Dienstag, 26. August 2008

Dont Eat The Rich

Die Senkung bzw. Halbierung des Mehrwertsteuersatzes auf Lebensmittel sei sozial nicht Treffsicher, sagt der Wirtschaftsforscher Baumgartner dem Ö1 und der Direktor der Wiener Wirtschaftsuniversität lässt bedenken, dass von einem Wegfall der Studiengebühren ebenso vor allem die Menschen aus höherer Einkommensschicht profitierten. Also ich habe keinen Hader mit reichen Menschen, die hierzulande angeblich eine Minderheit darstellen, es sei denn sie verstellen mit ihren amerikanischen Riesenschlitten die Parkeinfahrt.
Warum also diese repressive Einstellung gegenüber Besserverdienenden, diese Missgunst gegenüber jeglichen Vorteilen des Reichseins? Der WIFO-Mann erkennt es vermutlich sehr richtig, wenn er feststellt, dass reiche Menschen mehr Geld für Lebensmittel ausgeben (können) bzw. teurere Lebensmittel sich leisten können und daher von einer Steuersenkung auf selbige mehr profitieren würden; aber bedeutet das, dass Menschen mit geringeren Einkommen deshalb nicht ebenso profitieren würden, auch wenn der reduzierte Betrag bei ihrem Standard-Nahrungseinkauf geringer ausfiele - es ist ja auch nicht so, dass Besserverdiener ein tägliches Kaviarbad nehmen und sich nur von der in diesem Zusammenhang oft erwähnten Gänseleber ernähren (was im übrigen nur Tierquäler und Barbaren machen)?
Und ist es nicht so, dass die unteren Einkommenschichten deshalb vermehrt Diskontangebote nutzen, gerade weil die Lebensmittel so teuer sind? Welchen Schluss sollen wir aus solch einer Feststellung ziehen – eine im Sinne der FPÖ oder des BZÖ: Wir wollen euch Arme zwar entlasten, aber doch nicht zum Vorteil eurer Erzfeinde, den bösen Reichen! - zumindest nicht im Wahlkampf.
Die Werbung arbeitet mit ähnlichen Mitteln: Die Reichen sollen sich nicht freuen, also rubbelt Lose und werdet selbst zu reichen Säcken (oder macht die österreichischen Lotterien wenigstens reicher).

Auch bezüglich der Studiengebühren argumentiert man gegen die Oberschicht. Diese könne sich die Studiengebühren ohnedies leisten und Menschen mit geringerem Einkommen würden sie ersetzt bekommen, sodass die reiche Minderheit die ärmere Mehrheit per Umverteilung unterstützt – sofern alle Familienverhältnisse so aussehen, wie wir sie uns gerne vorstellen:Die Grafenfamilie von Goldlöffel lies all ihre 25 Sprösslinge an der Universität Wien immatrikulieren, von denen jeder innerhalb der Mindeststudiendauer erfolgreich seine Diplomarbeit abschloss.

Mir ist es eigentlich Tofuwurst, ob ein reicher Anwalt seinem studierenden Kind 363,36 im Semester zahlen muss oder nicht, dem reichen Anwalt vermutlich ebenso. Nicht egal ist so ein Betrag all jenen, die aus bürokratischer Sicht nicht in den Genuss eines Stipendiums gelangen, denen die Studiengebühren nicht ersetzt werden, weil sie es wagten sich aus eigener Kraft über die Armutsgrenze zu erheben oder weil sie einfach gerne ausprobieren wollte, welches das richtige Studium für sie ist, ehe sie sich festlegen. Für Freigeister haben wir kein Geld, wir produzieren Akademiker.

Ich gewinne den Eindruck, als ob sich eine gewisse (politische) Elite mit aller Kraft der Unterschicht in den, von Billignahrung ganz irritierten, Anus kriechen möchte; Reichsein wird als etwas Lasterhaftes skizziert, dem man mit kleinen Umverteilungen von geringen Beträgen entgegenzuwirken sich immer wieder vornimmt. Die Einkommensschere hat mittlerweile eine Schraube locker. Die reiche Minderheit – (wie viele gibt es tatsächlich aus dieser Schicht, unter den Studierenden, die genauso viel zahlen, wie die ärmere Mehrheit angeblich nicht zahlen muss) – als vorgeschobene Zielscheibe für die Besserungswünsche einer Republik, für deren Teuerung und Verschuldung einmal die Globalisierung, dann wieder der drohende Ausfall der Studiengebühren oder die steuerliche Entlastung verantwortlich ist.

Wie glaubwürdig ist ein Kapitalismus in dem man vorgibt den Reichen nichts zu vergönnen; Maßnahmen nicht zu setzen, weil sie viel mehr den Reichen zugute kämen. Ich verstehe die vielen prozentualen Bedenken und Berechnungen, die aussagen, die eine oder andere Maßnahme wäre sozial nicht treffsicher oder die niedrigen Einkommen würden zu wenig profitieren, so sie keinen Sinn mache. Diese moltersche "Gänseleber"-Ausrede halte ich für ein schlechtes, ein rein populistisches Argument. Die Reichen werden IMMER von steuerlichen Begünstigungen und von ähnlichen Maßnahmen stärker profitieren, weil sie mehr Kapital haben diese für sich zu nützen; sie können immer mehr investieren, als Ärmere; ob es nun der Wirtschaft gut oder schlecht geht. Deshalb nennt man die einen Reiche und anderen Arme. Wird es leichter, so werden sich die Reichen noch mehr an der Bereicherung erfreuen können und wird es schwerer, so können sie die Belastungen am besten verkraften - das ist keine böse Absicht, sondern liegt in der Natur des Reichtums, der in einem kapitalistischen System gestattet sein sollte. Ich bin selbst kein reicher Mensch, aber dafür können die Hausbesitzer in meiner Nachbarschaft auch nichts dafür.

Ich habe einen Freund, der bekommt nicht nur mehr Geld, wenn er weniger arbeitet, sondern hat dadurch auch noch Zugang zu einer größeren Wohnung. Umverteilung zur sozialen Gerechtigkeit hin ist eine schöne Sache, aber dabei sollten wir nicht kleinkariert bleiben und uns beispielsweise die Sache mit der Schenkungssteuer lieber noch einmal genauer ansehen, deren Abschaffung jene Parteien unterstützten, die sich jetzt über Faymanns Steuererleichterungen im Lebensmittelhandel lustig machen. Vor allem sollten wir die Menschen nicht nach ihrem Elternhaus und deren Einkommen beurteilen: Man sollte weniger die Reichen als Ausrede hernehmen, dass andere nicht ebenso reich sind, als dafür sorgen, dass wieder mehr Menschen in diesem Land in den Genuss kommen, als Ausrede hergenommen werden zu können.

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