Dienstag, 30. März 2010

Vermeintliches Wunder(n) des Terrors

Wieder gab es Attentate. Diesmal nicht im Irak. Diesmal in Moskau, einer europäischen Metropole, weshalb wir wieder einmal hellhörig die Augen stülpen, uns wieder einmal betroffen fühlen und uns nun dem Thema annehmen wollen.

Großes Wundern: 2 von 3 Selbstmord-Sprengstoff-Attentaten, die in der moskauer U-Bahn für Tot, Leid und Schrecken sorgten, wurden von Attentäterinnen verursacht. Frauen. Seit wann, scheint man zu denken, greifen Frauen zu solchen Gewaltmitteln? Sollten Frauen nicht lediglich Gewaltopfer sein? Sollten Frauen nicht um ihre, im Krieg getöteten, Söhne und Brüder weinen? Dass auch die Weiblichkeit sich von Rachsucht fehlleiten lässt, zwangsrekrutierbar, manipulierbar und Willens genug ist, ihre Vergeltung gnadenlos durchzuführen, wurde jedenfalls zum Thema. „Schwarze Witwen“, nennt man die Selbstmordattentäterinnen und gesteht ihnen sogar so etwas wie mütterlich-weibliche Gründe, für ihre Taten, zu – ganz anders, als ihren männlichen Mitattentätern, die im Modern-Medialen meist wie Terroristen-von-Natur-aus kommuniziert werden.

Wieder großes Wundern: Warum kommt es überhaupt zu solchen Attentaten? Für Putin ist es zwar klar, man wolle Russland einfach zerstören, weil Russland gut und alles andere böse sei, aber Putin glaubt auch, dass sein Machtanspruch jegliche (Staats)gewalt legitimiere. Er ist somit, den Terroristen, gar nicht unähnlich. Seinen Terrorismus nennt man Staatsterror und anstelle von Selbstmordattentätern, verfügt er über die zweitgrößte Armee der Welt.

Diese Armee setzt er auch ein – genau wie seine versoffenen Vorgänger –, beispielsweise im Nordkaukasus, wo die besagten Attentäterinnen herkommen sollen. Dort kämpft Russland seit einer schieren Ewigkeit, mit Gewalt, um seinen Machtanspruch und dort kennt man auch nicht viel mehr, als die unzähligen Möglichkeiten der gewaltsamen Kommunikation, zur Lösung regionaler Probleme. Zudem gibt es dort Menschen, die im Laufe eines, von Gewalt geprägten Lebens – mit der russischen Armee als nicht ganz grundlosem Feinbild – alles verloren haben, das die Fortsetzung dieses Lebens noch attraktiv erscheinen ließe. Dazu kommen militante Rebellen mit demselben Feindbild, Sprengstoffgürtel, ein Ticket in die Höhle des Löwen und die Aussicht Vergeltung üben zu können, für all das zugefügte Leid – oder wenigstens irgend etwas mit dem zerstörten Leben anfangen zu können, ein Zeichen der Wut und der Verzweiflung zu setzten. Und es wundert uns, dass ein paar, unter den Millionen an Kriegsopfern, diese Gelegenheit wahrnehmen (es wundert uns nicht, dass es nicht viel mehr sind).

Das nächste Wundern bezieht sich auf den Ort der Anschläge. Militärisch bzw. in der kranken Logik des Terrorismus (da gibt es wenig Unterschied), waren die Ziele zwar nahe liegend, aber dennoch schweben die Fragen durch die medialen Räume und wohl zahlreich über die Lippen der Opfer: Warum hier? Warum wir? Wie kann es sein, dass es in einer Stadt des relativen Wohlstands, in einer europäischen Metropole, zu solchen Kriegszuständen kommt? Dieselbe Frage stellte sich auch, nach den Anschlägen in New York und Madrid. Hier herrscht doch Friede und Sättigung, was geht uns Krieg und Elend an? Tot und Zerstörung ist die Sache der Krisengebiete, nicht der Städte, die über U-Bahnen verfügen.

Wir werden uns noch mehr wundern, vor allem darüber, dass es wieder und vermehrt zu solchen Anschlägen kommt. Denn die Sprache der Machthaber ist klar: Keine Gnade, Tot allen Feinden! Das bedeutet, dass die Machthaber dieser Welt weiter machen werden, wie bisher. Das bedeutet auch, dass die Terroristenführer, genau wie die staatlichen Machthaber(innen), in ihrem gewaltsamen Machtstreben, weiterhin profitieren werden. Wenn sich zwei streiten, freuen sich die dritten nicht – sie sterben. Sie leiden, sie verlieren ihre Geliebten und das fördert den Hass und die Rachsucht, die Nahrung für Krieg und Terror, die ihnen und ihren Nutznießern, in den Formen tausender Mordwilliger, zugeführt werden. Was für ein Wundern? Wir suchen so gewaltsam nach Schuldigen der Gewalt, dass wir vergessen, nach Frieden zu suchen – oder nach den Friedliebenden, unter den Schuldigen.

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