Montag, 16. Juni 2008

Kundgebung zur "Platter-Show"

Nicht zufällig fand am 3.6.08 eine Kundgebung gegen das geltende Asylgesetz, im MQ in Wien, unter anderem, aber vor allem, durch Mitglieder der „Linkswende“ statt, die es sich zur Aufgabe machte, überall dort aufzutauchen, wo das österreichische Innenministerium ihre „Integration on Tour“-Veranstaltung abhielt. Ich traf um 10:55 ein, dachte, aufgrund der Ankündigungen jener Flugblättern, die vor allem den Universitätsdistrikt umschwirrt hatten, dass das wie auch immer geartete Spektakel schon vorbei sei und erkannte rasch den Irrtum meiner Erwartungen. Es war sehr heiß, weshalb es an allem mangelte: Nur wenige Kundgeber waren zu sehen, die es sich zunächst in der Sonne gemütlich machten; warum auch nicht, schließlich war das Museums-Quartier zu dieser Tageszeit spärlich besucht, weshalb es die Veranstalter der „Integration on Tour“ nicht sonderlich eilig hatten, ihren Sound zu checken und die Informationsoffensive zu starten – Und die 3 anwesenden Polizisten erkannten bald die Übermacht des Unspektakulären und verringerten ihre Anzahl auf 1, während sich der zunächst auffällig platzierte Einsatzwagen sein Prahlen aufgab und aus dem Weg rollte.

Etwas später, nachdem ich mir ein noch unverdientes Eis geholt hatte, wanderten endlich zwei bestens integrierte Blondinen vor der Bühnenkonstruktion des LKW-Anhängers umher, deren im Anschlag befindlichen Luftballone und identischen T-Shirts schon von weitem ihre Zugehörigkeit zur Integrations-Aufklärungscrew verrieten. Währendessen verharrten die männlichen Gegenstücke der Informationsdamen bei der Technik und das heißt überwiegend im Schatten, plaudernd über das Irgendwas und Beschäftigung vorgaukelnd (wobei die Damen der Veranstaltung vermutlich trotzdem weniger verdienten – schließlich Kosten Hoden, auf unserem gleich berechtigenden Arbeitsmarkt, extra). Eine Frau schien jedoch die Informations-Hoheit inne zu haben, denn sie trug zu ihrer Tour-Kappe ein fesches, orientalisch wirkendes Hemd aus Egalistan und hielt sich hauptsächlich auf den in der Sonne gleißenden Informations-Tischchen vor der Bühne auf, um zu grinsen und mit seltenen Besuchern zu plaudern.

Irgendein Kundgeber meinte beim Anblick der Integrations-Ballonsträuße: „Lassen Sie einen Ballon für jedes abgeschobene Kind steigen.“ – Das fand ich ebenso witzig wie ein paar der auf den, das Bühnenkonstrukt umstellenden, Info-Tafeln (die dem starken Wind tapfer trotzen) stehenden Sprüche/Zitate – deren WortspenderInnen u.a. Arabella Kiesbauer waren, die tatsächlich sehr gut ins Mediengeschäft integriert ist und das obwohl sie dunkle Haut hat. Da können sich die Flüchtlinge aus Kenia einmal ein Beispiel nehmen, auch wenn fraglich bleibt, ob das mitteleuropäische Fernsehen Bedarf für weitere Talkshow-Moderatoren hat (wir können nur hoffen das es keine Bedarf für weitere Talkshows im allgemeinen hat) – ob es schwer wäre, Barbara Karlich durch einen afrikanischen Feldarbeiter zu ersetzten, solange dieser lesen kann? Die Fragen stehen ja ohnehin auf den Kärtchen.

Statt Luftballone für jedes abgeschobene Kind steigen zu lassen, wurden sie an Kinder verschenkt, deren Mütter den Eindruck machten, als seien sie in Besitz eines österreichischen Passes. Außer einem bettelnden Jungen in alten Klamotten, mit dem eine der Info-Frontsoldatinnen sprach – die inzwischen als einzige der Hitze trotzte, während ihre KollegInnen gar nicht mehr von der überdachten Infobühne stiegen – fand sich niemand im Haupthof des MQ ein, der sich dem es genützt hätte sich über die Einfachheit der Integration in österreichische Gesellschaft aufklären zu lassen. Aber ob sie mit den diversen Sprüchen und Tabellen, die beispielsweise anzeigten, wie hoch der Anteil welcher „Ausländer“ in welchem Bezirk Wiens ist, etwas anfangen hätten können? Wahrscheinlich nicht – Immerhin hatten die integriert, weil wohlhabend, wirkenden Passanten der Mittagshitze auch kein Bedürfnis, sich unter dem Strahlemann-Portrait von Innenminister Platter darüber aufklären zu lassen, wie toll nicht die Möglichkeiten der Integration sind. Vermutlich lag dies auch an den, teilweise grotesk erscheinenden, Binsenweisheiten, die den Ort umgaben. Ich kann bis heute nichts mit dem Motto „Gemeinsam kommen wir zusammen“ anfangen. Wie nennt man einen solchen Satz noch einmal in der germanistischen Fachsprache? Er ist jedenfalls ähnlich sinnig wie „Abgeschoben sind wir deportiert“ oder „Entrechtet werden wir illegalisiert.“ Aber für die meisten Integrations-Sonderfälle, deren Thematik scheinbar nicht in die „Platter-Show“ integriert wurde, müsste ohnehin der Slogan „In Asylhaft kommen wir zusammen“ – eigentlich sollte Asylhaft ja zum Unwort des Jahres 2008 gewählt werden, denn zwischen Asyl-geben und Inhaftieren sollte in einem Rechtsstaat unterschieden werden.

Apropos Rechtsstaat: Vor diesem würden alle Menschen gleich behandelt, meinte eine der Infotafeln (siehe Bilder), zwischen lächelnden Gesichtern. Vielleicht macht das den Protest der KundegberInnen ein wenig verständlicher, die irgendwann begannen, gleichzeitig mit den Integrations-Informantinnen, aktiv zu werden, Flugzettel zu verteilen und Transparente bzw. Schilder umher zutragen. Irgendjemand hatte mit Kreide „Platter Zynismus“ auf den Boden gekritzelt und das sagt meines Erachtens eigentlich alles über diese „Integration on Tour“-Sache aus. Ich verließ die Show um Mittagessen zu gehen und um der Band zu ent-gehen, die sich bereit machte, auf der Infobühne die Siesta der Anwesenden musikalisch zu begleiten. Übrigens aß ich in meinem Beinahe-Stammlokal, dem „all you can eat – pay as you wish“ Beisl “Wiener Deewan“, das pakistanische Küche bietet und von einem so genannten bi-nationalen Ehepaar geleitet wird, das gerade durch den Veranstalter der Integrations-Show bzw. dem Gesetzgeber, in ungerechte Schwierigkeiten geriet, weshalb der weibliche Teil des Paares ebenso an der Kundgebung teilnahm, um für die Sache der „Ehe ohne Grenzen“ wacker, in der Mittagshitze, zu werben.



Links: Behauptungen des Innenministeriums; Rechts: Forderungen der Kundgebenden - auf den ersten Blick hat man den Eindruck, als ob sich beide Parteien igrendwie einig sein müssten, wäre da nicht der lässtige Unterschied zwischen Sein und Schein, den der Text des linken Bildes so sich selbst verhöhnend inszeniert, was man eher noch in "Rechtsstaaten" wie Weißrussland erwarten würde.



Auf dem rechten Bild erkennen wir deutlich die überdimensionalen Särge, in denen die Imagekorrektur Platters und deren Gefährtin, die Vertrauenswürdigkeit, aufgebart liegen. Da beide bereits nach Verwesung stinken, bleiben die Deckel geschlossen. Vielleicht liegen dort aber auch die Wahrung der Menschenrechte und das Gewissen der Nation unter Verschluss - beim Grad der Entstellung der Leichen lässt sich da kaum ein Unterschied machen.

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