Sonntag, 29. November 2009

Im Zorn

Entstanden, im Cafe-Bar-Pub „Rupps“, in Gegenwart zweier wohlig-geschmackvollen Pint Guinness.

Dies hätte vermutlich ein privater Tagebucheintrag werden sollen, gekritzelkratzelschrieben auf heimliche, vertraute Seiten, und doch strebt das eigentümliche Wesen dieses Geschreibes, in die virtuelle Außenwelt des weiten Datenozeans. Hierbei geht es um mein Befinden, das zur Zeit gar arg getrübt ist von der Summe vieler Begebenheiten, in der Vergangenheit, weit, weit zurück liegender Zustände, und der verrückenden Gegenwart. Auch geht es in mir auf und ab, wenn ich an alte Erkenntnisse und Entdeckungen denke, die sich immer wieder erneuern wollen, weil sie offenbar müssen. Denn niemand kann all die Schlechtigkeit der Menschen auf einmal fassen und verkraften, ohne eine rasende Übelkeit zu erleiden, die ihn wohl seine Seele auskotzen ließe. Vieleher verteilen sich die Erfahrungen des Sinnenden, die er mit seinen Artgenossen machen muss, notwendigerweise, auf viele Zeitpunkte in seinem Leben; und je älter er wird, umso tiefer wird sein Wissen von der Menschen Schlechtigkeit, ergänzt und erweitert sich sein grauenvolles Archiv der Menschenkenntnis, in vielen bitteren Bissen. In einem solchen Archiv ergährt sich mein Kränkeln und mein Schmerz, und dort hängt auch ein Spiegel, dessen grauenvoll reflektierte Fratze schließlich nur die meine sein kann, bin ich doch der Einzige, dem ich Zugang zu diesen unheiligen Räumen gewähre.

Soviel zum Vorwort, und so weiter zum schmerzlich Wesentlichen: Natürlich könnte ich, als sinnender, denkender Mensch, dem all dies Erkennen von der Schlechtigkeit des Menschen zuviel zu werden scheint, auch aufhören zu sinnen und zu denken, wie vielleicht mancher Spitzfinderich stumpfsinnig bemerken wollte; doch würde ich in solchem Falle meine Natur verraten, und solcher Verrat der eigenen Natur ist es doch, was diese Menschheit zu einer satirischen Verzerrung ihrer selbst macht. Lange genug, im lichtlosen Schacht tiefer Vergangenheit, versuchte ich Maßnahmen der Anpassung und der Wegfindung, die mich diese meine Natur, ohne mir dessen in ausreichendem Maße bewusst zu sein, schlecht behandeln lies. Doch meine Natur blieb letztlich immer stärker. Weiß nicht warum, doch vermute ich allmählich, damals bereits verrückter gewesen zu sein, als ich mir zutraute, und weder die Anpassung an die Masse, noch das Entkommen vor der Faszination ihrer Stubenhockerwärme, konnten glücken. Seit eh und je stehe, sitze oder schwebe ich zwischen den Stühlen, tanze zehengespitzt auf den Lenen, wenn die „Reise nach Jerusalem“ die Offenbarung aller Witzlosigkeit und Grausamkeit repräsentiert, die durch die primitive Lockung der menschlichen Esel mit hohlen Möhren vorgeführt wird, an deren Wegesende nur sinnlose Einsamkeit seien kann. Warum sollte mich Jerusalem überhaupt interessieren? Gehöre ich doch keiner der massigen Weltreligionen an. Zudem kam mir noch nicht zu Ohren, dass man, ausgerechnet in dieser staubigen Stadt, ein gepflegtes Bier oder einen ordentlichen Whiskey trinken kann – wenigstens nicht eher als andernorts.

Vielerlei Menschen, im Bewussten, im Unbewussten, verlockten meine Natur in tausendfache Fallen, nötigten mein Gewissen, bedrängten meinen guten Willen, vergewaltigen meine Gutmütigkeit. Nachdem ich lange dachte ausreichend vorbereitet zu sein, – über all die Jahre in denen ich lernte, erstarb und mich neu gebar, mein Selbstvertrauen immer wieder neu aufrüstete, vom seinem ersten Verlust in frühesten Jahren, dessen Gewaltakt ich damals genauso wenig nachvollziehen konnte, wie ich es heute wollte, bis hin zu den letzten Schmähungen, durch heuchlerische Verräter der ihnen angetragenen Illusionen, – nachdem ich also glaubte alle Gefahren zu kennen, wurde ich doch aufs neue betrogen. Kann nicht alles wissen, kann nicht alles glauben, blieb naiv, wann und wo es notwendig ist, ein um seine Torheit wissender Tor, und Realitätsverweigerer, wo die Realität es nicht verdient akzeptiert zu werden. Und ausgerechnet in einem Musical über Don Quichotte, meint man, meiner törichten Meinung nach, völlig richtig, dass der eigentliche Wahnsinn sei, die Welt zu sehen, wie sie ist, anstatt sie zu sehen, wie sie sein sollte. Bei allem Göttlichen! Sokrates starb ermordet, aber glücklich: Im Wissen um die Gerechtigkeit.

Dies ist eine Kampfansage und darum auch so öffentlich wie privat. Ich bin nicht mehr zu haben! Nicht für euch, nicht für meine Dämonen. Im setze mich also in gewisser Weise zu Ruhe, aus der ich hoffe jene Kraft zu schöpfen, die ich benötigen werde, um euch immer wieder auf den hohlen Schädel zu klopfen, oder mir selbst, vor den Kopf so zusagen zu stoßen, auf das es erschallet: Dies ist ein freies Universum, in dem ihr eine Gefangenenstätte aus Angst errichtet habt! Ich hasse eure Furcht, die auch meine Furcht ist, die es werden musste, da ich ja bedauerlicherweise eines von euch bin. Diese Furcht führt zum Fürchterlichsten. Die Menschen sind dumm, aber gerissen und darum muss man, muss ich mich vor ihnen hüten, und damit ebenso, wenigstens teilweise, vor mir selbst.

Im Schatten, der durch eure allgemeine Ignoranz verschuldeten Weltwirtschaftskrise, tummeln sich die Hoheiten eurer Schlechtigkeit. Und selbst da wo noch Wohlstand herrscht, finden sich die Spuren meiner früheren Qual, die ich erst nach und nach, auf eigene Geistesfaust, analysieren konnte: Ich ertrage nicht mehr, das Gegacker mit Prossecco abgefüllter Stöckelschuhträgerinnen, das Gegröle der von Dosenbier und Fusel erfrechten volljährigen Buben. Ob Weiberl oder Mannderl, im Rausch zeigen sich die Hysterie der Pubertät, die im übergehenden Heranreifen schief lief, über die Jahre lediglich überdeckt wurde, mit zahllosen Masken und Betrügereien. Das Gekreische und Gejohle ertrage ich nicht mehr, den Gestank ihres Parfüms, des Makeups, des Deodorants, der von billigem Zigarettenmief erfüllten, Parolen der Verblödung grölenden Rachen. Unter der Woche die Langeweile der unüberschaubaren Leistungsträgerei, milde Befriedigung im, die gähnende Pflicht erfüllenden, Konsum, und am Wochenende der alkoholisierte Spaß am schwachsinnig sein – die letzte Freude im Leben.

Dies ist ein Testament. Sollte ich in meinem Widerstand, meinem Widerstreben und Ankämpfen gegen die Einflüsse meiner mitmenschlichen Umwelt scheitern, so wird mein Mind, mein Geist, mein Verstand, vielleicht auch meine Seele sterben, das heißt Abschied nehmen. In solchem Falle erbt ihr nichts, denn verbleiben würde nur mein rasender Körper, der nicht weniger nach Freiheit strebt, als der Rest von mir. Er wird türmen, aus den Schattenschluchten der Städte, in denen er nur durch den mentalen Schutzschild des Verstandes überleben konnte, und auch er wird euch nicht bleiben, wild und natürlich wie er zu atmen pflegt, wenn er über nass-kühle Felder läuft, durch Haine und Wälder, über windumströmte, windumwellte, windumtanzte Hügelkuppen, unter Sternen in schwarzer Nacht, den majestätischen Gebirgen zu. Stefan Antonik Seidler, der „Duke“ von manchen genannt, wird hiermit öffentlich, und die einzig gute Rache, die es geben kann, führe er im Wort, heißen Zorn im Herzen, Kraft der Schönheit im Handeln, wo Fehlhandeln der Allheit nicht schöner wäre. Ich habe die Knubbelnase voll und schnäuze den wütenden Rotz meiner natürlichen Wildheit.

Freitag, 27. November 2009

Mehr Moral!

Lauscht man den öffentlichen Auftritten und Diskussionsrunden Intellektueller, aller Spezialisierungen und politischer Orientierungen, so stellt man fest, dass viele dieser Experten und geistigen Eliten, den Begriff „Moral“ tunlichst vermeiden und sich sogar von „moralischen Bewertungen“ distanzieren. Mag es sein, dass mein Unverständnis daher rührt, da ich mich beinahe ausschließlich mit der Philosophie des Altertums befasse, mit den so stolzen Wurzeln, die das geistige Abendland allein für sich in Anspruch nehmen will. Wie dem auch sei: Moral ist für mich jene persönliche Gesetzmäßigkeit, basierend auf Erkenntnis und Vernunft, und daher auf alle Fälle wandelbar, mit der der Mensch sich selbst vorschreibt, was gut oder schlecht, schön oder hässlich, sowie – aufgrund seiner Herkunft – was vernünftig und unvernünftig ist.

Die Verbalhornung, Absurdführung, der Missbrauch und die Verklärung des Begriffes „Moral“, und damit der Moral an sich, sollten gerade für Gebildete kein Abschrecken sein, das was moralisch ist zum Leuchtfeuer ihres Handelns zu machen. Das dies notwendig ist, um eine „intellektuelle“ oder „sachliche“ Diskussion überhaupt zu führen, zeigte die letzte TV-Sendung des „Club 2“, vom 25.11.09, auf ORF2. Alte Hasen (und eine alte Häsin), mit ihren stark und fest gefügten intellektuellen Konstrukten (Ausnahme Bahman Nirumand und Karim El- Gawhary) redeten, wie man so schön sagt, an einander vorbei, als es um die Frage nach dem Hass auf den „Westen“ ging. Wie sollten sie auch auf eine kommunikative Ebene finden, gingen doch alle davon aus, dass ohnedies jeder wüsste, was moralisch sei, weshalb man gar nicht darüber zu sprechen brauchte, was der Mensch bzw. die Menschheit, mit sich anfangen müsse, um das Richtige zu tun. Alle waren sich einig, dass die unzähligen Male (durch Jean Ziegler) erwähnten, statistisch erhobenen Opfer der „kannibalischen“ Weltordnung, „etwas Fürchterliches" seien; warum dem so ist, hinterfragte jedoch niemand – und das nenne ich die Moral verklärend.

Wenn sich die Menschen nicht einig darüber werden, warum das Verhungern von Millionen, bei gleichzeitigem Vorhandensein der Möglichkeit sie zu ernähren (um ein Beispiel zu nennen), ungerecht sei, können sie sich auch auf keine Lösung, auf intellektueller Ebene, einigen, um das Problem zu überwinden (nicht zu vergessen, dass Handeln ebenfalls notwendig ist). Man redet aneinander vorbei. Selbst Gesprächsteilnehmerin Barbara Kolm, vom Hayek Institut, wurde möglicherweise missverstanden, weil die Rahmenbedingungen des Verstehens nicht abgesteckt waren; auch wenn ihr beharrliches Statement, die freie Marktwirtschaft sei die Lösung aller Probleme weltweit, glauben lässt, dass Madame die letzten 20 Jahre in einem Sektglas in der Wiener Innenstadt verbrachte.

Will sich die Menschheit auf Lösungen weltweiter Probleme einigen, muss sie herausfinden und verhandeln, was vernünftig und was gerecht sei – erst dann kann sie handeln. Das Wissen darum, was vernünftig und was gerecht ist, nenne ich Moral. Nicht ein religiöser Kult, nicht ein Modetrend irgendeiner Jugendkultur, keine politische Bewegung, kein Wirtschaftskonzept können uns sagen was moralisch ist, ausschließlich Erkenntnis und Vernunft jedes/jeder Einzelnen.
Zuwiderhandeln zu dieser Moralfindung ist die echte Blasphemie gegen das Göttliche; denn es hat dem Menschen seinen Geist gegeben, um Erkenntnis und Vernunft zu finden; Kultur und Politik sind Sammelsurien diverser Geschmäcker und Ideen, sie haben keinen eigenständigen Geist, der denken könnte; und ein Wirtschaftskonzept soll ein Werkzeug sein, dass sich nicht zum Zweck verkehren lässt.

Dienstag, 17. November 2009

Arigona, Sokrates und H.C.

Vor über 2300 Jahren schrieb Platon seinen „Gorgias“, in dessen Dialoge sein Lehrmeister Sokrates die Redekunst der Sophisten als „Schmeichelwerk“ entlarvt, das ohne das Geleit von Kenntnis und Vernunft nicht nur wertlos, sondern ebenfalls gefährlich ist. Nebenbei erstellte er seine höchsten moralischen Gesetze, die im Grunde jene der „Christlichkeit“ (nicht aber des Christentums) vorwegnehmen. Moral beruht hierbei nicht auf sittlichen Empfindungen (wie sie es heute meist tut), sondern auf den Erkenntnissen der Philosophie.

2399 Jahre - und ein paar Zerquetschte - später, sitzt eine Gruppe von Diskutanten in der Live-Sendung „Im Zentrum“ des ORF, redet über die erwartete Abschiebung Arigona Zogajs und das damit verbundene Fremdenrecht bzw. Asylgesetz. Die Fakten, die gegen die aktuelle Asylpolitik der Regierung angeführt wurden, stammten nicht nur von Caritas-Präsident Franz Küberl oder Josef Friedl, dem Pfarrer von Ungenach und „Betreuer“ Arigona Zogajs, oder Alev Korun von den Grünen; ebenso Georg Kapsch, der Präsident der Industriellenvereinigung, der Bevölkerungswissenschaftler Rainer Münz, sowie der ÖGBler Rudolf Kaske fanden auf unterschiedlich Wegen und über verschiedene Aspekte zur Gewissheit, dass die gesamte Zuwanderungspolitik zugunsten von Einheimischen und Zuwanderern verbessert werden muss, und zwar per Kooperation, Partizipation und Gerechtigkeit im Sinne des Humanismus. Direkt oder indirekt wurde von beinahe allen Beteiligten die Abschiebung der Zogajs und ähnlicher Fälle abgelehnt und verurteilt.

Die heroisch-einsame Ausnahme stellte natürlich H.C Strache, Berufsrhetoriker und Chef der FPÖ, dar. Er bemühte sich über die ersten 10 Minuten um eine stoische, objektive Haltung, musste jedoch zunehmend in die bekannte Emotionalität verfallen, die er jedoch meisterhaft mit seiner Redekunst zu kanalisieren wusste. Doch auch seine Methode (neben dem üblichen Gekritzel ins Notizheft, das die KontrahentInnen verunsichern soll, während sie sprechen), Schlagwörter seiner Vorredner immer wieder aufzugreifen, um sie im Sinne seiner Meinung umzudeuten – in einem raschen Schwall skurriler Behauptungen – half nichts: Die logischen Argumente der übrigen, fach-kenntnisreichen Sprecher, die unwiderlegbaren Fakten, vernichteten den Sinn jeglicher Argumentation des Rechtspopulisten Strache – bis auf jene, dass das Bildungssystem zugunsten von Einheimischen und Migranten verbessert werden muss; was er allerdings thematisch und inhaltlich, vor allem von Alef Koruns kurz davor gehaltener Argumentation, letztlich kopierte. Zum Ende hin konnte der Stra-Che nur noch mit persönlichen Angriffen auf seine Gegenüber antworten, der Höhepunkt seiner Erbärmlichkeit, die sich vor der Kenntnis der ihm gegenübergestellten Expertise offenbarte. Das Licht der Vernunft vertrieb den Schatten des Volkshetzers.

Es zeigte sich, wie Platon bereits beschrieb, dass ein Rhetoriker wie Strache, der zwar Macht über die Kenntnislosen hat, weil er ihnen zu schmeicheln und sie zu verführen weiß, an den Kenntnisreichen scheitern muss. Da zeigt sich weiters die bisher zuwenig wahrgenommen Verantwortung der größeren Medien, sowie der Politik: denn die in der Diskussion angeführten Fakten sind bereits seit langem bekannt, doch werden sie dem Großteil der Bevölkerung, über dessen meist konsumierten Medien, nicht zugänglich gemacht. Kronen Zeitung und ORF schaffen es nicht zu bilden, lassen Informationen absichtlich oder aus Fahrlässigkeit unausgesprochen, die so wichtig wären, um die Verführungen der FPÖ- und andrer Demagogen einzudämmen.

Noch ein Effekt, der den in Sokrates wurzelnden Platonismus bestätigt, wird erkennbar: Es wurde in der Runde bestätigt, wie die Politik der Rechtspopulisten jenen schadet, die sie behauptet vor „denen da oben“ zu beschützen. In Wahrheit ist die Politik der FPÖ (und vergleichbarer Parteien) eine Interessenvertretung skrupelloser Pseudo-Eliten; die Mehrheit von den wesentlichen, politischen Themen ablenkend, das Lohnniveau der notwendigen Arbeitsimmigranten durch Kriminalisierung und Unterdrückung gering haltend, dem Staat und der Wirtschaft auf diese Weise schadend. Und im Grunde sagten alle Beteiligten damit aus, dass auch die Politik der aktuellen Regierung, die behauptet alles gegen die Wirtschaftskrise unternehmen zu wollen, vielmehr der Wirtschaft durch ihre Zuwanderungspolitik schadet! Und der Pfarrer Friedl weiß, dass eine Lösung für Arigona und die anderen Zogajs am tiroler Wahlkampf scheiterte. Der Gewinn an Macht wird alles Gute und jede Moral geopfert.

Die kenntnislose Redekunst, die nur darauf bedacht ist, Wählerstimmen zu erschmeicheln, ist dadurch genauso schädlich, wie Sokrates und Platon es vor so langer Zeit beschrieben. H.C Strache und seinesgleichen sind wie Zuckerbäcker, die sich als Zahnärzte ausgeben und dem Diabetiker Süßigkeiten verabreichen. Die Süßigkeiten des Rechtspopulismus schmeicheln dem Gaumen, aber schaden dem Kranken: Die Wahrheit kann den Kranken und den Rechtspopulisten heilen, doch meidet er ihre Schmerzhaftigkeit.

Hoffen wir nur, dass wir, die wir die von Sokrates entlarvte Gefahren der Schmeichelkunst erfahren, nicht, so wie er und sein Schüler Platon, den Niedergang unseres eigenen Staates miterleben müssen.

Zum Nachsehen der erwähnten Sendung gibt es diesen (hoffentlich aktuellen) Link!

Donnerstag, 12. November 2009

Per Fekter geht es nicht

Warum nicht? Weil ihr Gesicht das erstarrte Wesen dieser Republik Österreich passend symbolisiert. Politische Vernunft war seit Kaiserin Maria Theresia nicht mehr die Stärke des alten Österreich, und seit Dr. Karl Renner hat sich das neue Österreich redlich bemüht, den Ahnen in ihrer Größe an Dummheit nachzueifern. Der Fall Arigona Zogajs zeigt sowohl dies, als auch die heuchlerische Doppelmoral, die in einem Staate zur Hauptmaxime moralischen Handelns mutieren kann. „Selbstverständlich“ – auch wenn ich nicht weiß, ob sie es wirklich selbst versteht – gibt die Innenministerin und ihre KollegInnen Zugeständnisse an die Vernunft, wie beispielsweise „faire Asylverfahren“ garantieren zu wollen; wo aber Kinder in Schubhaft gesteckt, oder, wie Arigona und ihre Geschwister, damit bedroht werden, kann man nur von Fairness sprechen, wenn man am schizophrenen Selbstbild eines psychotischen Hollywood-Filmbösewichts leidet. Aber vielleicht ist das unter anderem der Grund, warum sich die österreichische Regierung so lange weigerte, Kindern offiziell die Menschenrechte zu zugestehen.

Neben mir liegt meine drei Monate alte Tochter und wenn ich mir vorstelle, dass sie, aufgrund welcher juristischen Floskeln auch immer, so wie Arigona, in ein für sie fremdes Land deportiert werden sollte, kann ich meine damit verbundenen Gefühle nur mit dem Wort Folter umschreiben. Wir müssen uns darauf einigen, dass menschliches Leid, sowie menschliche Freude, keine Nationalität kennt. Wenn eine Regierung mittels Gesetz, Menschen in ihrem Machbereich, wie auch immer geartetes Leid zufügt, und sich keine rationale Begründung dafür erkennen lässt, die dieses rechtfertigen könnte, dann sind sowohl Regierung als auch Gesetzt ungerecht in ihrem Handeln. Und wie man nach Cicero schließen kann, verliert ein ungerechter Staat seine Legitimität. Noch dazu ein Staat, der von positiver Zuwanderung abhängig ist.

Aber neben diesem philosophischen Detail zeigen die Untaten an Menschen wie Arigona auch, dass Österreich peinlich und beschämend ist. So toll wir uns auch selbst zeichnen mögen, in unserer bierbäuchigen Mitte Europas: Wäre unser Land zu personifizieren, so müsste man uns als lästernde, meckernde alte Schreckschraube bezeichnen, stets sich selbst erhöhend und über andere nur Schlechtes redend – am liebsten hinter deren Rücken, wenn man nicht gerade Geschäfte mit ihnen abzuschließen hat (siehe Osteuropa).

Eine alte Schlampe sind wir, die ihren staats-gesellschaftlichen Verfall nie verkraften konnte und dafür alle anderen verantwortlich macht; frustriert und lediglich vor zahlenden Gästen (also Touristen) unglaubhafte Heiterkeit mimend, hocken wir an unserer Wiener Mischung und sinnieren über die gute, alte Kaiserzeit, als wir wenigstens nur von einem einzelnen Idioten regiert wurden. Damals noch zur angesehenen Aristokratie und der dekadenten Gesellschaft Europas gehörend, hatte unsere eigene Ignoranz und Kriegslüsternheit (weil wir uns für die Stärkeren hielten) uns dem degenerierten Bruder in den Untergang namens Erster Weltkrieg folgen lassen. Seither sind wir den Adelsstand los, was einen Minderwertigkeitskomplex zur Folge hatte, an dem natürlich die Juden schuld waren und den wir, wieder mit dem degenerierten Bruder vereint, mit dem nächsten Weltkrieg kompensieren wollten. Das hatte uns entmachtete Fürstin zur Nazi-Schlampe werden lassen, und als die Nazis fort waren und wir den siegreichen Alliierten schöne Augen machten mussten, um nicht im Einflussbereich des Stalinismus zu verschwinden, waren wir nicht nur entmachtet, gedemütigt und besiegt, sondern auch völlig unsicher wem wir nun unserer Loyalität schenken sollten.

Neutralität hat den Vorteil, dass man sich dem loyal zeigen kann, der einem gerade das bessere Angebot macht – und diese Prostitution führen wir fort. Menschenrechte, Demokratie, Vernunft und Aufklärung, selbst Christlichkeit; auf all dies machen die durchschnittlichen, regierenden (und nicht-regierende) PolitikerInnen einen großen Haufen rot-weiß-roten Dungs, wenn es der persönliche Vorteil gebietet - und das, obwohl dieses Land, ohne das einstige Mitgefühl und das Verzeihen anderer Völker, heute wohl auch ein wirtschaftlicher und zivil-kultureller Zwerg wäre (und nicht nur ein geografischer und moralischer). Wir sind ein keifender, ex-aristokratischer, alter Ex-Nazi, der seinen Frust über den selbst verschuldeten, einstigen Niedergang nun nicht mehr an Juden, Homosexuellen, Zigeunern und Intellektuellen offen abreagieren kann, weshalb nun all die anderen Minderheiten das Ohr voller Hass bekommen – selbst wenn wir dabei riskieren, den zwergenhaften, wieder gewonnenen Wohlstand an Kultur und Moral, erneut in den braunen Dreck zu versenken.

Das dem so ist, spiegelt sich im klaren Fall Arigona Zogajs wieder, symbolisiert durch die hämisch grinsende Fratze der Innenministerin. Perfekter geht es nicht in den kulturellen Abgrund – Per Fekter durchaus.

Die Innenministerin und ihre KollegInnen können ihre Unvernunft und Unmenschlichkeit nicht mit Gesetzten entschuldigen, die sie selbst schufen. Und Österreich kann sich nur vom Wesen, des ex-kaiserlich, faschistoid-verkalkten wie auch senilen Opportunisten der nationalen Arroganz, nur dann lösen, wenn die zu seiner Fratze passenden Menschen aus den Machtebenen des Landes verschwinden.

(der Text wurde im Nachhinein ["...alter Ex-Nazi"] geändert, um die Nazi-Schlampen dieser Welt nicht allein als Sündenbild zu gebrauchen.)