Samstag, 4. Oktober 2008

Gemeines über alte Menschen

Nichts gegen alte Menschen; ich kenne einige alte Menschen, die mehr als schätzenswert sind; viele davon sind bereits so alt, dass sie mittlerweile tot sind.
Aber was ich wirklich nicht mehr hören kann, ist diese überhebliche Besserwisserei von Menschen, deren angehäufte Lebensjahrzehnte ihr schlechtes Gewissen gleichsam anfüllten, wie der Kalk die Arterien. Menschen die alles Mögliche von sich geben, um von den Schuldgefühlen ihrer Generation abzulenken.
Vermutlich sind das vor allem jene Menschen, die tatsächlich am jeweils destruktiven Mainstream ihrer Zeit beteiligt waren – so wie dies in Zukunft die heutigen FPÖ/BZÖ-Wähler gewesen sein werden. Wobei: In 50 Jahren, wenn die Geschichtsbücher voll mit den Schwachsinnigkeiten der Jahrtausendwende voll geschrieben sind, wird's keiner gewesen sein wollen. Nein, ich hatte niemals Viva Strache gerufen, ich war nicht dabei, ich bin sowieso niemand. Egal…

Das Thema sind alte Menschen. Alte Menschen die sich kleiden und sprechen wie meine Großeltern, obwohl sie 20 Jahre jünger sind als diese und einer ganz anderen Generation angehören. Alte Menschen die vor allem auf die jungen Studierten keppeln, als hätten sie ein Radar für Akademiker, obwohl sie in ihrem ganzen Leben noch keinen Campus von … überhaupt geschaut haben. Die meisten alten Suderer, die glauben, dass die Multikultur eine böswillige Erfindung linker Studenten sei, wissen überhaupt nicht, wo sich die Universitäten in ihrer Stadt befinden. Aber die Studierten sind überall.

Von solchen Menschen muss man sich dann anhören, dass man keine Ahnung von Leben hätte und einmal was gescheites arbeiten solle, als immer nur Bücher zu lesen und außerdem, werden Sie erst einmal so alt wie ich, bevor Sie mitreden – Und das, obwohl sich die alte Suderpartie stets in das Gespräch anderer Leute einmischt.
Natürlich muss man Mitleid haben, mit all den armen alten Menschen, die es nicht besser wissen, deren Leberzirrhose und Gehirnversagen von einem versoffenen Dasein zerren, die noch nie etwas anderes gesehen haben, als den Tellerboden ihrer Gulaschsuppe und deren gestörtes Selbstvertrauen sie zwingt auf alle Anderen zu schimpfen (vor allem auf alles Fremde).

Doch es fällt schwer. Diese Menschen halten demokratische Wahlen für die Liga der nationalen Minigolfvereine, wählen jedenfalls dagegen und sagen dann einem Menschen, der sich wenigstens ein bisschen Denkarbeit vor den Wahlen antut, er hätte ja keine Ahnung (vom Leben). Menschen die ihr ganzes Leben lang in einer, vielleicht zwei unterschiedlichen Ortschaften hausten, in ein und der selben bescheuerten Fabrik, in ein und dem selben Unternehmen oder Büro arbeiteten und deren einzige Reisen als Cluburlaube an mediterrane Tourismus-Strände führten, sagen einem – weil man jung ist und zu viele Bücher liest – dass man keine Ahnung hätte, vor allem nicht von Politik. Und einige Junge sind bereits infiziert: Realitätsverweigerer wird man genannt, wenn man die Realität eines kleinen Kaffs – das sich auch innerhalb einer Großstadt befinden kann – nicht als einzige Realität wahrnimmt.

Meine Generation ist gezwungen, innerhalb von 5 Jahren in mehr unterschiedlichen Jobs tätig gewesen zu sein, als durchschnittliche Siebzigjährige es in ihrem ganzen Leben waren – nur nennt man uns nicht mehr Arbeitnehmer, sondern Prekariat, was gerade für so genannte Studierte gilt, die eh nix arbeiten.
Während die älteren Generationen den Aufstieg erlebten, erleben wir den Abstieg – und den Niedergang, den wir unter anderem ihrem braven, gutbürgerlichen, unreflektierten Aufwärtstreben verdanken. Natürlich geht das mit dem Kapitalismus immer so weiter. Nein, die in Afrika werden sich schon nicht beklagen …
Ehe man die Leichterscheinungen anderer Lebenswelten bemerkt, ist man Siebzig und erkennt, dass die eigene Generation an der Verseuchung des Planeten und der Demontage des globalen Klimasystems maßgeblich beteiligt war. Da muss man sich schnell etwas einfallen lassen, denn die Tatsache, dass immer mehr Menschen keine Kinder in eine solche Welt setzten wollen, bringt gerade Pensionisten ganz schön ins schwitzen.
Aber man kann immer noch den Ausländern die Schuld zuschieben (gerade den jüngeren) und wenn nicht diesen, so spaziert man durch Straßen und Straßenbahnen und meckert über Umweltschützer, Aufklärer und Studierte.

Leider erkennt man: Diese Alterserscheinung will einfach nicht aussterben; die Würde des Alters ist offenbar genauso wenig angesagt, wie der Geist der Aufklärung unter den Jüngeren (die ja auch irgendwann keine Pension mehr erhalten).

Aber natürlich betrifft das nicht Alle, auch wenn es Alle betrifft.

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