Dienstag, 12. Januar 2010

Funktionalisierung im unbewussten Alltag

Heute las ich im Standard, dass sich viele Arbeitslose Japans, in den dortigen „Kapselhotels“, als einzig leistbare Unterkunft, einschachteln müssen. Vor Jahren gehörte es zu einer meiner düsteren Zukunfts-Fantasien, dass Menschen nicht in Städten, sondern in riesigen Anlagen, mit niedrigen Decken und schmalen Gängen, zusammengepfercht leben werden – Mit Schlafkapseln als einzigen Ort des Rückzugs und der geringfügigen Intimität.

Ein Traum wird wahr. Die Menschen funktionalisieren ihr Leben so lange, bis sie in Särgen hausen; und wenn sie sterben, können sie mit mitsamt der Wohnung beerdigt werden.

„Funktionalisierung“ ist übrigens ein Wort, das den Zusatz Un- verdienen würde, wenn der daraus entstehende Begriff „Unwort“ nicht seinerseits selbiges wäre. Das Problem liegt im Fehlen eines Sprachsinns bei solcherart Worte, der verloren geht, wenn man lediglich im Allgemeinen von einer „Funktionalisierung“ von Etwas spricht, ohne zu erklären, wie diese Funktionierend-Machung, für welchen Zweck, durchzuführen sei. Im üblichen Sprachgebrauch aber fehlt meist Letzteres. Die „Funktionalisierung“ wird regelrecht mit einer Besser-Machung gleichgesetzt, was Sender und Empfänger oft gleichermaßen unhinterfragt akzeptieren. Das Wort hat, in diesem Sprach-Unsinne, auch Geschwister: Beispielsweise „Rationalisierung“ oder „Gutmenschentum“ – worauf ich nun allerdings nicht genauer eingehen werde.

Es gibt auch einen Unsinn, also einen Sinn, abseits des Sinnes von Sprache als Mittel der Verständigung. Wenn man beispielsweise M.T. Fekter ist und als österreichische Innenministerin ständig mit der Verfassung zusammenkracht, die einem als letztes Hindernis, vor der Umsetzung gewaltsamer Politik gegenüber unerwünschten Flüchtlingen, den Schreibtisch verstellt, kann man alsbald die Fassung verlieren und gleichsam einige gefühlserregte Formulierungen an die Öffentlichkeit, die das wahre – vielleicht unbewusstes – Gedankengut verraten.

Wenn man M.T. Fekter wäre, könnte man eine Funktionalisierung der Asylpolitik, die im Österreichischen darauf basiert, dass man „die“ einfach nicht wolle, damit kaschieren, dass man von „Aufenthaltspflicht“ spricht, wenn man „Wegsperren“ meint. Zwar versucht M.T. Fekter ihre Funktionalisierungspläne durchaus mit einem Zweck zu verbinden, dies mag allerdings nur dem Sprachsinn genügen. Vernunfts-Sinn macht es trotzdem nicht, wenn sie behauptet, sie würde Asylwerber nur deshalb wegsperren und, wohl aus gehässiger Gewohnheit, mit Schubhäftlingen gleichsetzten, weil sich die Bevölkerung vor den AsylantInnen fürchtete, was mir wiederum Furcht einflöße, weil es nichts Gefährlicheres gibt, als völlig paranoide Landsleute. Hierbei bedeutet ihr Unsinn ausnahmsweise eine ruhige Nacht.

Nicht nur, dass M.T. Fekter einer Praxis der Täuschung frönt, der auch andere Akteure der medialen Öffentlichkeit begeistert nacheifern und die darin besteht, selbst als Vertreterin eines angeblichen Rechtstaates, ungeniert unschuldige Menschen als Kriminelle zu umschreiben – H.C Strache bezeichnet Asylwerber sogar direkt und allgemein als Verbrecher. Es fragt auch kein Journalist nach, wann sie endlich als Innenministerin zurücktreten will, nachdem sie zu verstehen gab, dass man die ÖsterreicherInnen in ihren Ängsten bestätigen und unterstützen müsse, anstatt ihnen Ängste zu nehmen – z.B. durch eine vernünftige Integrationspolitik.

Es fragt allerdings auch kaum jemand noch einmal nach, warum (auch) im EU-Kommissariat das Migrations-Ressort gleich das Asyl-Ressort gleich das Justiz-Ressort ist. Haben wir, trotz aller staatlichen Gedenkveranstaltungen, vergessen, in welchen Regimen und für welche VerbrecherInnen gegen die Menschlichkeit, für die wir EuropäerInnen sogar einen eigenen Gerichtshof bauten, Flüchtlinge gleichzeitig Fälle für die Justiz waren? Man funktionalisiert auf der „Funktions-Basis“ der Verbrechensbekämpfung, die Behörden, die Gesetzte, die Grenzen Europas und schafft damit Verbrechen auf allen Seiten.

Wenn die Funktion dieses Systems die Minimierung von Kosten zu allen Kosten, oder die Erhöhung des persönlichen Vorteils weniger sein will, dem daraus folgenden Leid vieler zum Trotze, so bedeutet diese Funktionalisierung, dem menschlichen Leben Sinn und Würde „wegzurationalisieren“, was uns alle zu Geschädigten dieses Prozesses macht. Es sind schließlich nicht die Opfer, die dadurch ihre Würde verlieren. Zum Trost: Einen Sprachsinn erhält diese Funktionalisierung allerdings, als Synonym für Grausamkeit und Dummheit.

Donnerstag, 7. Januar 2010

Extrem ist Muss im Blöden

Ein neues Jahr nach Christus und die Ziele der Menschheit sind immer noch nicht erreicht, weshalb ich, aus ungewollten, erhaltenen Anlässen, etwas über uns – die Menschheit – schreiben muss. Auch deshalb, weil es heute Abend im Rüdigerhof an ertragbaren, österreichischen Tageszeitungen („Standard“ und manchmal „Presse“) mangelt. Der Kurier titelt mit „Fekter zeigt Härte“ und etwaige Assoziationen, mit pornografischen low-budget Künsten, kommen vielleicht nicht nur sexuellen Sonderlingen wie mir in den Sinn. Ja, sie zeigt Härte, sie ist geil, sie ist so richtig faschistoid, mit Lederkluft und Peitsche in unseren geheimen Gedanken, wie wir es brauchen, weil sie uns zwar in die Fresse drescht, mit ihren Phrasen der Unmenschlichkeit, aber uns dafür wenigstens vor den bösen Asylwerbern beschützt., vor der gewalttätigen Immigration und den per forma kriminellen AusländerInnen sowieso – mit ihrer Härte!

Lustig, dass zwar gewisser Jedermänner/frauen die tiefsinnigen Zitate von Goethe, Gandhi und Luxemburg auswendig können, die auf ihren Wandkalendern, mit den wunderbaren Landschaftsfotografien, stehen; aber prozentual wenigen scheint aufgefallen zu sein, dass jene „Härte“, mit denen Unmenschen wie Fekter auftreten, mit Dummheit, Unbeholfenheit und Feigheit gleich zusetzten sind.

Die „Krone“, die gleich neben dem literarisch dahinmodernden „Kurier“, verwest, titelt insbesondere „Traffikant erschießt Räuber in Todesangst!!!!!“. Das ist insofern witzig, als ich gerade darüber schreiben wollte, dass Gewaltanwendung stets ein Akt der Dummheit, der Unbeholfenheit und der Feigheit bzw. der Angst ist. Ja, ja, ich weiß, dass der Pazifismus außer Mode geriet, nachdem die Weltbevölkerung den Extremismus als Antwort auf ihre geistige Faulheit fand. Pazifismus bedeutet in den vertränten Augen jener, die nur Extreme kennen, selbstverständlich, dass man sich niemals gegen einen Aggressor verteidigen darf. Aber warum stimmte der Pazifist Albert Einstein dem Krieg gegen die Nazis irgendwann doch zu? Weil er Jude war? Oder weil ein Genie kein Extremist sein kann, da es in des Genies Natur liegt, Grenzen zu überschreiten, während ein Extremist nicht existieren kann, ohne eine starke Begrenzung seiner Weltanschauung? Die Antwort muss ich den Genies da draußen überlassen.

Ich scheiße die Verdauungsendung meiner übrig gebliebenen Klugheit auf euren Extremismus! Ich scheiße auf eure Feigheit – Medien dieser Welt. Und „Die Zeit“ verrinnt im Morast ihres Unrates. Warum sollte ich mich dafür interessieren, dass die zeitlichen Redakteure befinden, dass 2010 die halbgaren Bärte junger Männer verschwinden sollten – vielleicht, weil sonst die Welt 2012 untergehen wird? Das sagten angeblich die Maya voraus, eine „heidnische“ Kultur, die vor dem Eintreffen der ersten europäischen, christlichen Massenmörder bereits ihren größten Herrschaftsanspruch verlor. Außerdem stellt dieser astrologische Hintergrund einen gelungenen Vorwand dar, um tausende Menschen per Spezialeffekte, für ein gewaltgeiles Publikum, sterben zu lassen.
Es kümmert mich auch nicht, dass jener Traffikant einen Menschen erschoss, der ihn überfallen wollte. Das öffentlich rechtliche Fernsehen versorgt mich mit Informationen, die also keinesfalls nützlich sind. Wir – die Menschheit – stehen vor größeren Problemen, als einem Baum des Wiener Gürtels, der in einem Erdloch versinkt. Globale, geopolitische Zusammenhänge gehören auf die Flatscreens der Nationen, sowie Redakteure, die einer Idee von Aufklärung näher stehen, als der Chefredakteur des Profils der Würde eines Doktors, dessen Titel er von irgendwo her doch bezogen haben muss – kann man eine Ursache verhaften? Gut, der Hippokratische Eid ist auch nicht mehr, was er einmal war – damals, in den euphorischen fünf Minuten nach seiner Erfindung.

Was wollte ich eigentlich schreiben? Ach ja! Gewaltanwendung ist immer eine Fehlen und niemals mit Mut oder Ehre gleichzusetzen. Das wollte ich, aus gegebener medialer Fahrlässigkeit, wieder einmal in Erinnerung rufen. Natürlich ist Gewalt und Extremismus immer wieder geil! Heiß! Aber das ist Pornografie auch und es amüsiert mich immer wieder, wie wenig diesem Genre offiziell Rechnung – im wahrsten Sinne – getragen wird, obwohl es gerade in der Internet-Gesellschaft allgegenwärtig ist. Auch nicht zu vergessen: Gewalt hat viele Gesichter und wie sang einst Bob Dylan: „You know, sometimes Satan, comes as a man of peace.“ Also Extremismus vergessen, aber niemals, dass nix fix ist. So unaufhörlich wie wir altern müssen, um leben zu können, muss die Welt sich wandeln, um sein zu können.

Welcher Kategorie gehöre ich an, wenn ich Mamortischchen liebe, aber Tischtücher verabscheue? Die Extremisten verzeichnen hierbei ein Error.