die vor meinen Augen niederfällt.

Löse mich auf in allem;
Und nichts hat mehr Wichtigkeit,
Alles eine Möglichkeit.
Besinne mir einen Harem
Aus tagend träumerischen Gedanken,
Die zwischen Zärtlichkeit und Strenge wanken.

Ich lass mich nicht mit mir allein.
Entweder mein Vertrauen bricht
Oder die Welt, vor meinem jüngeren Gericht.
Und alles ist der Schein,
Der den Hopfen wachsen lässt,
Der’s Getreide lässt gedeihen,
Dessen Hitz es malzig röst.

Ich trinke Schein
Und Gift, und alles ist vergänglich,
Zu lebendigem Wohlsein.
Schmerz und Wille erhalten sich;
Wollen und Stillen
Verleibt mir zu erfüllen.

Ich hindre mich –
Mit mir allein –
Zu sein,
Um zu verweilen,
In einer befremdlichen Welt,
Die im Schein ins Dunkle fällt.

Doch durch die Mauern her
Hör ich das Kind.
Es lachet sehr;
Erdet mich, wie blind
Dem Zug der Vögel folgend.
Tröstende Erinnerungen an den Wind
Sind dem Sturm seiner Notwendigkeit folgend.

Das Rollen

Abwärts läuft sich’s besser
Und alles gerät ins Rollen:
Die Meinungen der Zeitungsfresser,
Die Urteile der Meinungstrollen.

Blad werden kann man auch vegan,
Abmagern im Fleischüberdruss.
Die Chance hat noch nicht getan,
Was man berechnet
Bis zum Schluss.

Der Weg ist einfach,
Manchen die Einfachheit
Unerträglich.
Anderen ist die Fülle zwiefach
Und in ihrer Losheit beschwerlich.

Und alles kann auch aufwärts rollen.

Drinnen und Draußen

Um mich drehen sich die Möglichkeiten,
Wie die Sterne um das riesenhafte Unbekannte,
Ums Große, in allen Tiefen und Weiten,
Dem ich den Ursprung einst verdankte.

Ich träumte von dir in verschlafener Zeit,
Wie der Wind sich erinnert,
An die Gerüche der Vergangenheit,
Deren Kraft sich nicht verringert.

Wünschen kann ich für mich nichts mehr,
Außer dem gelebten Abenteuer;
Doch gibt es auch dem Kind was her?!
Lieb ist reich, deshalb nicht teuer.

Gott sei Dank noch mal!
Ich hab nichts mehr zu verlieren;
Wie in den Höhen so im Tal,
Bin ich dabei das zu kapieren.

Dank sei Gott erneut!
Hab nichts und alles zu begreifen,
Und alles und nichts bereut,
Zersetzung heißt manchmal Reifen.

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Totgeborener Traum

Ich wache mit einem totgeborenen Traum
Im kaum gewagten Atem
Und kann vom Träumen allein nicht leben
Ich atme Schmerz
Bin ummauert von Zeit darin
Ohne Schlaf
Ohne Nahrung
In Müdigkeit und Hunger
Nach Wiedergeburt
Und Ende des Traums
In seinem Erwachen

Mein Heim riecht nach Hotel
Ich reise ohne mich zu bewegen
Bewege mich ohne fort zukommen
Will nirgends hin
Es gibt kein Ziel und keine Zeit
Zu meiner freien Verfügung
Und bin ich frei
Bin ich verloren
Im totgeborenen Traum
Der ist so echt
Ich fühle mehr an ihm
Als mir die Dinge begreiflich machen
Über die ich suchend wache

Ich bin fündig im Traum
Blind in seiner Dämmerung
Im Morgengrauen seines im Tode Verweilens
Blendet mich die volle Leere
Taste ich mich an meine Schritte heran
Und das alles scheint so tragisch zu sein
So negativ den darin Lesenden
Doch gut ist’s
Ihnen unbewusst
Geschieht doch nichts
Und dies zu ihrem Willen und Behelfe
Mir nichts
Zu ihrem Schutz

Mein Leben ist ein totgeborener Traum
Voller lebendiger Charaktere
Nach denen ich hin und wieder greife
Mit meiner kalten Hand
Da fühle ich nichts
Ehe sie nicht zurückkehrt zu mir
Um sich zu wärmen
Im Flammen meiner Einsamkeit
Tote Insektenkörper kleben an der Decke
Als hole Ausstellungsstücke
Als Willkommensgruß
Hier gehöre ich mir
Will nicht mehr warten
Um aus meiner Kompostierung herauszuwachsen
Darum wird eines nicht geschehen
Anderes jedoch

Dienstag, 6. Dezember 2011

Senf zur Putinwahlshow

Es ist ein wenig voreilig, Putins Stern verblassend zu sehen. Denn man kann keine Wahl verlieren, die nach Meinung diverser nicht mundgetöteter WahlbeobachterInnen gar nicht stattgefunden hat.


Die RussInnen hatten keine Wahl. Die nennenswerten Oppositionsparteien waren nicht zugelassen, die zugelassenen waren von der Diktatur konstruiert, um den Schein von Demokratie zu wahren.
Das sollten die ZeitungsmacherInnen der realen Demokratien eigentlich begreifen: Ein knapperes Ergebnis kann demokratierealistische Verhältnisse vortäuschen. KommentartorInnen die möglicherweise davon ausgehen, dass „Einiges Russland“ die Wahl nicht so ganz manipuliert haben könne, nachdem es kein absolutes Ergebnis nach Vorbild anderer pseudodemokratischer Regime erstellte, gehören entweder zum Verein oder halten Putin für einen Dummkopf – was nur Dummköpfen gelingt.

Schon bei der letzten Wahl hatte Putins Scheinpartei keine diktatorischen 90% erreicht, sondern nur moderate 64% gezählt. Die 46 – 48%, die sich nun erstellen ließen, genügen dennoch für eine absolute Pseudolegitimierung der putinschen Macht in der Duma.

Dass die RussInnen nun aber, mit demselben faden KGB-Gesicht an der Staats-Spitze konfrontiert, die Schnauze voll von selbiger hätten, ist ebenfalls nicht unbedingt richtig. Denn Putin hat hohe Beliebtheitswerte, gewissen Umfragen zufolge deren Falschheit noch nicht ganz geklärt ist. Zugleich gilt die Saga, dass es seine Partei ist, die für Überdruss in der Bevölkerung sorgt. Aber vermutlich liegt allerhand Blödsinn auch hinter diesem Blödsinn.
Die RussInnen sind nicht naiv. Sie sind nur entweder resignierend oder ungehört. Oder tot.

Was außerrussische BeobachterInnen, die nun von Putins Niederlage sprechen und damit offenbaren, dass sie Russland tatsächlich für eine Demokratie halten, liegt wohl vor allem an zweierlei Problemen: Erstens wollen viele im Westen nicht wahrhaben, dass die Oligarchie mit den Atomwaffen und dem vielen Erdgas die alte Tyrannei ist, die sie schon immer war; auch wenn uns die Gorbatschow-Werbeschaltung so viel Hoffnung gebracht hatte.

Zweitens ist das Putin-Regime eine wahrlich sonderbare Tyrannei. Im globalisierten Konsens, dass Unterdrückung ganzer Völker, durch „starke“, harte Männer, eigentlich scheiße ist, die meisten Staaten dieser schönen Menschenwelt sich jedoch geschickt vor der Aufmerksamkeit der übrig gebliebenen Zivil-Staaten verbergen, nimmt Russland eine Sonderstellung ein.
Es ist zu groß und politisch zu wichtig, um sich zu verstecken. Deshalb weiß Putin, dass er hart vorgehen muss, es aber nicht mit Maßnahmen übertreiben darf, die bis all zu einflussreich über die Grenzen seines riesigen Landes hinausreichen. Es ist auffällig, dass Russen, denen man im Ausland begegnet, zum Einen selten kritisch übers Heimatregime sprechen, zum Anderen selten finanziellen Notstand leiden. Neue Staatsbürgerschaften nehmen sie dennoch gerne an.

In Italien regiert seit Jahrzehnten die Mafia mit. Zumal der Unterschied zwischen ParlamentarierInnen und MafiafunktionärInnen generell nicht ganz zu entscheiden ist. Die UNO hat jedenfalls bisher nicht interveniert. Und nun müsste man sich ausrechnen, wie oft Süditalien (oder Kärnten) in Russland hineinpasst.