Dienstag, 6. April 2010

Die Würde des Sterbens

ÖVP und der Dachverband der Hospiz und Caritas, fordern (von der SPÖ) eine Verankerung des Verbotes von Sterbehilfe in der österreichischen Verfassung. „Jeder Mensch hat das Recht, in Würde zu sterben“, spricht die Dachverbandspräsidentin Klasnic (Quelle: Der Standard; 2. April. 2010). Der Anspruch auf Sterbebegleitung und Schmerzmittel gehörten dazu. Die Möglichkeit auf einen raschen, schmerzlosen, Tod im, Kreise der Liebsten, dem nach nicht.

Ist es nun die ängstliche Auseinandersetzung mit dem Unvermeidlichen, die extreme, vielleicht irrtümliche Konsequenz christlicher Glaubenslehren, die diese Verfassungserweiterung motivieren? Oder gibt es andere abstruse Gründe, die ich nicht erkenne? Vielleicht die Einnahmeneinbuße durch zu früh sterbende Menschen, in den entsprechenden Pflegeeinrichtungen? Will man die letzte Stunde der Sterbenden, so lange wie möglich verschieben, um ihnen – oder ihren Angehörigen – so lange wie möglich Gebühren verrechnen zu können? Herrscht hier vielleicht ein allgemeines, kollektives Feindbild vom Tod, in den Köpfen dieser Leute?

Wenn ein Mensch zunehmend verfällt, schrecklich langsam dahinsiecht, um nicht viel schneller zu sterben, dabei, über die gesamte Zeit seines Leidens, an Schläuchen, die in seinen zerfallenden Körper ragen, hängen und in einem Krankenhausbett liegen muss, voll gestopft mit Schmerzmittel, auf die er sein nicht mehr zu nützendes Dasein, in einem lähmenden Delirium verbringt, weil alle um ihn hoffen, er möge noch nicht sterben, obwohl er bereits im sterben liegt, dann weiß ich nicht, was das mit der Würde des Menschen zu tun haben soll. Die Toten können nicht mehr von ihrer Folter berichten, sie sind bis zum Schluss in vorweggenommener Starre gehalten, mein noch lebender Verstand aber sagt mir: Bevor ich wochenlang in einem Krankenbett dahin krepiere und leide, will ich, dass mir ein Freund, ein geliebter Mensch, dem ich vertraue, den Todstoß schenkt.

Ich fürchte das Sterben, nicht den Tod. Während Sterbehilfegegner die künstliche Verlängerung dessen, was ich fürchte, in Verfassungsrang heben möchten, um das, was die Erlösung von allem Leid des Lebens ist, möglichst lange hinauszuschieben. Ist das katholische Nächstenliebe (ÖVP, Hospiz, Caritas), oder perverser, religiöser Sadismus? Wie viele Flagellanten stimmen dafür, wer ist der Meinung, dass wir uns durch unaussprechliches Leiden von der kranken Idee der Erbsünde befreien müssten, ehe wir dieses Leben verlassen dürfen?
Steckt hinter all dem die Furcht der Angehörigen, möglicherweise die Verantwortung für den vorzeitigen Tod eines Verwandten übernehmen zu müssen? Soll die Furcht eines Menschen verhindern, das Leid eines anderen zu beenden?

Warum wird überhaupt die Verfassung bemüht? Es sieht nicht so aus, als ob man legale Sterbehilfe in näherer Zukunft anstreben würde. Auch ist ein Verbot der Sterbehilfe, nicht das Gegenteil von der Entwürdigung des Lebens. Wer Sterbehilfe verbietet, schafft damit keine Würde. Man kann das Sterben schließlich nicht verhindern, man kann seinen Vorgang lediglich beeinflussen.
In der Verfassung müssten universale, grundlegende Rechte verankert sein: Die religiöse Paranoia vor der unabwendbaren Gewalt des Todes, bei gleichzeitiger Bejahung der Hinauszögerung des Sterbens, gehört nicht dazu – es sei denn, die österreichische Regierung (SPÖ inklusive) gesteht sich endlich ein, dass die Trennung von Religion – das heißt bei uns: römisch katholische Kirche – und Staat, gescheitert ist.

So komme ich auch dazu, den eigentlichen Grund zu nennen, den ich hinter dieser Forderung vermute. Die verinnerlichte, religiöse Annahme, dass die Guten nach dem Tode belohnt, die Bösen aber bestraft werden – was eine schwarz-weiße Weltsicht voraussetzt –, muss eine Panik unter den Rädelsführer/innen dieses Verfassungs-Bestrebens ausgelösen. Sie glauben zu wissen, dass die Hölle sie erwartet. Dies vielleicht weniger, wegen der „Sünden“ – dem Falschparken mit Fahrerflucht, der Steuerhinterziehung, der Selbstbefriedigung im Bad und/oder gelegentlicher homosexueller Fantasien – die sie begingen, sondern viel mehr, weil sie eines vermuten: Der himmlischen Delegation gehen, vor Angst das Gehirn ausschaltende Seelen, furchtbar auf die Nerven. Deshalb versuchen sie, ihr Hinübergehen ins Jenseits so lange wie möglich hinaus zu zögern.
Jesus starb bereitwillig für ihre/unsere Sünden. Auch er hatte Angst. Aber war es kein Glück im Unglück, dass jener Römer ihm den tödlichen Speerstoß verpasste, auf das er nicht, wie andere Gekreuzigte, tagelang leiden hatte müssen? Hätten die Katholiken von Heute es lieber gesehen, wenn unser geliebter Jesus, von Hospiz-Mitarbeiterinnen und medizinischem Personal, auf seinem Kreuz hängend, am schmerzerfüllten Leben erhalten worden wäre, statt seinen Geist alsbald dem Vater in die Hände legen zu können? Hätten sie es gerne gesehen, wenn er dort tagelang dahin-gestorben wäre? (Kreuzigung ist übrigens eine Mischung aus Hinrichtung und Folter.)

Vielleicht ist das der Grund, warum sie die plastische Figur, ihres halbnackt sterbenden Heilands am Kreuz, anbeten und küssen. Sie stehen drauf: Strafe statt Erlösung, Selbstmitleid statt Mitleid. Wir müssen alle leiden, so lange wir können, vorzeitige Ausflüchte sind Sünde, denn nur größtmögliches Leiden bedeutet Reinigung, die wir uns bis zum unvermeidlichen Schluss aufheben wollen. Diesen scheinbaren Grund-Satz wollen sie in der Verfassung festsetzten. Dieser Grund-Satz ist allerdings etwas Menschenunwürdiges und zeigt, wie wichtig, eine echte Trennung von Staat und religiösen Masochisten, notwendig wäre.

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