Montag, 29. September 2008

Nationalratswahl 2008: Nun heißt es Nasen nehmen!

H.C Strache, der Enrico des politischen Am dam des in Österreich, braucht nicht viel machen – er muss nur besonders laut brüllen: Ich sage nichts aus, ich singe lieber! Schon hat er die so genannten Politikverdrossenen eingesackt. Weil er manchen aber doch ein wenig zu burschen(sc)haft lautstark war, entschieden sich vor allem die gemütlichen Kärntner, für ihren gemütlichen Star des Rechtsextremismus: Jörg „Ich habe meine eigene Verfassung“ Haider.

Die Wahlbeteiligung war jedoch nicht sehr hoch - sagt man - und für über 96 000 WählerInnen war der Stimmzettel ein Kreuzworträtsel.

Mit dem Versprechen, dafür zu sorgen, dass es den „Anderen“ schlechter geht, als den „Unseren“ - wenn man schon keine Verbesserung der „Unseren“ anbieten kann (wer auch immer wer sein mag) - fährt man quasi gratis. Den „Anderen“ geht es nähmlich bereits schlechter. Abgesehen davon bieten die Deutschnationalen und Pseudonationalisten des erstarkten BZFPÖ-Blockes, den WählerInnen etwas Entscheidendes: Den Sturm auf die Bastille, die Rache am Staat (meint Republik, meint Demokratie, meint Rechtstaat, meint Humanismus - Humanisten meint in den Augen jener "Realitätsverweigerer". Ja wenn man sich das Wahlergebnis so ansiehtm könnten sie recht haben).

Diese Rachlust hängt vom Aufklappen einer gewissen Schere ab. Die Reichen raffen zusammen, was von den internationalen, selbst verschuldeten Krisen der Finanzwirtschaft übrig geblieben ist; die Armen verlieren immer mehr Perspektiven an ein schwarzes Loch, das mit CERN jedoch nichts zutun hat; die Mittelschicht wird ausgedünnt. Der Großteil der Österreicher wird ärmer, am Horizont der Globalisierung brauen sich Gewitterwolken zusammen. Irgendjemand hat in den letzten 400 Jahren nicht brav aufgegessen, während andere hungerten.

Schuld sind die Eliten, die man zugleich beneidet – weshalb man mit der Schuldfrage ans andere Ende der Gesellschaft geht, zur Unter-Unterschicht, zu jenen, die angeblich nicht einmal Teil der Gesellschaft sind.
Der Minderwertigkeitskomplex macht wütend und schüchtert zugleich ein. Was macht ein Mensch, der wütend vor Angst ist? Er beginnt nach aggressiven Lösungen zu suchen. Da Österreich aber nicht zu jenen Ländern gehört, in denen die internationale Waffenlobby bluttriefende Geschäfte mit solchen wütenden Ängsten machen kann, sucht man sich eine verbale Waffe. Genau, den Affen der am lautesten brüllt und mit Ästen um sich wirft, ein Verhalten, für das sich andere Affen zu fein sind.

Man wächst in einer Gesellschaft auf, in der einem beigebracht wird, dass Geld den Wert des Menschen definiert. Nun kommen viele drauf, dass sie kein Geld haben. Was nun? Andere haben's ja auch.
In der Innenstadt shoppt sich die Anhängerschaft der Spitzenmanager zu blöde – welche selbst dann geldverwöhnt sind, wenn sie nicht erfolgsverwöhnt sind – fährt in Zeiten der höchsten Spritpreise riesige Geländewaagen und erwartet den Friedensnobelpreis, wenn sie einmal im Jahr ans Rote Kreuz spendet.
Die Künstlerelite feiert sich selbst beim Sektbrunch und dealt dort mit Kunst, deren Ziel die größtmögliche Auffälligkeit ist und die nur jene Menschen verstehen können, die mit ihr sehr viel Geld verdienen; auch wenn das bedeutet, Hubschrauber aufs Kreuz zu werfen, einen gigantischen Penis ins Stadtzentrum zu stellen oder ein Haus verkehrt auf ein anderes zu platzieren. Der Entertainment-Adel feiert und verwirklicht das Abbild seiner Gelangweiltheit.
Die Intellektuellen hingegen sind von Natur aus sehr leise und sie verstehen viel von Vielem, allerdings nicht, dass andere ihr kluges Geschwätz manchmal nicht verstehen – was ebenfalls ein Gefühl der Minderwertigkeit (oder Einsamkeit) hervorrufen kann, deren nachfolgende Überheblichkeit allerdings Hornbrille statt Springerstiefel trägt.

Das ist alles nicht neu? Stimmt. Genau das ist das Problem unseres Zeitgeistes, der stagniert so zusagen, im Einklang mit dem Wirtschaftswachstum. Wachsen kann heutzutage nur noch eine Wirtschaft, die – bitte um Verzeihung – auf alles scheißt; mit 180 Millionen entrechteter Wanderarbeiter beispielsweise. So etwas hätten Strache & Co auch gerne; nicht die entrechteten Wanderarbeiter aus China, aber die entrechteten Immigranten aus Europa durchaus – die kosten den Lobbyfreunden von Strache & Co. nähmlich weniger Lohn. „Wanderarbeiter“ haben die Republik II auch bisher sehr schön mit aufgebaut.

Dass der „kleine Mann“ – der mit dieser Bezeichnung seltsamerweise einverstanden ist (siehe Minderwertigkeitskomplex) – nicht begreifen kann, dass er mit BZFPÖ gegen sich selbst und seine eigenen Arbeitsplätze wählt, wundert mich nicht. Das ich begreife ich selbst nicht.
Wie viele blicken lieber in H.C’s graublaue Augen und lassen sich mitreissend von Heugabeln und Fackeln erzählen, als auch nur einmal einen Blick in sein Parteiprogramm zu werfen – Und mit Parteiprogramm meine ich nicht den blauen Wahlkampf-Flyer.

Die Wütenden und Ängstlichen wollen sich nicht mit Inhalten auseinandersetzten – weshalb auch niemand die Grünen protest-gewählt hat. Man lebt von einer mickrigen Pension, von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder arbeitetet in prekären Jobsituationen.
Es ist auch völlig egal, ob viele „Studierte“ sich in einer ähnlichen Situation befinden. Die Akademiker seien etwas Besseres, würden in einer anderen Welt leben und wären „Realitätsverweigerer“, raunt es unter jenen, die durch die Geldwertgesellschaft beigebracht bekamen, dass sie der Abschaum wären.
Der Abschaum, das Prekariat, Les Misérables: Sie werden sich nicht mit Inhalten auseinandersetzen, auch nicht mit vernünftigen Argumenten. Sie wollen endlich einmal zu den Gewinnern gehören, selbst sie wenn eine Partei wählen müssen, von der es heißt, das sie rechtsextrem, subtil faschistoid (manchmal auch weniger subtil faschistoid) sei. Was bedeutet rechtsextrem? Ich will die Bastille stürmen. Die Bastille ist bereits unser? Davon habe ich noch nichts gemerkt.
Wenn man Menschen zum Abschaum erklärt, darf man sich nicht wundern, wenn dieser Abschaum eine Tages überschäumt.

Wir dachten, dass der verhältnismäßige Wohlstand ausreichend wäre, um die Menschen ausreichend zufrieden mit unseren demokratischen, humanistischen Wertvorstellungen zu machen. Aber selbst wenn man sich hierzulande nicht mit Waffengewalt den Schädel einschlägt, gibt es dennoch Konflikte, die sich nicht dadurch lösen lassen, indem man säuselt: Aus! Die FPÖ ist pfui, die dürft ihr nicht wählen.
Die Protestwähler nehmen es in kauf, sich in die rechtsextreme Ecke zu stellen, es ist ihnen bereits egal, ob sie zu den „bösen“ Rechten gehören. Hauptsache ist, nicht zu den Schwachen zu gehören, das Gefühl zu haben, dass die Wut einen irgendwie vorwärts bringt, egal wohin - nur woanders hin.

Und auf die Intellektuellen hat man noch nie gehört und das ist das eigentliche Dilllemma. Die Elenden verstehen nicht, dass nicht alle Menschen nur studieren, um sie später abzuzocken.
Die Intellektuellen sprechen von Umweltschutz und Gleichberechtigung und werden belächelt; manche Christen sprechen von Nächstenliebe und Geschwisterlichkeit und werden belächelt; Andere warnen vor Maßlosigkeit und Kapitalismus und werden ignoriert oder beschimpft. Heute sehen wir einen Teil der Folgen.

Die überschnelle Klimaveränderung lässt sich nicht mehr ignorieren, der Feinstaub steckt uns in den Schleimhäuten, die Börsen-Casinos stürzen die Weltwirtschaft ins Chaos und die Mittelschicht wird nach und nach in superreich und superarm zersplittert - Die Rechten werden gewählt.
Aber hört man wenigsten jetzt auf Menschen, die von Gerechtigkeit, Umweltschutz, Maßhaltung oder Ressourcenteilung sprechen? Was haben wir falsch gemacht? Sprechen wir letztlich doch eine andere Sprache? Müssen wir uns nicht auch als Minderheit integrieren? - Oder sollen wir von der Masse verlangen, sich doch bitte etwas besser zu bilden und ein Fremdwörterlexikon zurhand zu nehmen, wenn sie nicht alles versteht?

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