Dienstag, 1. Juli 2008

Alter beruhigt

Wir haben Glück! Da die Energie-Unternehmen den eigenen Konsumenten nicht das Genick brechen wollen, wird es in Zukunft wahrscheinlich nicht dauerhaft mit den Öl-Preisen aufwärts gehen – meint beispielsweise Bankmanager Walter Rothensteiner. Und auch Bundespräsident Fischer kann die Österreicher beruhigen, denn das Fazit seiner Unterredung mit Vize-Kanzler Molterer ergibt: Gusenmanns und Faybauers Liebesbrief an die Kronen Zeitung und das daraus resultierende, erneute Krisenhoch in der Regierungskoalition hätte überhaupt keine Folgen. Zu all diesen guten Nachrichten wirkt sich wohl auch das Ende der Fußball-EM 2008 generell beruhigend auf die Bevölkerung der Gastgeberländer aus. Die Deutschen haben nicht gewonnen und die in den Kreisen der Beobachter von deutschen Fangruppen bereits sprichwörtlich gewordene „deutsche Überheblichkeit“ wurde dadurch nicht gesteigert; in Kombination mit der unverständlichen Einstellung, nach der Niederlage gegen Spanien sauer auf die Österreicher zu sein, sobald diese sie, angesichts ihrer Spottlieder gegen den siegreichen Finalgegner, daran erinnern, wer besser gespielt hat, hätte diese Überheblichkeit möglicherweise dazu geführt, das einige Fangrüppchen das Parlament besetzt, auf die österreichische Fahne uriniert und das Sisi-Museum geschändet hätten. Wen wundert es also, dass sich viele Österreicher über einen Sieg der Spanier freuten. Das hat – wie ich mittlerweile erkannte – weniger mit einer generellen Zwietracht mit den Deutschen zu tun, als mit praktisch orientiertem Opportunismus: Als Deutschland gegen die Türkei gewann, waren einige besonders glatzköpfige Österreicher mit einem Mal unter den feiernden Deutschen zu finden. Und wen wundert es? Über Jahrzehnte hinweg haben sich die Österreicher daran gewöhnt, bei jedem größeren Fußballturnier einer anderen Nationalmannschaft als der eigenen ihre Herzen zu leihen und das die Deutschen selten mit solcher Gunst bedacht werden ist nicht unbedingt richtig. Ein Problem das zwischen Österreichern und Deutschen – gerade in der Fanmeile – bestand, war der simple Umstand, dass man beinahe dieselbe Sprache spricht und dadurch gewisse Schwachsinnigkeiten nicht überhören konnte. Das erinnert an die Geschichte von der Einführung des Babelfisches, in Douglas Adams „Per Anhalter durch die Galaxis“: Kaum war das multiuniversale Übersetzungstierchen erfunden und jeder konnte jeden verstehen, kam es zu einem explosionsartigen Anstieg gewaltsamer Konflikte im Universum. Hätte ich jedes polnische, kroatische, niederländische Fangrüppchen übersetzen können, hätte ich vermutlich längst die Stadt verlassen.

Apropos Polen: Dessen Staatspräsident – jene Hälfte des Kaczyński-Zwillingspaares die man noch nicht wegen Korruption drankriegen konnte – weigert sich nun den Vertrag von Lissabon zu unterzeichnen, nachdem ihn die Iren ebenfalls nicht wollten. Im Gegensatz zu den Inselbewohnern entscheidet in Polen ein einziger Mann über die Ratifizierung, denn das Parlament und Ministerpräsident Tusk können ihn nicht zur notwendigen Unterschrift zwingen. Aber auch dieser nächste Schritt zum endgültigen Abschied von der EU-Verfassung hat etwas Beruhigendes an sich. Immerhin wissen wir, das alles beim alten bleibt und Europa das ist, was es immer wahr: Ein ungeeinter Haufen von Nationalstaaten die sich jeweils als Mittelpunkt der Welt verstehen. Wen wundert da die EU-Skepsis, haben die Verantwortlichen doch verabsäumt, neben den „neoliberalen“ Projekten zur Wirtschafts-Zusammenarbeit, Themen, die über ökonomische Fragen hinausgehen, verstärkt zu kommunizieren, was ja bereits die Präambel des Vertrages von Lissabon zeigt. Genauer betrachtet geht es um Geld-Wirtschaft und Währungspolitik als wichtigste Themen der EU. Und während sich die Slowakei und Ungarn, dank des Erfolges rechtspopulistischer Demagogen, deren Aufstieg u.a. auf den schwachen Charakter der EU zurückzuführen ist, über ihre gemeinsame Geschichte zerstreiten, spricht ein WIFO-Experte davon, dass die österreichischen Bauern stärker auf die Rohstoff-Börse setzen sollten – auch wenn Rohstoff-Spekulationen mitverantwortlich für die weltweite Lebensmittelkrise sind, die, wie wir uns in Erinnerung rufen dürfen, noch nicht zu Ende ist, nur weil die Massenmedien nicht mehr über sie berichten.

Auch in Italien kehrte alles zum Alltag zurück. Der Regierungschef dieses EU-Mitgliedslandes beharrt nun weiterhin auf Amnestie bzw. die Aussetzung von Gerichtsverfahren gegen Spitzenpolitiker. Zufällig läuft gegen ihn selbst gerade ein Korruptions-Verfahren, dass dem „Cavaliere“ Berlusconi bis zu 6 Jahre Hefen einhandeln könnte. Das geht natürlich nur die Italiener etwas an, weshalb sich das neue EU-Präsidentschaftsland Frankreich lieber darüber Sorgen macht, wie man gewisse EU-Mitglieder dazu bringen kann, einen Vertrag anzuerkennen, den sie nicht wollen, anstatt sich darüber Gedanken zu machen, warum sie ihn nicht wollen, um daraus ihre Konsequenzen zu ziehen – Aber das Abendland ist eben ein Reich der Zerdenker, das seine Bevölkerung durch das Versprechen beruhigen und ermutigen will, dass alles ohnehin im Großen und Ganzen beim Alten bleiben würde. Na, sehr beruhigend. Mich beruhigt es, weil ich weiß, dass das Große und Ganze, das träge wird, stagniert, sich nicht mehr entwickeln will, keine Zukunft hat und wahrscheinlich stimmt das kindliche Quaken aus dem „Sumpf“: 2000 Jahre Abendland sind genug.

Hoffentlich ist es genug bevor es, wie ich unlängst hörte, seine Bestrebungen fortsetzt, Äthiopien dadurch zu helfen, indem es die Äthiopier dazu bringt ihre Werte zu vergessen und die der „europäischen“ Marktwirtschaft zu übernehmen, als wüsste man nicht, das ein solches Vorgehen, am Ende der Kolonialregierungen in Afrika, auch nichts daran ändern konnte, dass der Großteil der Afrikaner an der Ausbeute ihres Landes, - bis heute nicht - partizipiert wurde.
Wenn die Europäer schon alles beim Alten lassen wollen, sollten sie wenigstens anderen Regionen nicht ihre Altlast aufzwingen – aber solange es immer noch besser ist, als es sein könnte oder irgendwann einmal war, wird alles schon nicht so schlecht sein, wie es scheint. Immerhin geht die Arbeitslosenquote zurück und Österreich hat beinahe Vollbeschäftigung – Die Statistik lässt die Prekariats-Arbeitsnehmer jubeln.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Schreib dich aus