Freitag, 27. November 2009

Mehr Moral!

Lauscht man den öffentlichen Auftritten und Diskussionsrunden Intellektueller, aller Spezialisierungen und politischer Orientierungen, so stellt man fest, dass viele dieser Experten und geistigen Eliten, den Begriff „Moral“ tunlichst vermeiden und sich sogar von „moralischen Bewertungen“ distanzieren. Mag es sein, dass mein Unverständnis daher rührt, da ich mich beinahe ausschließlich mit der Philosophie des Altertums befasse, mit den so stolzen Wurzeln, die das geistige Abendland allein für sich in Anspruch nehmen will. Wie dem auch sei: Moral ist für mich jene persönliche Gesetzmäßigkeit, basierend auf Erkenntnis und Vernunft, und daher auf alle Fälle wandelbar, mit der der Mensch sich selbst vorschreibt, was gut oder schlecht, schön oder hässlich, sowie – aufgrund seiner Herkunft – was vernünftig und unvernünftig ist.

Die Verbalhornung, Absurdführung, der Missbrauch und die Verklärung des Begriffes „Moral“, und damit der Moral an sich, sollten gerade für Gebildete kein Abschrecken sein, das was moralisch ist zum Leuchtfeuer ihres Handelns zu machen. Das dies notwendig ist, um eine „intellektuelle“ oder „sachliche“ Diskussion überhaupt zu führen, zeigte die letzte TV-Sendung des „Club 2“, vom 25.11.09, auf ORF2. Alte Hasen (und eine alte Häsin), mit ihren stark und fest gefügten intellektuellen Konstrukten (Ausnahme Bahman Nirumand und Karim El- Gawhary) redeten, wie man so schön sagt, an einander vorbei, als es um die Frage nach dem Hass auf den „Westen“ ging. Wie sollten sie auch auf eine kommunikative Ebene finden, gingen doch alle davon aus, dass ohnedies jeder wüsste, was moralisch sei, weshalb man gar nicht darüber zu sprechen brauchte, was der Mensch bzw. die Menschheit, mit sich anfangen müsse, um das Richtige zu tun. Alle waren sich einig, dass die unzähligen Male (durch Jean Ziegler) erwähnten, statistisch erhobenen Opfer der „kannibalischen“ Weltordnung, „etwas Fürchterliches" seien; warum dem so ist, hinterfragte jedoch niemand – und das nenne ich die Moral verklärend.

Wenn sich die Menschen nicht einig darüber werden, warum das Verhungern von Millionen, bei gleichzeitigem Vorhandensein der Möglichkeit sie zu ernähren (um ein Beispiel zu nennen), ungerecht sei, können sie sich auch auf keine Lösung, auf intellektueller Ebene, einigen, um das Problem zu überwinden (nicht zu vergessen, dass Handeln ebenfalls notwendig ist). Man redet aneinander vorbei. Selbst Gesprächsteilnehmerin Barbara Kolm, vom Hayek Institut, wurde möglicherweise missverstanden, weil die Rahmenbedingungen des Verstehens nicht abgesteckt waren; auch wenn ihr beharrliches Statement, die freie Marktwirtschaft sei die Lösung aller Probleme weltweit, glauben lässt, dass Madame die letzten 20 Jahre in einem Sektglas in der Wiener Innenstadt verbrachte.

Will sich die Menschheit auf Lösungen weltweiter Probleme einigen, muss sie herausfinden und verhandeln, was vernünftig und was gerecht sei – erst dann kann sie handeln. Das Wissen darum, was vernünftig und was gerecht ist, nenne ich Moral. Nicht ein religiöser Kult, nicht ein Modetrend irgendeiner Jugendkultur, keine politische Bewegung, kein Wirtschaftskonzept können uns sagen was moralisch ist, ausschließlich Erkenntnis und Vernunft jedes/jeder Einzelnen.
Zuwiderhandeln zu dieser Moralfindung ist die echte Blasphemie gegen das Göttliche; denn es hat dem Menschen seinen Geist gegeben, um Erkenntnis und Vernunft zu finden; Kultur und Politik sind Sammelsurien diverser Geschmäcker und Ideen, sie haben keinen eigenständigen Geist, der denken könnte; und ein Wirtschaftskonzept soll ein Werkzeug sein, dass sich nicht zum Zweck verkehren lässt.

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