Mittwoch, 30. März 2011

Gleichgewicht

Meine Liebe, auf dem Sofa mit Bier:
Reisen, auf getrennten Wegen,
Unsere Gedanken zusammen hier,
Wo sie sich einander quer legen.

Tickets hattest du früh bestellt,
Und was du dir dadurch erspartest,
In der Ungewissheit dieser Lebenswelt,
Ist, was du nun ungeplant verbratest.

Meine Lebenswelt zu kontrollieren,
Aus Angst, gedachte ich;
Das Gleichgewicht sonst zu verlieren,
War Illusion jedoch sicherlich.

Die Kontrollierbarkeit ist Illusion,
Sowie die Angst vor ihrem Verlust;
Ihr bald erschütternder Ton, ist
Nicht mehr als des Frustrierten Frust.

Am besten schmeckt das Bier,
Wenn ich gründlich keines trinke,
Aufsteigende Muße gibt es mir,
Und nimmt sie wieder, wenn ich sinke.

Alles ist im Gleichgewicht, meine Liebe,
Es sucht der Mensch: Das sind seine Triebe.

Dienstag, 29. März 2011

Die Opfer

Woran merkt man, dass man alt wird bzw. um ein entschiedenes Stück älter geworden ist? Ja, ja! Aber nicht an den Knien und auch nicht nur, weil Menschen, die nur etwa fünf Jahre jünger sind, als man selbst, einen plötzlich siezen. Sondern, wenn man Bestandteile der so genannten „Jugendkultur“ nicht mehr nachvollziehen kann. Wobei es einerseits bezeichnend ist, wenn ich zum Ausdruck bringe, dass man diese Kultur zumindest so nennt (man wird nicht nur älter, sondern auch grantiger).

Andererseits hat man das Recht, ab 30, gewisse jugendkulturellen Erscheinungen bewusst nicht mehr verstehen zu wollen, schließlich bekommt man auch diverse Ermäßigungen für coole Aktivitäten und Dienstleistungen nicht mehr (mit denen muss man von da an bis zum Seniorenalter warten – ein weites Stück), hat also auch keinen Grund mehr, cool daher zu kommen. Ich selbst habe mich in den letzten zehn Jahren, durch täglich trainierte Uncoolness, bestens auf diese Lebensphase vorbereitet (wenigstens ein Zukunftsmodell, das hält, was es verspricht).

Aber worum geht’s wieder mal? Um das Wort „Opfer“, dass ich seit geraumer Zeit, immer wieder im deutschen Sprachraum entdecke, stets aus den Mündern oder Interneteinträgen jugendlicher Personen und generell am Ende einer beabsichtigten Beleidigung, als verstärkendes Sprachmittel eingesetzt, also als Schimpfwort. „(…), du Opfer“ ist aber eine äußerst dämliche Beleidigung, wenn man bedenkt, dass es sich um eine recht simple Feststellung handelt. Man wurde Opfer einer vorangegangenen Beleidigung. Genauso gut könnte man z.B. schimpfen: „Mann! Bist du pubertär, du Betroffener!“

Aber vielleicht muss man Persönchen, die so sprechen, gratulieren, wenn sie mit solchem Kommentar belegen, dass sie ihre eigene Handlung erfolgreich nachvollziehen und zum Ausdruck bringen konnten. Die Frage ist auch, ob solche zeitgenössischen Beleidigungsformen sich auch auf ergänzendes Material beziehen, mit Beispielen wie …„du Verkehrsopfer!“, „…du Vergewaltigungsopfer!“, „…du Holocaustopfer!“? Vielleicht ist das die Frage unserer Zeit? Wenn es als beleidigend unschicklich gilt, Opfer von etwas zu sein, könnte dies ein Zeichen für die Verrohung des Sozialstaates sein. Wer Opfer ist, ist selber schuld und daher zu verachten. Das meinen offenbar so manche junge Menschen. Weitere und abschließende Frage: Woher haben die das bloß?

Sonntag, 27. März 2011

Salzburg, März 2011, Teil I

Nach der Dämmerungsfahrt landete ich im Hafen, am südlichen Arm dieser Stadt, wo sich kindheitsalte und moderne Urbanität wie Wurzeln ins moorige Erdreich des ländlichen Landschaftsschutzgebietes schlagen. Dort verweilte ich, weil die Kränklichkeit mich schwächte, zugleich erzürnte und verzweifeln ließ, über die Unpassendheit ihres Ausbruchs; zu schwach, mich ihn Wien zurück zu halten, aber stark genug, um die Bereitschaft meines Körpers entscheidend zu hindern, dieses Land im Frühling zu durchwandern.
Passend also doch – und bestimmt verbirgt sich dahinter eine Lektion, die es zu lernen gilt, vermutlich greifbarer sogar, als das mystische Wirken dieser Hafengegend meines Gneis, auf mein Wesen, von Kindheit an.
Heute aber lernte ich zu akzeptieren, meine Wut, meine Endtäuschung, meine Müdigkeit, das ganze Konglomerat dieser Gefühle, dicht und echt wie das Gestein, deren Quellen ferner liegen mögen, als ihre dunklen Ströme durch diesen sonnigen Tag. Es ging nicht anders.

Wen der Regen schon durchnässt hat, bis auf die Haut seiner Seele, der braucht nicht mehr den Schutz des Blätterdachs zu suchen. Aber Akzeptanz scheint mehrere Qualitäten zu haben. Meine war wohl jene des Aufgebens; den Versuch zu beenden, mir meine Lage besser oder brauchbarer zu grübeln.
Ich hasste meine Ausweglosigkeit beim zeitgleichen Frontalzusammenstoß drängender und dröhnender Gedanken, die aus diesem feuchten Urgrund meiner Jugend empor stiegen, stetig, wie ihr Angesicht in beinahe allem das schon da war, dazu kam oder – in dieser Realität –nie existierte. Danach ging ich spazieren.

Ich fotografierte die rostenden Details des Städtischen: Müllbehälter aller Art, bemalt, verbeult, angekettet, an jungen Bäumen und offenen Feldern; Holz von Menschenhand geformt oder in den Formungen von Menschenhand; unter der Weite des blauen Himmels, vor den Bergen, die im Raume fern, dem Blick aber so nahe sind; die alte Stauanlage des Almkanals im neuen Lack, vor der neuen Offenheit des Ufers, wo der Maschendrahtzaun fiel und mit ihm die Sträucher und Bäumchen, die an ihm und durch ihn (hindurch) gewachsen waren; und meine Blicke fielen, wie immer schon und entdeckten manches alte erneut, manches aber gewiss neu.
Ich habe einzelne, hölzerne Strommasten gerne, vor allem solche, an denen etwas zusätzlich befestigt ist, das an anderen fehlt, ob zur seiner Technologie gehörend oder als Fremdkörper, fotografierte diesmal aber keinen.

Licht fiel tief auf kalkweiße Hausmauern, Stahlbeton, aufs Grün des Efeus oder Wilden Weins und was sonst noch darauf wächst; durch die Scheiben eines Lieferwagens, auf die standardisierte Armatur aus dunkelgrauem Kunststoff, auf das gewöhnliche Lenkrad, das meinen Blick so interessierte; auf das gebeizte, dichtbraune Holz alter Schränke, den samtenen Glanz, ihre gedrechselten, geschnitzten Formen diversen Mobiliars; Holzbalken; die nicht weniger alte, nun kräftig bunte Pendeluhr, auf die es schräg einfällt, teils durch die großen, unbedeckten Scheiben, teils durch die Balken der Rollo, in den Raum, mit dem großen, massiven Jogeltisch, dem Zentrum der Familie.
Dies Licht bringt das Moos auf den flachen Dächern zum goldgelben Leuchten, so dass man nicht für möglich hält, dass es sich um grünes Moos handelt. Es fällt auf die Moorwiesen und ihre Birkenhaine, wo alles noch so riecht, wie an den Tagen, als dort noch wilde Prärie lag, durch die Cowboy und Indianer streiften. Es riecht nach Furcht und Fantasie.

Beim Vorbeifahren, beim Ausweichen vor anderen Fahrzeugen, auf dem schmalen, symmetrisch kurvigen Sternhofweg, wendete eine Frau den Kopf, aus ihrem schicken Lieferwagen-Verschnitt, nach mir, öfter dann, als ich zurück blickte, ohne – im Gegensatz zu ihr – auf etwas anderes achten zu müssen.
Ich stand auf der Wiese, in gutem Abstand. Was mochte sie in mir gesehen haben? Einem Mann auf einer Wiese, mit grünem Rucksack, Kamera auf dem Bauch, Haube und Schal überm karierten Hemd – nicht nahe genug, für die Details des Gesichtes, im Gegensatz zu anderen SalzburgerInnen, die mir begegnet waren.
Ich weiß, dass ich hier daheim bin oder dass ich wenigstens von hier stamme, denn die Leute schauen in meinem Salzburg genauso blöde aus sich heraus, wie ich glaube dreinzuschauen, wie ich mich manches Mal fühle – vor allem wenn ich über diese Wege wandle.

In Wien fällt es mir leicht, dem Geschaue zu begegnen, ich glaube auch, es dort besser deuten zu können. Auch blödes Geschaue hat unterschiedliche Qualitäten. In Wien erscheint es mir, wie von Haus aus, aus menschlicher Natürlichkeit zu fallen – egal welcher geografischen oder kulturellen Herkunft – meist im verständlichen Einklang mit Ort und Zeit des großstädtischen Lebens.
In Salzburg hingegen wirkt es unnatürlich auf mich, widerspiegelnd vermutlich das für die Schauenden Unnatürliche, das sie sehen, wenn ich sie dabei sehe – nämlich mich. Muss man verstehen.

Ich wuchs wenige Meter von dem Schild entfernt auf, das Salzburg durchstreicht, um Salzburg beginnen zu lassen und wenn wir früher die Milch noch kuheuterfrisch vom Bauernhof geholt hatten, waren wir stadteinwärts gefahren. Es ist der äußerste Stadtrand, mehr Land als Stadt. Das Ungewöhnliche gehört hier nicht zur Gewohnheit.
Hatte ich aber früher offenbar gelernt, dieses Schauen der Leute zu ignorieren, ist es mir heute beinahe gleichgültig. Ich kann es beinahe genießen, bin offenbar doch noch ein Großstädter geworden. Beinahe nur, denn es beschäftigt mich doch. Vielleicht gefiel ich jener Frau so gut?

In Wien fällt es mir auch leichter, mich vor der Schönheit zu verbergen, während hier, in Salzburg, zudem die Erinnerungen lauern, wie… Kater, der auf der Fußmatte unserer Nachbarn den Tag verdöst, von dem sollte ich Gelassenheit lernen. Feist und ruhig harrt er dem Kommenden und ist es ihm dann zu nahe, gibt’s eine Tatzenwatsche – manches Mal, dann wieder nicht. Er kann wählen, er kann sich auch verbergen.
In Wien sind die Erinnerungen wie Hunde. Ich lernte manches über Hunde schon in Salzburg, instinktiv so manches Körperwort; in Wien aber lernte ich ihre Sprache, mit ihnen umherzugehen, keine Bange mehr zu haben, vor ihrem Temperament. Ihre laute, lustige Wildheit ist berechenbarer und vertrauenswürdiger, als das Geschleiche der Katzen. In Wien erinnern manche Hunde an Katzen, aber in Salzburg waren selbst die Wege, um Kanal und Wald, frei von ihrer Scheiße. In Wien lernen die BewohnerInnen, beim Gehen nicht den Asphalt zu verfehlen.

Erinnerungen, melancholisch und unberechenbar wie alte Kater hier, dort wie junge Hunde, bleiben mir aber, dort wie da, oft unnahbar, uneinsichtlich, rätselhaft wie das Tierische an sich, das zugleich ein entfernt vertrauter Teil von mir ist.
Ich begann zu knurren und die Zähne zu fletschen, als es mir ein wenig besser ging. Ich knurrte gegen diese Lebenszeit, die mich erkältet durch die Frühlingssonne schleichen ließ, besann mich aber der SchauerInnen, hatte ich auch eine gewisse Lust, der sonderbare Rückkehrer jenes Dorfes zu sein, das keines ist. Ich könnte ein guter Sonderling, ein komischer Onkel sein, der wieder bei seinen Eltern einzieht und von dem man munkelt, er sei ein gescheiteter Schriftsteller, er sei ein wenig verrückt und würde nachts im Wald umherlaufen, um den Mond anzuheulen. Ich wäre sogar so frei, diese Gerüchte war werden zu lassen.

Die Siedlung, in meiner Kindheit voller Lärm und Leben, begann stiller zu werden, während ich von hier aus volljährig und dann über Zwanzig wurde. Auf der Pfarrwiese, an der Bundesstraße, wo wir früher Fußball gespielt hatten und um das Sonnwendfeuer getobt waren, lief lange kein Kind mehr, später nicht einmal mehr die Hühner meines Pfarrers. Als sie die modernen Glaskäfige gebaut hatten, war ich dennoch, architektonisch zwangsläufig enttäuscht, sah aber mittlerweile das neue Leben dort.
Es sprießt zwar nicht mehr, wie in den Achtzigern, als inmitten der futuristischen Wohnanlage Siedlungsfeste, der unterschiedlichen Häuser und Parteien, gemeinsam veranstaltet wurden – in den vielen Wohnungen leben nun PensionistInnen, die gelegentlich ihre Enkelkinder aufnehmen – aber die einzelnen, jungen Familien dämpfen den leisen Lärm, den so eine SeniorInnensiedlung verursacht.
Zwar wohnte ich hier in meiner Jugend, doch scheint es mir, dass ich meine Zeit hier nicht verbrachte. Wo war ich bloß gewesen? Hatte ich mich versteckt – vor blöden Blicken etwa?*

In meinem Computer, in seinen Spielereien, im Alkohol, in der sehnsüchtigen, unerfüllten und unerfüllbaren Verliebtheit, durch die immer noch die Bilder auftauchen, regenträchtiger, dunkeldeckender Wolken, über einer flachen, dämmernden Landschaft von moorigen Feldern und Wäldchen, durch die sich Galaxienarme von Einzelhäusern winden. So wie das Konglomeratsgestein sich in meiner Erinnerung erbaut, sobald ich an die Architektur, die nächst größere Urbanität, die Innereien der Touristenstadt Salzburg denke, wie es verarbeitet wurde, in vielen dieser Häuser, die mir als Kind so vertraut geheimnisvoll wirkten, wenn sporadische Erledigungen und Besuche der Märkte, mich meiner Mutter dorthin folgen ließen. Erst im Erwachsenerwerden war mir die Dichte und Stärke dieses Materials vollends bewusst geworden, wenigstens bilde ich mir das ein. Es gehört, neben Moorwiesen, Katzengold, kalkweißem Stahlbeton, alten Bäumen – vor allem Kopfweiden, Efeu, Wildem Wein oder was da sonst noch wächst und dem Blau der Berge selbst, der mächtigen Präsenz des Untersberges, zu den Hauptbestandteilen meines Salzburgs.

Unweigerlich folgt ihm die Erinnerung ans „Haus der Natur“, einem magischen Ort, nicht nur meiner Kindheit, einem naturhistorischen Museum, mystischem Labyrinth, einer Varietäten- und Abnormitätensammlung, und katakombenhafte Stätte der Wissenschaft. Eine herrliche Einrichtung, gut für jeden Regentag. Ich verkroch mich einst dort, die spätere Schule schwänzend, um zu sinnieren, über den jugendlichen Wahnsinn, der mich befallen hatte – ausgebrochen durch die Liebe, aus dem seelischen, herzlichen und intellektuellen Denken aber heraus und dieses verrückend und erweiternd, für mein zukünftiges Leben. Mehr kann, will und muss ich nun nicht mehr darüber schreiben. Bis bald.

*An dieser Stelle sollte ein Fragezeichen-Beistrich stehen, den ich (offenbar) erfand, dessen grafische Wiedergabe ich jedoch noch nicht ermöglichen konnte.

Mittwoch, 16. März 2011

Atmer und Sterber am Leben

Ich trink den Alkohol,
Er trinkt mich – meine Kreativität,
Fließt wo sie hingehört,
Ins Nichts,
Ins Alles.

Der Zugriff ist temporär verwehrt,
Aber ich spare mir die Zeit,
Durch Beschleunigung – zu sterben,
Für eine Sache;
Das ist keine Aktivität.

Ich sterbe beständig,
Gieße genüsslich das Gift,
Ins körperliche Lebenssystem,
Zellen tötend, die umso weniger
Wiederkehren, je älter wir werden.

Ich atme und sterbe,
Für eine Sache nicht.
Denn der Tod ist keine Option;
Und nur eine Entscheidung bleibt:
Nicht aufgeben!

Ich verabschiede mich dankbar,
Vom Gift des guten Biers,
Das ich einst sehr hasste;
Aber Zeit verändert die Welt.
Eine Zeitwelt ist’s.

Ich rückblicke, ich war gehetzt.
Segen des Älterns:
Nun bin ich zu langsam,
Gehetzter Hetzer
zu sein.

Ich bin der harrende, wankende,
Der wandelnde Atmer
Und Sterber – dessen Schatten,
Im offenen Auge,
Inflationiert die Angst.
Und doch gewinnt sie,
An Lebenswert;
Und alles weltliche ist wunderlich,
Wie das Heimkehren,
Des Kriegers (der Schatten).

Dienstag, 15. März 2011

Japan 2011

Im Antlitz der Opfer, die Tränen bis nach Österreich tragen, wäre es nicht nur überflüssig, wie sonst, die Zunge heraus zu strecken, gegen all jene, die NuklearkraftwerksgegnerInnen als SpinnerInnen stets zeichneten – in ihren gesponserten Medien. Und doch ist es lachhaft, wie die Kanzlerin Deutschlands ihren Hals verdreht, machtlos den Stürmen des Meinungsmarktes ausgeliefert. Unlängst feierte sie, mit den Bossen der Energiekonzerne Schampus schlürfend, die Aufrechterhaltung altersschwacher AKWs. Jetzt muss sie an die Ernsthaftigkeit der Lage in Japan denken, wo eine ganze Reihe von Katastrophen – wie in einer bösartigen Sim-City-Simulation – weiterhin die älteren Atomkraftwerke Fukushimas in Supergau-Gefahr versetzten. Auch andere PolitikerInnen, wie der österreichische Umweltminister, zeigen sich kampfbereit, in Opposition zu der Nuklearenergieproduktion auf Erden. Die Atomkraftgegner fühlen sich bestärkt, gehen gestärkt in erneute Proteste.

All dies zeigt, dass die Diskussion über die so genannte Atomenergie, auf politischer Ebene, bisher nicht sachlich geführt wurde. Es ging und geht um gefühlte Gefahr, nicht um reale. Dass sich eine vergleichbare Katastrophenreihe, wie in Japan, in naher Zukunft wiederholen wird – zudem in Gebieten, die weder durch Erdbeben noch Tsunamis gefährdet sind – ist wohl recht unwahrscheinlich. Dennoch werden die Toten, Verletzten, Obdachlosen, Verstrahlten der Fukushima-(oder Tohoku)-Katastrophe nun als Argument gegen „Atomenergie“ angeführt; selbst von PolitikerInnen, die üblicherweise mit AtomkraftbetreiberInnen Geschäfte machen. Denn die Berichte aus Japan schockieren, rühren, schmerzen, lassen verzweifeln, in dieser entblößten Menschwelt; große Emotionen, volle Titelseiten in allen blätterbaren Medien. Die Politik und die MedienmacherInnen müssen auf solch einen mächtigen Emotionspool der Angst rea/gieren, solange er noch da ist.

Doch wer die Gefahr der nuklearen Energieerzeugung auf dem Planeten, nur über die Emotionalität und Medienwirksamkeit der Schreckensnachrichten aus Japan erkennt, kommuniziert und argumentiert, hat offenbar nicht viel begriffen. Einer "Atompolitik", die darauf baut, ist nicht zu trauen. Das ist, als ob man dem Kettenraucher für eine lange Rauchpause gratulieren würde, die er machen musste, weil er, aufgrund von Lungenversagen, im künstlichen Tiefschlaf lag. Oder, als ob man einem Menschen den Physik-Nobelpreis verleihen würde, weil dieser anhand seines brennenden Hauses verstanden hat, dass Feuer heiß sein kann. Der Wandel wird nicht kommen, weil die, die ihn nun promt versprechen, ihn politisch und wirtschaftlich (was in diesem Fall einerlei ist) nicht überleben würden - und sie waren bisher auch für kleinere, persönliche Opfer nicht bereit.

Wir rasen seit Jahrzehnten, mit einem Pulverfass unterm Arsch, in Richtung versprochener Zukunft. Die Energie muss fließen – bis auf den verdammenden „Atommüll“, „sauber“ – damit die Wirtschaft wachsen kann und zwar immer weiter, obwohl das, wie wir wissen, unmöglich ist. Wir, als Menschheit, setzten uns also dieser Gefahr aus, bauen sogar Waffen darauf, die den Planeten auch für zukünftige, vielleicht bessere Spezies ungenießbar bomben könnten.

Wir schaffen diesen Wahnsinn und wissen was wir tun, um irgendwann, wenn uns die Realität einholt, Betroffenheit, Unschuld, Handlungswillen zu demonstrieren – wie ein Kind, das mit sehr schlechten Noten heimkehrt. Im nächsten Semester aber, wenn die Aufregung abgeklungen sein wird, werden wir verfehlen wie bisher. Wir müssen, denn unsere Wirtschaft brauchte effektive Energiequellen; sie muss wachsen, bis ins Verderben; und wahrlich, die derzeit am häufigsten geäußertes Sorge, in den unabhängigen abhängigen Medien, ist jene einer wirtschaftlichen Rezession in Japan. Die Börsen zittern, wie es kein Seismograf ermessen kann. Wir brauchen Strom, für das Licht, dass uns den Brand zeigt, den es verursacht.

Den Abfall nuklearer Energieerzeugung als „Atommüll“ zu bezeichnen, ist daher irreführend; im Sinne der Vergeudung von Atomen, ist die Menschheit offenbar der Atommüll – Asche zu Asche…Wir schaffen, durch unsere höchst intelligente Dummheit, die Möglichkeit uns selbst zu vernichten und hätten dabei nicht einmal den Anstand, andere BewohnerInnen dieses Planeten, nicht mit ins Verderben zu ziehen.

Bevor wir aber gehen, rotten wir, aus Aberglaube, Tötungs- oder Prestigelust, diverse andere Spezies aus; wir rauchen uns tödliche Krankheiten an und zwingen andere sich passiv zu beteiligen; wir laufen Amok ehe wir Selbstmord begehen; und wir brennen um die höchsten Wirtschafts-Wachstumsnoten, von denen keiner mehr weiß, wozu sie gut sind, bis es einen von uns zerreist – in der vorhersehbaren Unvorhersehbarkeit eines stets möglichen Zeitpunkts, einer dann doch eintreffenden Katastrophe, die sich nicht verhindern lässt, wenn sich nicht weit mehr verändert, als die öffentliche Stellungsnahme der PopulistikerInnen. Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko wird zwar nicht mehr beachtet, bleibt aber weiterhin ein Problem – sowie Fukushima in Zukunft.

Sonntag, 13. März 2011

Testament

Aus Angst, allein mit meinem Willen, meinem Kunsthandwerk zu wandeln, am Rande geld-ender Armut, im Kreislauf bedeutsamer Illusion, folgte ich dem Weg, der sich mir vorsetzte.
Nun wandle ich allein, mit meinem Willen zu meinem Kunsthandwerk, am Rande geltender Armut, in jenem Kreislauf aber nicht mehr, denn ich kenne meine Angst so sehr.
Ausbildungen, befremdlich dem, der das Befremden nicht kannte, weil ihm alles fremd war, fraßen die Jahre, von denen man hoffte, sie würden gedeihen.
Einbildungen waren sie, aber auch sie waren nicht mein. Ich lief geradewegs in das freundliche Messer, mit dem ich geschnitzt werden sollte, von Meistern, die selbst nicht wussten wozu.
Nun bin ich verwundet, tödlich nicht, aber dennoch sterblich, bilde ich nun selbst, den Kreislauf meiner Visionen, gemeinsam mit den Geistern und Wesen dieser Welt - und alles ist Voraussetzung.
Und alles was ich besitze, wirklich bei mir und innehabe, ist das, was ich von Menschen lernte, die ich liebe. Dies kann gerne gebrochen werden und geteilt, ob ich bleibe oder gehe.

Mittwoch, 9. März 2011

Weites Feld

Ich renne über dieses Feld,
Das in meinem Tagtraum fror,
Zu Erinnerung, in kalter Welt,
Zu einem magisch nahem Tor

Meines Sinnes, ohne Flucht
Mir aber zu gewähren.
Es ist das dauernde Erwehren,
Der fallenden Träumerfrucht.

Im gewussten Moder jedoch,
In der tödlichen Verwandlung,
Endet mir das Hoffen noch,
Findet die Hoffnung Brandung,
Findet die Hoffnung Landung.

Die atmende Stunde

Die Stund, die mir den Atem raubt,
Ist von alter Zeit genährt
Und auf Vergangenheit gebaut,
Die mir im jungen Atem währt.

Es folgt mit stetem Gang,
Der Zweifel, wie der Schatten
Dem Licht; nach dessen Rang,
So wandelt er vonstatten.

Atem, Stunden,
Schatten und Licht,
Zweifel umwunden
Bei freier Sicht.