Montag, 29. Juni 2009

Nationalismus ist Gift für Volksmusik

Man muss kein Ire sein, um irische Musik zu lieben und ausgerechnet der Song „(Dublin In) The Rare Auld Times“ geht bei mir gut rein und raus, auch wenn darin lediglich darüber gejammert wird, dass früher alles besser gewesen wäre – dies jedoch als Empfindung einer Einzelperson und zudem auf höchsten Jammer-Niveau.

Wer die Lyrics kennt wird verstehen, dass es mich nicht sehr verwunderte, als ich auf „YouTube“ dieses Lied (in der Flogging Molly Version - ich bevorzuge hierbei die Dubliners, mit der wunderbaren Stimme von Luke Kelly) in Zusammenhang mit rassistisch-nationalistischer Propaganda entdeckte. Rassistisch, weil zur Musik Menschen gezeigt wurden, die äußerlich nicht unbedingt dem irischen Stereotyp entsprachen, also nicht „alteuropäisch“ aussahen. Auf diese Weise wurde unterstellt, dass die guten alten Zeiten vorbei seien, weil im heutigen Dublin so viele „Fremde“ leben würden, und damit wieder, dass asiatisch oder afrikanisch aussehende Menschen nicht irisch sein könnten: Eine Nation, eine Ethnie – so die realitätsfremde Ideologie.

Das ausgerechnet in einem multikulturellen Eintopf wie Irland: Einer Insel, die seit seiner frühesten Siedlungsgeschichte von den unterschiedlichsten Völkern angesteuert wurde – wie die meisten europäischen Regionen. Und das ausgerechnet unter Missbrauch eines herrlichen Folk-Songs. Da kann einem die ganze Folk-Nostalgie vergehen und in Übelkeit umschwenken.

Gerade deshalb ist es wichtig, dass kulturelle Traditionen eines Landes, einer Region nicht in den schmutzigen Händen wahnsinniger Nationalisten verbleiben – Bereits zu lange ist dies das ungesunde Verhalten von Gesellschaften, die Nationalismus mit Patriotismus mit Traditionsbewusstsein verwechseln. Volksmusik, Folk ist nicht die Musik des Staatsvolkes und ist auch keine Nationalmusik, sondern die Musik der Völker, die sich aus ihren jeweils lokalen musikalischen und erzählerischen Traditionen heraus weiterentwickelt. Volksmusik steht meist auch als Gegensatz zur bevorzugten (prestigeträchtigen) Musik der etablierten Eliten und Herrscherklassen, also gegenüber den eigentlichen Initiatoren nationalistischer Staatsideen.

Ein Volk kann sich nicht ohne andere Völker bilden und ohne die natürliche, kulturelle Vermengung und Wechselwirkung dieser Völker gebe es keine reichhaltige Volksmusik, die wir heute schätzen könnten, wenn sie nicht, vielfach und gerade in unseren Landen, durch verblödete Nationalisten und deren kranke Interpretationen besudelt wären. Der einschränkende, ausgrenzende Nationalismus ist letztlich das tödliche Gift jeder Kunstrichtung, aber gerade in der Volksmusik so wirksam, weil wir diese zu oft in den Krallen jener falschen Patrioten vergessen. Gerade wenn das Jungvolk mehrheitlich dem Nationalismus skeptisch gegenüber steht, darf es mit diesem nicht auch das ablehnen, was die Nationalisten einst propagandistisch und gewaltsam an sich rissen. Folk und Volksmusik gehören dem Volk, vielleicht sogar allen Völkern, und nicht den einzelnen politischen, ideologischen Gruppen von Rassisten, Nationalisten oder gar Faschisten. Jodelt für die Freiheit!

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