Donnerstag, 12. November 2009

Per Fekter geht es nicht

Warum nicht? Weil ihr Gesicht das erstarrte Wesen dieser Republik Österreich passend symbolisiert. Politische Vernunft war seit Kaiserin Maria Theresia nicht mehr die Stärke des alten Österreich, und seit Dr. Karl Renner hat sich das neue Österreich redlich bemüht, den Ahnen in ihrer Größe an Dummheit nachzueifern. Der Fall Arigona Zogajs zeigt sowohl dies, als auch die heuchlerische Doppelmoral, die in einem Staate zur Hauptmaxime moralischen Handelns mutieren kann. „Selbstverständlich“ – auch wenn ich nicht weiß, ob sie es wirklich selbst versteht – gibt die Innenministerin und ihre KollegInnen Zugeständnisse an die Vernunft, wie beispielsweise „faire Asylverfahren“ garantieren zu wollen; wo aber Kinder in Schubhaft gesteckt, oder, wie Arigona und ihre Geschwister, damit bedroht werden, kann man nur von Fairness sprechen, wenn man am schizophrenen Selbstbild eines psychotischen Hollywood-Filmbösewichts leidet. Aber vielleicht ist das unter anderem der Grund, warum sich die österreichische Regierung so lange weigerte, Kindern offiziell die Menschenrechte zu zugestehen.

Neben mir liegt meine drei Monate alte Tochter und wenn ich mir vorstelle, dass sie, aufgrund welcher juristischen Floskeln auch immer, so wie Arigona, in ein für sie fremdes Land deportiert werden sollte, kann ich meine damit verbundenen Gefühle nur mit dem Wort Folter umschreiben. Wir müssen uns darauf einigen, dass menschliches Leid, sowie menschliche Freude, keine Nationalität kennt. Wenn eine Regierung mittels Gesetz, Menschen in ihrem Machbereich, wie auch immer geartetes Leid zufügt, und sich keine rationale Begründung dafür erkennen lässt, die dieses rechtfertigen könnte, dann sind sowohl Regierung als auch Gesetzt ungerecht in ihrem Handeln. Und wie man nach Cicero schließen kann, verliert ein ungerechter Staat seine Legitimität. Noch dazu ein Staat, der von positiver Zuwanderung abhängig ist.

Aber neben diesem philosophischen Detail zeigen die Untaten an Menschen wie Arigona auch, dass Österreich peinlich und beschämend ist. So toll wir uns auch selbst zeichnen mögen, in unserer bierbäuchigen Mitte Europas: Wäre unser Land zu personifizieren, so müsste man uns als lästernde, meckernde alte Schreckschraube bezeichnen, stets sich selbst erhöhend und über andere nur Schlechtes redend – am liebsten hinter deren Rücken, wenn man nicht gerade Geschäfte mit ihnen abzuschließen hat (siehe Osteuropa).

Eine alte Schlampe sind wir, die ihren staats-gesellschaftlichen Verfall nie verkraften konnte und dafür alle anderen verantwortlich macht; frustriert und lediglich vor zahlenden Gästen (also Touristen) unglaubhafte Heiterkeit mimend, hocken wir an unserer Wiener Mischung und sinnieren über die gute, alte Kaiserzeit, als wir wenigstens nur von einem einzelnen Idioten regiert wurden. Damals noch zur angesehenen Aristokratie und der dekadenten Gesellschaft Europas gehörend, hatte unsere eigene Ignoranz und Kriegslüsternheit (weil wir uns für die Stärkeren hielten) uns dem degenerierten Bruder in den Untergang namens Erster Weltkrieg folgen lassen. Seither sind wir den Adelsstand los, was einen Minderwertigkeitskomplex zur Folge hatte, an dem natürlich die Juden schuld waren und den wir, wieder mit dem degenerierten Bruder vereint, mit dem nächsten Weltkrieg kompensieren wollten. Das hatte uns entmachtete Fürstin zur Nazi-Schlampe werden lassen, und als die Nazis fort waren und wir den siegreichen Alliierten schöne Augen machten mussten, um nicht im Einflussbereich des Stalinismus zu verschwinden, waren wir nicht nur entmachtet, gedemütigt und besiegt, sondern auch völlig unsicher wem wir nun unserer Loyalität schenken sollten.

Neutralität hat den Vorteil, dass man sich dem loyal zeigen kann, der einem gerade das bessere Angebot macht – und diese Prostitution führen wir fort. Menschenrechte, Demokratie, Vernunft und Aufklärung, selbst Christlichkeit; auf all dies machen die durchschnittlichen, regierenden (und nicht-regierende) PolitikerInnen einen großen Haufen rot-weiß-roten Dungs, wenn es der persönliche Vorteil gebietet - und das, obwohl dieses Land, ohne das einstige Mitgefühl und das Verzeihen anderer Völker, heute wohl auch ein wirtschaftlicher und zivil-kultureller Zwerg wäre (und nicht nur ein geografischer und moralischer). Wir sind ein keifender, ex-aristokratischer, alter Ex-Nazi, der seinen Frust über den selbst verschuldeten, einstigen Niedergang nun nicht mehr an Juden, Homosexuellen, Zigeunern und Intellektuellen offen abreagieren kann, weshalb nun all die anderen Minderheiten das Ohr voller Hass bekommen – selbst wenn wir dabei riskieren, den zwergenhaften, wieder gewonnenen Wohlstand an Kultur und Moral, erneut in den braunen Dreck zu versenken.

Das dem so ist, spiegelt sich im klaren Fall Arigona Zogajs wieder, symbolisiert durch die hämisch grinsende Fratze der Innenministerin. Perfekter geht es nicht in den kulturellen Abgrund – Per Fekter durchaus.

Die Innenministerin und ihre KollegInnen können ihre Unvernunft und Unmenschlichkeit nicht mit Gesetzten entschuldigen, die sie selbst schufen. Und Österreich kann sich nur vom Wesen, des ex-kaiserlich, faschistoid-verkalkten wie auch senilen Opportunisten der nationalen Arroganz, nur dann lösen, wenn die zu seiner Fratze passenden Menschen aus den Machtebenen des Landes verschwinden.

(der Text wurde im Nachhinein ["...alter Ex-Nazi"] geändert, um die Nazi-Schlampen dieser Welt nicht allein als Sündenbild zu gebrauchen.)

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