Donnerstag, 5. Mai 2011

Korrektur: Geronimo VS Osama

In meinem letzten Senf – „Obama, Osama, Fleischhacker und die Seinen“ – schrieb ich, dass der Name der Militäraktion, durch die Osama eliminiert wurde, durchaus passend sei, weil die Amis, genauso wie einst der berühmte Apachenkrieger „Geronimo“ (Spanisch für Hieronymus) , der auch Gokhlayeh genant wurde, auf einem Rachefeldzug waren.

Ich erfuhr erst heute, dass mit „Geronimo“ jedoch Osama Bin Laden selbst gemeint war. Ein Codename, das, aufgrund seiner Assoziation, wahrlich schlecht gewählt ist, bedenkt man die Verbrechen, die die US-Army einst gegen Geronimos Stamm und Familie verübten.

Ich würde dem legendären Kriegshäuptling der Chiricahua niemals charakterliche oder gar ideologische Gemeinsamkeiten mit dem Terroristenführer unterstellen wollen. Parallelen gibt es aber doch.

Gokhlayeh war nämlich ebenso schwer zu fassen, wie Bin Laden – wenn auch aus anderen Gründen: Die USA zahlten der Sierra Madre damals keinen jährlichen Milliardenbetrag. Die Kunst des Versteckens, die Geronimo und seine Leute beherrschten, war quasi gratis, hatte also mit seiner Geschicklichkeit zu tun und nicht mit der offenbaren Doppelzüngigkeit eines angeblichen Verbündeten namens Pakistan.

Aber auch in seinem Fall hatte die US-Armee, ebenso wie die mexikanische, verhältnismäßig überzähliges Personal aufgeboten, um ihn zu finden. Vielleicht wählte man deshalb diesen, nun doch so kontroversen, Kodenamen für Ziel und Aktion zur Ergreifung/Tötung der Al-Kaida-Ikone: Er war den USA genauso lästig, wie einst der Chiricahua-Krieger.

Das war’s aber wohl mit den Gemeinsamkeiten. Auch deshalb, weil der Apachenkrieger sich nicht finden ließ, sondern freiwillig ergab. Zudem wäre es besser für die US-Regierung, insbesondere aber das US-Militär, nicht zu viele Gemeinsamkeiten mit den Jägern des Geronimo zu suchen.

Während die Stämme damals gegen Unterdrückung und teils, von den Behörden ungestraftem, Völkermord aufbegehrten, begehren zwar auch die Islamisten der Al-Kaida und entstammen und rekrutieren aus den Armeen der Armen, aber ansonsten? Die Apachen bekämpften ihre unmittelbaren Feinde. Die Al-Kaida gibt dem so genannten Westen und seinem amerikanischen Imperium vermutlich auch an schlechter Opiumernte die Schuld, obwohl viele ihrer Probleme hausgemacht sind und sie selbst, so wie ihre Verbündeten, zu Unterdrückern und Schlächtern wurden.

Dass die Apachen damals auch ZivilistInnen und dabei sicherlich Unschuldige überfielen, lag in der Logik der Unterdrückung und des kriegerischen Aufbegehrens. Dabei ging es allerdings ums Überleben – Ausschlaggebend war die Wasser- und Nahrungsknappheit im San-Carlos-Reservat, in dem man Geronimos Stamm festhalten wollte. Die Al-Kaida aber kämpft nicht um die Versorgungslage ihrer Völker, sondern für die Macht ihrer eigenen Tyrannen. Außerdem war der Kriegshäuptling höchstpersönlich an seinen Kämpfen beteiligt. Bin Laden schickte, von seinem Versteck aus, leicht manipulierbare Jungen zum Selbstmordanschlag.

Ich bin überzeugt, dass vorangehende Ungerechtigkeit zu noch mehr Ungerechtigkeit und auch zur Terroristenkarriere eines Bin Ladens führt, wobei man an einem gewissen Punkt vielleicht Sympathien mit Osama haben konnte, z.B. als er in Afghanistan (wo er möglicherweise Rambo begegnet war) gegen die Soviets kämpfte – wie Geronimo also, gegen die brutale Expansion der euroamerikanischen Siedler. Aber auch hier besteht der Unterschied darin, dass der Apache selbst Betroffener des Terrorismus war, nämlich jenem US-amerikanischer Privatleute (vor allem weißer Skalpjäger) und im Grunde einen Verzweiflungs- und Verteidigungskrieg führte.

Hingegen behauptete Bin Laden – Sohn reicher Monarchen – nur dies, bezüglich des „Imperialismus“ der USA, zu sein und zu betreiben, während die Al-Kaida ihrerseits eine Terror- und Expansionsorganisation ist, die überall Filialen heran missioniert und es gerne sehen würde, wenn alle Erdlinge ihrem Lebensstil und ihrer dämlichen Trachtenmode folgen würden. Ich glaube nicht, dass die amerikanischen UreinwohnerInnen das bei den europäischen SiedlerInnen versuchten.

Geronimos Volk wurde terrorisiert und auf seinem Heimatboden angegriffen, Osamas Marionetten waren jedoch Angreifer und Terroristen. Dass jene Nation, die einst Gokhlayeh Feind war, nun quasi sein Schicksal teilte, ist nicht relevant, um zu erklären: Geronimo ist ein Anti-Bin Laden. Denn dass Geronimo, bei Gelegenheit, je eine Postkutsche voller Dynamit, von einem seiner Stammesbrüder, ins Hauptgebäude eines New Yorker Großhändlers, lenken lassen, während er sich selbst in einem Luxus-Tippi versteckt gehalten hätte, bezweifle ich ohnedies.

Der Titel der Navy-Operation wäre also nur passend gewesen, hätte man ihre Zielperson nicht gleichermaßen benannt. Eigentlich waren die Amis die rächenden Geronimos, wenn auch unter völlig anderen Bedingungen, als das Original. Zugleich passt es aber, zum Aufarbeitungsgeist der US-AmerikanerInnen bezüglich ihrer eigenen, geschichtlichen Schattenseiten, dass daran nicht gedacht wurde. Wer glaubt, dass ein halbschwarzer Präsident daran automatisch etwas ändert, ist im Grunde RassistIn und/oder EthnienromantikerIn, lebt also in einem Fantasieland.

Vielleicht ist es aber auch militärische Tradition, Operationen nach deren Zielen zu benennen? Macht’s nicht besser, ich weiß. Wenn aber ja, herrscht vielleicht auch hier Reformbedarf. Dann hätte man die Operation „Little Big Horn“ – wahlweise auch „Sitting Bull“ oder „Grazy Horse“ – und die betroffene Person als „General Custer“ kodifizieren mögen.

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