Sonntag, 25. Oktober 2009

100000 Euro: Materialismus gegen Idealismus.

Aus dampfenden Feuerhallen der Uni-Wien heraus getreten, und selbst immer noch dampfend: In dieser holden Zeit, und gewiss die Jahrhunderte vor dieser hindurch, sich stapelnd, funktionalisierend zu seinen Höhepunkten hin, wird der Materialismus als Ideal verstanden und als „das Finanzielle“ umschrieben. Die Anbeter des Finanziellen sagen nun, dass durch die jüngsten Proteste der StudentInnen an österreichischen Unis, vor allem im und um das Audimax in Wien, Schäden im Umrechnungswert von 100.000 Euros entstanden.

Doch zum Einen ist das ein lächerlich geringer Betrag: Jede österreichische Bank kann ihn im Bruchteil einer Sekunde verspekulieren, ehe sie vom Steuerzahler errettet werden muss. Zum Anderen handelt es sich nicht um einen „Schaden“, sondern um eine Investition in die studentische und demokratische Kultur, die in den letzten Jahrzehnten so stark beschädigt wurde. Man kann es als Refinanzierung betrachten, als Nutzungs- und Abnutztungskosten, die der Staat übernimmt und wofür die StudentInnen zusätlich und gratis an Problemlösungen für die Universitäten arbeiten. 100.000 Euro für eine solche, österreichweit wirksame Kulturförderung ist äußerst günstig (Die Salzburger Festspiele beispielsweise bekommen weit mehr und kultivieren weit weniger Menschen, und wenn, dann für eine Kultur der Bonzen und Bonzinnen – Kaviar und Sekt im Geländewagen). Minister Hahn und seine Kollegen sollten sich freuen.

Worin liegt nun die Diskrepanz, die bei manchen ein Missverständnis für solche Studentenproteste und Uni-Besetzungen auslösen könnte, und die manche Pseudozeitungen für Sensationsgeile und geistig Verarmte dazu veranlassen, sämtliche Protestierende automatisch als links-Linke zu verunglimpfen? Antwort: Die Politik ist schuld. Ja, wirklich. Die politische Kultur hat sich selbst verunmöglicht, weil Hahn & Co lediglich materialistisch denken und argumentieren können und es gerade deshalb nicht schaffen, den Erfordernissen des Materialismus gerecht zu werden. Gleichzeitig wurde der Begriff, der dem Idealismus zugrunde liegt, das Ideal, die Ideale, im Sprachverständnis zu einem Synonym für Aberglauben. Menschen mit Idealen seien nicht realistisch, heißt es. Doch sind Ideale die Produkte der auf Vernunft basierenden Philosophie – und was wäre der Bildungsminister ohne diese? Seiner Masken entledigt vermutlich. Das Finanzielle, das Minister aller Farben jedoch als ihr einziges Maß betrachten, entsteht in seiner Betrachtung aus einfachen Notwendigkeiten, deren Erfüllung den IdealistInnen – die das Audimax für ihre Ideale besetzten – dienen sollte. Es war nie dazu gedacht, und wahrlich meine ich gedacht, dass die Ideal-Produzenten eines schlimmen Tages dem Materiellen zu dienen hätten. Und doch: Dieser schlimme Tag liegt längst hinter uns und die Politik hat es nicht verstanden, hat nicht verstanden, dass es ohne Ideal keinen Sinn für das Material, das Materielle gibt. Ohne IdealistInnen – wie jene protestierenden „links-linken“ StudentInnen – gäbe es nicht einmal „das Finanzielle“ selbst und vor allem keine sinnvolle Finanzierung.

Das Materialisten ohne Ideale nur sich selbst oder zumindest anderen Schaden zufügen (der weit über 100.000 Euro liegt), beweist die Wirtschaftskrise, die ein Heer gedankenloser Ex-Akademiker-Affen mit billigsten Casino-Spielchen sich schaffte. In Österreich lautet die politische Devise: Zuerst wird gespart und dann schauen wir, welche Qualität übrig bleibt. Das ist Unsinn, denn wenn man in mehrern Schritten auf das hehre Ziel qualitativ hochwertiger Universitäten zugehen will, sollte der erste Schritt nicht den zweiten unmöglich machen.
Zuerst muss man sich fragen, wie man die Universitäten besser machen kann und danach, wie man diese Verbesserung finanzieren kann. An etwas anderes sollte man erst denken, wenn man keine andere Wahl hat. Österreich ist die Wahlfreiheit gegeben und es ist deshalb unnötig die letzte Wahl zur ersten zu machen. Wenn der Körper das Gehirn steuert, fällt der Körper auf die Schnauze und das Gehirn verhungert.

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