Sonntag, 29. Juni 2008

Das Problem und seine offenbarende Kraft

Der Brief an den Herausgeber der Kronen Zeitung, der nicht nur innerhalb der Regierungskoalition, sondern ebenso innerhalb der Partei der beiden Urheber (Faymann/Gusenbauer) – zuletzt bei Salzburgs Bürgermeister Schaden – für heftige Erregung sorgte, zeigt nicht nur, wie schnell Medien gewisse Schreibwendungen übernehmen und kopieren, und kopieren, und kopieren, und kopieren, und kopieren.
Die Schreibwendungen selbst offenbaren Interessantes, elitäre Ansichten vielleicht, die folgende Formel enthält: Volksabstimmung bei EU-verfassungsmäßigen Verträgen = Abkehr von einer Pro-EU-Politik. Anders geschrieben: Die demokratische Wahlmöglichkeit der unmittelbar Betroffenen wird mit Anti-EU-Kurs gleichgesetzt. Zu Recht könnte man meinen, wenn man argumentiert, dass es sich bei der EU um ein Bündnis von Staaten handelt, die repräsentative Demokratien und keine direkten Demokratien darstellen – die meisten Staaten, wie Österreich, sind von einer Konsenspolitik, welche die von einer Entscheidung unmittelbar Betroffenen einbindet, so weit entfernt, wie Noch-Kanzler Gusenbauer von einer Wiederwahl. Und verstehen sie mich nicht falsch: Auch ich erachte es als Wahnsinn, eine Volksmasse, die sich zu einem guten Teil lediglich über Billig- bzw. Gratiszeitungen und die ORF ZIP politisch zu bilden glaubt, über die Ratifizierung eines wichtigen Vertragswerkes abstimmen zu lassen. Aber vielleicht brauchen wir, das heißt Österreich und die EU, diesen Wahnsinn, um sich politisch weiter zu entwickeln. Wenn so viele Menschen, sofern sie die Wahl hätten, sich gegen den Vertag von Nizza, oder eine Adaption desselben, entscheiden würden – einen Vertrag den sie nicht verstehen, der aber ihr Leben beeinflussen würde – so muss das nicht unbedingt ein ungesundes Verhalten darstellen. Ungesund ist jedoch das bisherige Vorgehens- und Argumentationsweise unserer Demokratien, die eine Volksabstimmung zu einem Quasi-EU-Verfassungsteil, deshalb untersagen, weil eine Ablehnung dessen zu befürchten wäre.
Die gewählten Vertreter des Volkes erwarten, dass das Volk vertrauen hat und sie selbst sprechen in der Populismussprache stets davon, den Wählerinnen und Wählern (in ihrer Urteilskraft) zu vertrauen (sofern sie die Wahlen gewinnen); zugleich trauen sie ihren Wählern allerdings nicht zu, über ihr, mit dem eines EU-Vertrages zusammenhängendes, Schicksal zu bestimmen.

Ich sehe insgesamt zwei Möglichkeiten diesem scheinbaren Dilemma zu begegnen. 1. Man versucht mittels politischer Gewalt den Status Q der repräsentativen Demokratien aufrecht zu erhalten. Das bedeutet, dass das Volk alle 4 oder 5 Jahre das Privileg hat, aus den Eliten und den Parteien bzw. Parteiklüngeln gewisse Mehrheitsverhältnisse zu wählen, die wiederum ihre Vertreter aufstellen, die wiederum ihre Vertreter innerhalb eines europäischen Bündnisses (EU-Parlament/Kommission) von auf die selbe Weise auserkorenen Vertretern zusammenschließen, welche dann über die Zukunft der EU zu entscheiden haben.
2. Man entschließt sich das Risiko des Wahnsinns einzugehen und befragt die Menschen über ihre Meinung, bindet sie ein, gibt ihnen Zeit über all die wichtigen Entscheidungen nachzudenken, betreibt AUFKLÄRUNG und INFORMATIONSARBEIT, lässt sich ZEIT und denkt nicht nur an die nächsten wirtschaftlichen Ziele der Unternehmen, deren Lobbys man zusätzlich zu den Wählern, zu vertreten hat und entschließt im Konsens mit allen Betroffenen, was auch die Kinder und sogar die Ungeborenen bzw. deren wahrscheinliche Interessen mit einbezieht, wie man weiter vorgehen muss und was an einem etwaigen Vertragswerk zu ändern ist.

Eine wirklich konsensorientierte Politik muss in der Lage sein, den Großteil der Betroffenen oder besser gesagt der Beteiligten, zu überzeugen, wo sie dies nicht kann, muss sie sich verbessern. Der Status Q bedeutet hingegen, den Bürger ausschließlich zu beruhigen, ihn gegebenenfalls zu überreden; auf wirkliche Einbindung und Überzeugung kann er verzichten, denn erst die nächsten Wahlen, am Ende einer Legislaturperiode, können unter Umständen Konsequenzen für ein falsches Verhalten bedeuten, dem die jeweiligen Machthaber nur erneut mit Überredung, Beruhigung, Heuchelei und Lügen entgegentreten können – ob dies systematische Verhalten zum Guten oder Schlechten führt, sei zunächst dahin gestellt; denn so sagte die neue, designierte Innenministerin kürzlich und treffend: Der Zweck heiligt nicht die Mittel.

Eine Einbindung der Bevölkerung in die wichtigen Entscheidungsprozesse der EU-Politik, würde eine Flucht nach vorne bedeuten, eine Umgestaltung selbiger notwendig machen, was – so glaube ich – an einer Art „Vereinigte Staaten von Europa“ nicht vorbei führt. Man kann sich auch irren und es werden die einzelnen Staaten bzw. deren Eliten lernen sich nicht vor ihrem eigenen Volk zu fürchten. Sich aber nicht vor dem Volk zu fürchten setzt voraus, dass das Volk satt, sicher und vor allem aufgeklärt ist. Es ist unrealistisch anzunehmen, dass der Großteil der Wähler einen reflektierten Zugang zur EU-Politik, als Basis für seine Beurteilung eines zur Abstimmung stehenden Vertrages heranziehen könnte. Man käme, ließe man ihn abstimmen, also nicht umhin, ihn zu einem Wähler zu machen, der die Fähigkeiten und das Wissen besitzt, einen solchen reflektierten Zugang zu finden. Vor solchen Wählern scheinen sich die Machthaber jedoch mehr zu fürchten, als vor dem Chaos, das entstünde, wenn man das Urteil des bisherigen Durchschnittwählers zur Ratifizierung eines EU-Vertrages heranziehen würde – und noch größer ist wohl die Angst vor den Mühen und Anstrengungen, die die Bildung eines zur ausreichenden Reflektion fähigen Wählers bedeuten würden. Ein Staat der dies vollbrächte wäre geradezu platonisch und es sind vermutlich gerade die politisch erfahrenen einstigen oder aktuellen Machthaber, wie dereinst Cicero, die an einen solchen Staat nicht glauben (wollen).

Samstag, 28. Juni 2008

Das Gewöhnliche stößt auf

Die Möglichkeiten der Medien sind, der Vielfalt an Technologie und Gerätschaften, Quellen und Konsumenten entsprechend, überwältigend, gerade die Stimmen der politischen Persönlichkeiten, aus den Großraum-Büros aller Länder, in das Sammelsurium des globalen Informations-Äthers einzuspeisen. Und wie sich Vögel zu einem Schwarm zusammenschließen, um als Einzelvögel einen gewissen Schutz in der Menge ihrer selbst, vor Raubvögeln und Krawattenträgern mit Schießgewehren, zu finden, so ducken sich auch die Massen der erfolgreichen und weniger erfolgreichen PolitikerInnen in die Flutwellen des allgemeinen Blablas, des angeberischen Geplärres, der gezielten Spontaneität, der hohlen Floskeln und der geschönten Unwahrheiten, die medial über uns kommen. Lügen, Unwahrheiten oder das Vorenthalten der Wahrheit - wie man es auch nennen will – schwappen in einem Ausmaß daher, so dass der Medium Sapiens mittlerweile mit nichts anderem zu rechnen hat, als von den führenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens stets im Dunkeln gelassen zu werden; und es scheint in den modernen Gesellschaften das Einverständnis zwischen PolitikerInnen und MedienmacherInnen zu herrschen, dass die einen irgendetwas sagen ohne etwas zu sagen, während es die Aufgabe der anderen ist, der Öffentlichkeit daraus die möglichen Absichten und Handlungen ihrer gewählten Vertreter zu interpretieren. An diesem Zustand haben wir uns bereits gewöhnt, so dass ein wesentlicher Teil der Politik gar nicht mehr Sache der PolitikerInnen ist, sondern jener Akteure der Medien, die als Schnittstelle zwischen dem Politiker-Geist und der öffentlichen Wahrnehmung seines Handelns und Denkens fungieren. Und wo die Medien versagen, da verschwimmt das Agieren der Politik im abstrakten Wabern der Informations-Menge zu einem bedeutungslosen Hintergrundgeräusch der raunenden, explodierenden, brüllenden Menschheitsgeschichte.

Hillary Clinton ist nun Barak Obamas beste Freundin, nachdem sie unlängst angedeutet hatte, dass man nie wissen könne, ob ein Präsidentschaftskandidat wie der „schwarze“ Senator, der überlegene Konkurrent, wie dereinst RFK, nicht doch noch einem Attentat zum Opfer fällt und wenn man sich an die Vorwahl-Schlammschlacht der beiden Demokraten erinnert, so kann man sich vorstellen, wie schwer getroffen Clinton von solch einem Schicksal des besseren Demokraten wäre. Nun werden aber mittlerweile Küsschen zwischen beiden ausgetauscht und die unmittelbare Vergangenheit ist, des Wahlkampfes gegen den Republikaner McCain wegen, ausgelöscht. Welche Bedeutung haben kritische Äußerungen von Politikern, die von heute auf morgen Händchen haltend mit den Kritisierten durch das Fernsehbild hoppeln – welche Bedeutung hat das strategisch bedeutsame Hoppeln, wenn man das Vorspiel zu dieser Liebelei bedenkt? Wie gesagt: Eine strategische Bedeutung, was an Bedeutung noch bleibt, ist stets zu erraten.

Die UNO äußerst sich besorgt und mahnend gegenüber der gewaltsamen Wahl-Imitation des Tyrannen Mugabe in Simbabwe; und wo ist nun Mr. Bush, um gegen den Diktator zu kämpfen, um Freiheit und Demokratie dem geschundenen Volk zu bringen, um gegen den Terror eines Einzelnen, eines Regimes vorzugehen, wie er es meinte beabsichtigt zu haben, als er dem Irak den Krieg erklärte? Kein Öl in Simbabwe? Und warum kuschen die Vereinten Nationen, als Antwort auf das politische Schweigegelübde des südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki? Warum benennen jene, die es wissen sollten, die Situation in Simbabwe nicht beim rechten Namen, warum dauert es Jahre, ehe man den wirklichen Status der Region Dafur definiert; oder die Völkermorde der Neunziger – heute kommen sie ins Kino. Erliegt hier die Wahrheit dem Versagen der Politiker oder der Medien? Das lässt sich kaum feststellen, die Bereiche kaum auseinander dividieren.

Warum plappert die designierte Innenministerin Maria Fekter, dass es wichtig sei, sich an Gesetze zu halten, von Spielräumen für humanitäre Entscheidungen, die es vielleicht gebe und vom Spaß an der Arbeit, wenn sie letztlich zugibt, nichts anderes, als ihr Vorgänger Günther Platter, machen zu wollen. Minutenlang saß der Finanzminister Molterer im „Journal zu Gast“, um im Grunde nichts zu sagen – nichts was man nicht auch ohne sein Dasein hätte wissen oder erraten können. Fazit: Der Koalitionspartner hat Mist gebaut, man müsse überlegen, ob die Zusammenarbeit weiterhin möglich ist, aber Neuwahlen will man dennoch nicht prophezeien (solange man nicht weiß, ob sie einem nützen - was man ebenfalls so nicht sagen würde). Natürlich ist Fekter eine voll vertraute Politikerin und man werde sehen, was mit Arigona Zogaj geschehen werde, im Augenblick wisse man noch nichts, aber wie gesagt: Vollstes - Vollstes Vertrauen, vollstes Vertrauen in die Eine, die auch noch nichts sagen kann, aber die Gnade gewährt, sich an die Auflage zu halten, keine kranken Menschen abzuschieben.

Und wie sie wissen bin ich…nein, nicht enttäuscht, wenn sie mich so fragen, aber doch… man wird noch abwarten müssen, was ich bin, nachdem die SPÖ-Doppelführung der Kronenzeitung jenen Liebesbrief geschickt hat. Doch ich frage mich derweil, was ich mich seit bestehen dieser Regierungskoalition frage: Man wird also sehen, ob die Basis für eine Zusammenarbeit mit der SPÖ noch gegeben ist. Nein! Fragen sie mich nicht, denn was sie mich fragen, werde ich sicherlich nicht direkt beantworten; denn, noch einmal (latente Aggression): Da geht es nicht um mich - ich bin nur der Chef der österreichischen Volkspartei, - zu mir will ich mich gar nicht äußern, denn wir müssen mit all unserer Kraft und Härte und Stärke und Potenz erst einmal bereden, um dann vielleicht zu entscheiden, was wir dann mit aller Klarheit sagen werden. Aber es steht fest: Die anderen haben Mist gebaut und ich weiß was ich will, so wahr ich Willi Molterer heiße, so wahr ich – Gusenbauer – immer noch Bundeskanzler (und selbstvertständlich der nächste Spitzenkandidat der SPÖ) bin, so wahr ich noch nicht Innenministerin bin und ihnen noch nicht sagen muss, was ich nicht weiß oder nicht wissen sollte, so wahr ich das Stimmengewirr des EU-Parlaments bin, Kandidat für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, neuer Topmanager eines staatlichen, halbprivatisierten Unternehmens mit vor-gesicherter Abfindung von € 1,5 Millionen – Ich werde ihnen nicht sagen, was sie wissen müssen, um mich, mein Denken, mein Streben, mein Handeln einschätzen zu können, denn ich bin ein Produkt öffentlichkeitsrelativer Strategien. Ich bin nur ein Produkt kollektiver Entscheidungen zur richtigen Handhabe der öffentlichen und privaten Meinungsbildungsprozesse. Ich bin eine Marke, ich bin gar nicht echt, ich bin gar nicht vorhanden, lassen Sie mich in Ruhe - aber geben Sie mir Ihre Stimme.

Aber wen - Herr Saubermann - wählen wir, wenn nicht Menschen mit Gesichtern und Stimmen, mit Sprache und einer Wahrheit, die uns mitzuteilen sie bereit sind. Am Ende einer Legislaturperiode stehen voll gepfropfte Litfasssäulen, im Wechselklang der Medienmaschinerien und des säuselnden Lobbyismus hin und her schwingend und der Wähler ist ein, selbst in im Strom stehender, Fliegenfischer, der nach wagen Eindrücken angelt; oder bereits am Uferrand liegend, dem Treiben zusehend und sich fragend, warum er in einer Welt leben muss, in die Fähigkeit zur Heuchelei, die wichtigste Referenz für Nachwuchs-Politiker darstellt, warum es die Geschäftemacher, die Dealer und Schmeichler, die Betrüger und Laienschausteller sind, die in Amt und Würde zu wählen wären. Gebe es PolitikerInnen, die einem selbst – für sie oder andere – schmerzliche, sogar schädliche Wahrheiten nicht vorenthielten und würden wir diese zu unseren Vertretern wählen, so würden wir das politische und mediale System von innen nach außen stülpen und ein neuer Kosmos wäre geboren.

Freitag, 27. Juni 2008

Temporär begrenzter Fußball-Fanatismus

Während der durchschnittliche deutsche Fan, dem durchschnittlichen Österreicher, vor allem durch eine gewisse Überheblichkeit in Erscheinung tritt, was von diesen selbst lediglich als notwendiges, unterstützendes starkes Selbstvertrauen betrachtet wird, besticht er auch nicht immer durch ein hohes Maß an Musikalität. Da ich selbst Österreicher bin, sei an dieser Stelle erwähnt, dass ich grundsätzlich keine Vorurteile gegen die „Piefke“ an sich habe (obwohl ich in Wien lebe – wo eine Deutschen-Skepsis gewissermaßen zur bürgerlichen Etikette gehört) und ich bin auch nicht aufgrund des EM-Rausschmisses der österreichischen Nationalmannschaft, durch die (doofen) Deutschen, beleidigt und voreingenommen (die Niederlage war schließlich nicht sonderlich überraschend).
Als ich gestern jedoch am Schwedenplatz, hier in Wien, wo das zweite Semifinal-Spiel stattfand, an einer Gruppe spanischer Fußballfans vorbei kam, lies sich ein grundsätzlicher, nationaler Unterschied nicht überhören. Zwar war das Herden-Verhalten der überwiegend männlichen Spanier-Ansammlung – aus meiner Sicht – nicht minder sexistisch bzw. viktimisierend, sofern eine Minderheit an Minirockträgerinnen nicht umhin kam, an der Ansammlung vorbei zu stöckeln; allerdings brüllen, schnauben, wiehern und sabbern die spanischen Rindsviecher nicht, um einer Dame sexuelle Zuneigung zu signalisieren, sondern beginnen zu singen und zwar weder eines der beiden Standard-Fußballfan-Liederchen, noch die Nationalhymne, weshalb die spanischen Fans bereits ein Lied mehr beherrschen, als beispielsweise die deutschen (also insgesamt 3 Standard-Melodien mit variierenden Texten).

Was für die deutschen Fans gilt, trifft meist auch für die österreichischen zu, überdies, nach dem österreichischen Ausscheiden, wenigstens beim Spiel Deutschland:Türkei, sich erstaunlicherweise Österreicher unter den feiernden Deutschen befanden und angesichts der „Mosche, Mosche…“-Grölereien, nach der endgültigen Niederlage der Türkei, kann man auch erahnen, dass die plötzliche, (beim Fußball) untypische Deutschland-Sympathie, nicht ausschließlich etwas mit der gemeinsamen Sprache zu tun hat.

Russische Fans sind hingegen ein ganz eigenes Völkchen, das es offenbar vorzieht, in großen Luxus-Autos oder in Taxis herumfahrend, ihre Vorfreude und Aufregung vor dem Spiel so zusagen mobil zu zelebrieren. Irgenjemand meinte, dass die Ursache für die russische KFZ-Obsession in der Gefährlichkeit der russischen Straßen, also im Risiko des Zufußgehens in Russlands Großstädten begründet liegt. Vielleicht war diese Wagenschau aber das falsche Fan-Ritual, nicht nur weil es die Umwelt belastet, immerhin ist Fußball ein Laufsport, das ihnen – wie wir ja nun wissen – nichts nützte; die Spanier schossen in der zweiten Hälfte des gestrigen Spiels 3 Tore für die freie Welt und ich saß diesmal zum Glück nicht im Gastgarten, wo vorgestern, als ich auf die Toilette ging, ein heimtückischer Wolkenbruch – den wir bereits zu ende geglaubt hatten – meinen Sitzplatz und meine Mitbringsel wegspülte, während ich verzweifelt versuchte, im wahrsten Sinne, gegen den Strom nasser Menschenmassen zu schwimmen, die bei allen Eingängen des Gasthauses eindrangen. Nachdem ich es dennoch schaffte, in Shorts und Hemd, nach draußen zu drängen, wusste ich auch weshalb die mir Entgegenkommenden solch panikhafte Grimassen schnitten – innerhalb 0,5 Sekunden war sogar meine Boxershort durchnässt und mein Strohhut flog in weitem Bogen in eine Gruppe von Fußballfans, die sich in einem Torbogen untergestellt hatten. Natürlich waren es hauptsächlich Deutsche bzw. Österreicher die so taten, als wären sie schon immer Fans von Ballak und Lahm gewesen. Eine Person rettete meinen Hut vor der Menge trampelnder Füße und hatte ihn sich auf den Kopf gesetzt, während ich noch den Boden absuchte: Eine sehr sympathische türkische Fanin. Es ist schon erstaunlich: Ich kenne, bis auf den Tormann, dessen Name wie „Frühstück“ klingt, keinen einzigen Spieler der türkischen Nationalelf und interessiere mich ansonsten kein Bischen für Fußball. An diesem Abend aber, an dem vom Spiel wenig mitzubekommen war, weil man sich entweder vor den Wasserfluten retten musste oder die TV-Verbindung immer wieder vom Blitz getroffen wurde, brüllte ich mit Inbrunst „Türkiye!“ und war bitter über seine Niederlage enttäuscht. Und das hat wirklich nichts mit den (doofen) Deutschen zu tun.

Gestern war ich hingegen ein inbrünstiger „España!“-Rufer (allerdings ohne Apostroph) und ein fanatischer „Venga-Venga!“ Plärrer – mit noch mehr Genuss sogar äußerte ich da meinen temporären Fremd-Nationalismus, wahrscheinlich weil Spanien tatsächlich gewann und mein Bier diesmal nicht zur Hälfte mit Regenwasser auf-„gespritzt“ wurde. Ja, alle zwei Jahre kann Fußball schon eine tolle Sache sein. Toll wie toll-machend.

Dienstag, 24. Juni 2008

Neu wählen?

Es wird erneut spekuliert, laut gedacht, angedeutet, gefordert und dazu demonstrativ geschwiegen: Doch kommen nun Neuwahlen oder nicht? Während der gemütlichere Österreicher und seine (Geld bringenden) Gäste sich noch die EM-Zwischen-Restfetten in der Sommerhitze verdampfen lassen, sind sich die Oppositionsparteien beinahe darüber einig, dass die Karten in der Regierung neu gemischt werden sollten. Das ist verständlich, denn wenn ich beim Pokern kein gutes Blatt hätte, wünschte ich mir ebenso ein Neues (weshalb ich auch darauf verzichte zu pokern). Die Grünen wollen immerhin noch nachfragen, ob die beiden Spielmacher überhaupt noch weitersetzen können, aber selbst dafür braucht es einen Antrag im Parlament.

Ob Neuwahlen nicht einfach nur einen Tritt gegen den stotternden Motor dieses Landes wären? Sofern das letzte tirolerische Landtagsergebnis einen Indikator darstellt, würden beide Großparteien jedenfalls verlieren und die FPÖ dazu gewinnen, was mir – auch wenn ich als Wähler einer repräsentativen Demokratie zum Schwachsinn meiner Mitwähler zu stehen habe – gar nicht gefallen würde. Insofern wäre es ein Tritt, der den Motor endgültig zum erliegen brächte.

Vielleicht haben Kritiker recht, die behaupten, man könne so, wie derzeit die Regierungskoalition, nicht arbeiten – aber behaupten das gerade oppositionelle Kritiker nicht ohnedies immer? Zudem wurden Einzelpersonen zunächst kritisiert und zum Rücktritt aufgefordert, deren Austausch und Zwangsrücktritt hernach ebenfalls zur Basis eines (meist oppositionellen) kritisierenden Populismus gemacht wurde und gemacht wird – So what? Ich denke man sollte die Entwicklung nach den personellen Änderungen abwarten, denn wieder einmal mit Neuwahlen über einen chaotisch erscheinenden Zustand drüber zu fahren, könnte auch nach hinten losgehen – und dort stehen immerhin die Bürger. Außerdem wissen wir, weshalb die nach Regierungskoalitionen lechzenden Rechtspopulisten sich Neuwahlen wünschen – oder nicht? So jedenfalls, sich rück endend nach dem Jahr 2000, könnte bzw. sollte man ebenfalls nicht arbeiten, wie man scheinbar auch so nicht arbeiten sollte, wie eben jetzt gearbeitet oder eben nicht gearbeitet wird.

Der Platter jedenfalls ist immer noch fleißig arbeitend, in seinem Ressort. Er will, dass - trotz seines Wegganges - die Forderung nach Deutschkenntnissen bei zukünftigen Familiennachzüglern von Asylwerbern zu einem Gesetz wird (in einer Reihe von äußerst fragwürdigen). Wer kein Deutsch spricht, der darf zugrunde gehen, denn allein die Sprache zeichnet einen Menschen aus und die deutsche ist schließlich eine besonders edle und schöne; und so eine Forderung an Menschen, die froh sind, das Land, dessen Sprache sie auch in hohem Alter noch lernen sollten, überhaupt zu erreichen, ist auch gar keine Schikane, sondern eine Präventiv-Repression. Also nur keine Panik. Ich werde den Platter vermissen...Und ich würde die jetzige Regierung, die es endlich auf Umwegen schaffte, ihn nach Tirol hin loszuwerden - wo er seines Akzentes wegen auch hingehört - ebenso missen bzw. fürchten, dass es erneut schlimmer werden würde, wenn es tatsächlich hieße: Schon wieder wählen gehen? Das könnte bedeutet, dass der LH Pröll für den Kanzlerposten kandidiert oder was weiß ich welche Verrücktheiten den Herr- und Frauschaften einfallen.

PS: Der Radiosender Ö1 analysierte übrigens, dass der wechselnde Noch-Innenminister Platter immer dann auf sein „kerniges“ Tirolerisch zurückgriff, wenn er über die Umsetzung gewisser Härte zu sprechen hatte, was sich auf der Ö1-Website auch nachhören lässt. Sehr interessant. Nun wissen wir: Wenn der Herr Platter seinen besonders herzigen Tirolerakzent anwendet, müssen wir - oder die Rechtlosen unseres Landes - in Deckung gehen. Also Tirol: Aufgepasst! Wenn der Platter anfängt, als euer Landeshauptmann, so zu sprechen wie ihr, dann passiert bald was ungemütliches - für "Zugereiste" jedenfalls. Ob Platter in Zukunft, aus lauter Langeweile, anfangen wird deutsche Touristen über die nördlichen Hänge der Alpen in dessen Vorland zu jagen, weil diese das kulturell so bedeutsame, tirolerische "R" nicht richtig rollen können, sollten wir ihm zutrauen.

Montag, 23. Juni 2008

Schwarze Rochade

Vielleicht ist es die schwüle der Nacht, die mir die durch ihre aufgeheizten Atmosphäre flirrende Radiomeldung zunächst etwas unwirklich erscheinen lies: Der viel geliebte Innenminister G. Platter wird nun also Landeshauptmann Tirols - Obwohl man über die Möglichkeit zu diesem Schritt und den gleichzeitigen Rückschritt bzw. – Tritt Herwig Van Staas im Vorfeld nicht einmal spekulieren durfte, zumindest wenn es nach dem Wunsch der ÖVP ging; und wer diese oder den Innenminister verärgert, dem wird, wie einige Tierschützer mittlerweile wissen, die polizeiliche Unverhältnismäßigkeit auf den Hals gehetzt.

Zufällig geschah diese Personalrochade kurz nach jener der SPÖ-Spitze, über die man sich zwar wunderlich beklagte, sich aber zugleich zu denken schien: Wenn die sich das trauen, dann machen wir das auch. Nun folgt also auch in den ÖVP-Reihen ein Minister einem Spitzenpolitiker ins Amt, der sich zuletzt einige parteiinterne Kritik anzuhören hatte. Wobei das aktuell veröffentlichte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen Österreich, die einen unrechtmäßige Abschiebung zur Causa hatte, auch so einen Zufall darstellt, der beinahe zum Posten-Wechsel Platters passen könnte – hätte dieser jemals auf Kritik bezüglich der Vernachlässigung der Menschenrechte durch sein zukünftiges Ex-Ministerium gehört. Hat er nicht – oder doch? Kam ihm der Ungnade-Fall von Van Staa, der natürlich freiwillig zurücktrat, vielleicht doch gerade recht? Ein heftig kritisierter Innenminister tauscht seinen Platz mit einem heftig kritisierten Landeshauptmann, wobei der unterschied der Kritikinhalte nicht gering sind: Platter wird aufgrund der Umsetzung und Übertreibung schlechter Gesetze angegriffen, Van Staa scheinbar vor allem deshalb, weil er seiner Partei nicht genug Stimmen bringen konnte – weshalb dessen freiwilliger Rücktritt eher dem eines Fußballers gleicht, dem nicht nur der Trainer, sondern auch die Mannschaftsmitglieder sagen, er solle sich endlich brausen gehen. Man geht halt lieber freiwillig, bevor man „gegangen wird“.

Wie dem auch sei; Die Frage, die sich nicht nur die Tiroler und die ÖVP-People stellen sollten, lautet: Ändert ein Amt die Persönlichkeit eines Politikers? Zweite Frage: Kann man die Handlungen eines Politikers, nach dessen Amtswechsel oder vorübergehenden Pensionierung, vergessen. Bei manchen hat man schließlich den Eindruck, sie verabschiedeten sich nur deshalb kurzfristig aus der Politik, um einen Image-Neustart einzuleiten, um so zusagen einen Öffentlichkeits-Reboot durchzuführen. Aber vermutlich kann man davon ausgehen, dass der zukünftige Ex-Innenminister, als Landeshauptmann nicht denselben Schaden anrichten kann, wie auf dem, über das Schicksal von Asylwerbern herrschenden, Willkür-Thron sitzend (der ganz aus den Gebeinen und Papierresten österreichischer Bürokraten erbaut wurde). Zudem führte er ja nur Gesetzte aus, auch solche, die er nicht ausführen hätte müssen und wer weiß, wer sein Ministerium übernehmen wird. Vielleicht Herwig Van Staa?

Wenn sich die voreilig abzulesende Gesetzmäßigkeit durchsetzt, können wir die nächste Rochade wieder von Seiten der Roten erwarten - es sei denn, sie regeln ihr Politik-Spielchen wie Schach und dürfen jeweils nur einmal. Was jedoch nicht einwandfrei sein kann, denn bei der Schach-Rochade wird der König getauscht und W. Molterer als Vice dürfte uns noch erhalten bleiben. Jedenfalls bis die Roten wieder jemanden ausgewecheselt haben.

Ehergang

Eher - Eher gehen - Ehergang.
Zum Mittagsschrei ein paar tausend nur.
Drüben ist näher noch ein andrer dran,
Zum Abendruf bricht die Sanduhr,
Bricht die Uhr uns in zwei,
Zwei Hälften des einen Menschen;
Bricht die Seele ihm in drei,
Drei Teile des Menschen;
Sie wandern,
Sie wandern aufrecht,
Sie wandern aneinander zum andern.
Sie krümmen sich auf Recht;
Auf Recht das geschrieben,
Auf Recht das gesprochen;
Gegen Rechte die zerrieben,
Gegen Versprechen die gebrochen.
Zwei Teile brechen die Sanduhr,
Brechen die Uhr in drei,
Brechen zum Mittagsschrei paar tausend nur,
Brechen sie von Recht und Unrecht frei.
Zum Abendrufe rechtes Unrecht,
Ehergang zum Teil Drei.
Zum Morgenrufe unrechtes Recht,
Ehergang zum Teil Drei.
Teil Drei – du bist die Lösung,
Du bist das verfängliche Ende;
Teil Drei – die bist Auflösung,
Du bist die wiederkehrende Wende.

Teile in Drei – eher – den Menschen,
Kenne das Recht,
Kenne zu Dreien – eher – den Menschen,
Wisse das Unrecht,
Kenne als drittes – eher – den Unmenschen,
Unmensch zwischen Recht und Unrecht,
Ehergang zur Wahrheit des Menschen.
Eher ist man selbst gerecht,
(zu spät ist man selbstgerecht).

Samstag, 21. Juni 2008

Weniger fade

Das BZÖ hat sich nun, da die SPÖ ihren Vorsitz gewechselt hat, die ÖVP zum Feindbild (innerhalb des Parlaments) erkoren, vor deren „tödlichen Umarmung“ ihr offizieller Chef P. Westenthaler den neuen Kollegen W. Faymann ausdrücklich warnt. Der Neue hätte nämlich keine Chance gegen jene Koalitionszerstörer innerhalb der schwarzen Konservenpartei, meint Westenthaler; und es darf uns nicht verwundern, wenn er, in seinem sanguinischem Favoritner-Slang, den wohlwollenden Weisheitsschluss erbringt, dass der arme, von den bösen Kanzler-Verbrauchern der ÖVP bedrohten Faymann ausschließlich Neuwahlen retten könnten. Nachdem dies aber nicht der Weisheit letzter Schluss sein konnte, kam noch der Hinweis, dass seine Partei sich für eine neue Regierungs-Koalition zu Verfügung stellen würde, wobei man natürlich auch die FPÖ UND die Grünen einladen wolle. Das war der endgültige Schluss aller Weisheit – nachdem bekannt ist, dass die Grünen niemals mit einer Partei wie der FPÖ zusammenarbeiten würden, dies sicherlich auch umgekehrt gilt und sowohl Grüne, als auch Blaue, kein Interesse daran haben, ins abgetakelte Boot des BZÖ zu klettern.

Es ist trotz allen Unverständnisses für solch freundliche Rettungsversuche der SPÖ-Spitze und die mutige Bereitschaft, die Mitverantwortung zur Rettung der Regierung zu übernehmen, jedenfalls bewundernswert, mit welcher Ausdauer der, in einem Verfahren wegen falscher Zeugenaussage stehende, BZÖ-Führer, an seinem Populismus- und Selbstdarstellungs-Training festhält und dabei jeglichen Bezug zur Realität auszublenden scheint. Dass Realität selten etwas mit den politischen Inhalten des BZÖ – oder ihrer Schwester-Partei FPÖ – zu tun hat, war mir ja bekannt. Aber denen ans Bein zu pinkeln, die immerhin die Forderungen zur Erniedrigung, Illegalisierung und Repression gegen Ausländer ohne Urlaubsambitionen und Geld schrittweise durchsetzten, welche sich Ex-FPÖ- bzw. BZÖ-Fürst Haider ausgedacht hatte und der EX-ÖVP-Großkopf Schüssel zu Gesetzen machen lies, - dass ist zwar irgendwie immer noch bewundernswert, andererseits aber auch etwas kurzsichtig.

Zwar gibt es keine Anzeichen dafür, dass das BZÖ sich von seinen Wahlverlusten erholen wird, sollte die ÖVP nach Neuwahlen jedoch erneut vor der Frage stehen, ob sie es erneut mit den Sozis versuchen oder sich bei den oppositionellen Resten vielleicht etwas zusammenkratzen sollte, würde sie, in anbetracht ihr gegenüber solch unfreundlicher Äußerungen, vermutlich nicht den Orangen den Vorzug geben – obwohl man das nicht genau wissen kann, denn die Konsis gingen bisher mit jeder Schlampe ins Bett, wenn diese ihnen nur die Regierung verschaffte (natürlich nur im übertragenen Sinne). Dennoch wirkt erstaunlich frech auf mich, wenn das rechtspopulistische BZÖ in die Waden der einzigen großen Partei beißt, die mit ihnen politische Ambitionen – wenn schon nicht Inhalte, denn diese fehlen bei den Rechtspopulisten – gemeinsam haben. Die SPÖ würde ihr letztes bisschen Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie auch nur an etwas Rot-Oranges denken würde; diese beiden Farben schlagen sich doch zu sehr. Sollte die ÖVP sich also an die westenthalerschen Prahlerei dauerhaft erinnern, hätte sich ihr Urheber das Wohlwollen dieser Regierungsmacherpartei verscherzt; von der SPÖ erwarte ich, dass dieses Wohlwollen von Natur aus nicht für die Beinahe-Rechtesten existiert.

Natürlich vergessen Politiker – aller Parteien – eigene jeweilige Aussagen recht gekonnt, wenn sie müssen und auch P. Westenthaler wird sicherlich die berufsbedingte Gabe nutzen, sein reißerisches Geschwätz so lange zu relativieren, bis es keinen Sinn mehr ergibt; jedoch wäre es nicht verwunderlich – weil eben solche westenthalersche Aktionen typisch für seinen Stil und den seiner Partei sind – wenn das BZÖ sich auch weiterhin seine Zukunft in der Opposition suchen muss, wenn es dafür überhaupt noch reichen sollte. Das wäre allerdings nicht weiterhin schlimm, denn die rechten Wirtschaftslobbyisten, geistig Blinden und/oder seelisch Verwirrten finden ihren Platz ohnedies, in der Anhängerschaft des Blaumannes Strache und eine hohle Populismus-Agentur ist, im hohen Haus der österreichischen Demokratie, bereits mehr als genug. Die Nische zwischen christlich scheinheiliger Volkspartei und traditionsbewusst unheiliger FPÖ ist wohl zu klein, um dem Bündnis Zukunft Österreich genügend Wahlvieh übrig zu lassen. Schade wäre ein weiterer Abstieg des Orangen Gummiballs insofern, als dass sich das humoristische Unterhaltungspotenzial im spannungsreichen Beziehungsfeld zwischen Westenthaler und Strache stets entsprechend auflud und nicht ich weiß , ob es in Zukunft immer noch so lustig wäre, wenn wir nur noch über den „Stra-Che“ lachen dürften. Es wäre zudem ein Verlust an kabarettistischer Vielfalt.

Darum, lieber Westi, halten Sie ihren Witz bei einander, führen Sie ihre taktischen Züge in die richtige Richtung aus, seien Sie nicht all zu gleichgültig gegenüber der Wirkung Ihrer eigenen Reden und versuchen Sie uns somit noch eine zeitlang erhalten zu bleiben – auf das sich die FPÖ nicht einsam fühle, dort in der närrisch rechten Ecke.

Dienstag, 17. Juni 2008

Fad

Leider gibt es keine Genossin als neue Parteivorsitzende bei der SPÖ, sondern, wie bereits in allen Medien seit Monaten spekuliert wurde, den Faymann Werner. Ein fades Ergebnis. Ähnliches erzielte auch die österreichische Nationalmannschaft im Spiel gegen die deutsche, bei welchem die Chancen auf eine Niederlage der Rot-Weiß-Roten schon im Vorfeld als sehr hoch einzustufen waren. Und auch wenn das Spiel, bei all den wider erwarteten Annäherungen an das Tor der Deutschen, bei all den schönen Pass-Folgen und den erstaunlich lang wirkenden Augenblicken, in denen Österreich den Ball halten konnte, sehr aufregend war, der Torstand am Ende war unspektakulär - vor allem aus Sicht der Deutschen, die das möglichst peinliche Ergebnis - gegen Österreich zu verlieren bzw. unentschieden zu spielen - einem Traum-Freistoss von Ballack zu verdanken hatten, der die viel beschworene deutsche Gründlichkeit in sich hatte. Eine noch formschönere Flugbahn ins Kreuzeck kann man nicht vollbringen - jedoch ist auch das irgendwie fade. Ein perfekt geschossener Lehrbuch-Freistoss, der unhaltbar war und des Weiteren - Nix. Wenn man Österreich wenigsten richtig geschlagen hätte, mit ein, zwei Toren in der ersten Hälfte, die aus schönen Spielsituationen zustande gekommen wären, dann wäre die Situation wenigstens klar gewesen. Mit einer solchen deutschen Mannschaft jedoch, konnte man nur immer wieder hoffen und bangen und zittern, wenn ein Ösi, nach einem guten Pass, sich vorteilhaft ans Tor heranmachte - um das verfluchte(?) Rund allerdings niemals (bei keinem dieser Vorrundenspiele) dann auch ins Tor hinein zu bringen.

Torschusspanik? Auch beim Spiel gegen Polen war Österreich nicht so klar unterlegen, wie man das vielleicht annehmen hätte können, aber bei all den wunderbaren Torchancen zielten sie kurz vor dem Tor - und liefen sie dort auch ganz alleine durch den Strafraum - immer auf den nächst besten gegnerischen Spieler. In den meisten Fällen war dies der Tormann.

Aber schlecht hatten´s nicht gespielt, die heimische Elf. Ob wir nun auf alle Fälle gut gespielt haben, weil wir besser aussahen, als allgemein zu erhoffen gewesen oder weil die jeweilige gegnerische Mannschaft einen schlechteren Eindruck machte, als selbst die gewieftesten Buchmacher sich hatten prophezeien lassen können, kann ich nicht schreiben – ich interessiere mich schließlich auch überhaupt nicht für Fußball. Auffällig ist nur: A) Das meines Erachtens die deutsche Mannschaft nicht sehr viel besser gespielt hatte, als die österreichische – was einem Beinahe-Gleichgut entspricht, sowie B) trotzdem von den Deutschen gesagt wird, sie hätten kein gutes Spiel geliefert, während man das Gegenteil von Österreich (zu Recht) behaupten darf. Dieses Messen nach zweierlei Maß zeigt uns doch, dass wir viel zu sehr an der Vergangenheit fest haften, nach der wir uns orientieren. Doch diese österreichische Nationalmannschaft ist jung, spielt nicht schlecht und muss nun nur noch lernen, vor dem Tor nicht die Nerven zu verlieren; sondern ganz so wie Ivica Vastic, der das einzige österreichische (Elfer)Tor erzielte, cool zu bleiben ohne an die hiesigen Fußball-Chroniken zu denken. Aus diesem Grund habe ich es auch unterlassen, hier auch nur ein einziges Mal Córdoba…ach Mist!

Montag, 16. Juni 2008

Kundgebung zur "Platter-Show"

Nicht zufällig fand am 3.6.08 eine Kundgebung gegen das geltende Asylgesetz, im MQ in Wien, unter anderem, aber vor allem, durch Mitglieder der „Linkswende“ statt, die es sich zur Aufgabe machte, überall dort aufzutauchen, wo das österreichische Innenministerium ihre „Integration on Tour“-Veranstaltung abhielt. Ich traf um 10:55 ein, dachte, aufgrund der Ankündigungen jener Flugblättern, die vor allem den Universitätsdistrikt umschwirrt hatten, dass das wie auch immer geartete Spektakel schon vorbei sei und erkannte rasch den Irrtum meiner Erwartungen. Es war sehr heiß, weshalb es an allem mangelte: Nur wenige Kundgeber waren zu sehen, die es sich zunächst in der Sonne gemütlich machten; warum auch nicht, schließlich war das Museums-Quartier zu dieser Tageszeit spärlich besucht, weshalb es die Veranstalter der „Integration on Tour“ nicht sonderlich eilig hatten, ihren Sound zu checken und die Informationsoffensive zu starten – Und die 3 anwesenden Polizisten erkannten bald die Übermacht des Unspektakulären und verringerten ihre Anzahl auf 1, während sich der zunächst auffällig platzierte Einsatzwagen sein Prahlen aufgab und aus dem Weg rollte.

Etwas später, nachdem ich mir ein noch unverdientes Eis geholt hatte, wanderten endlich zwei bestens integrierte Blondinen vor der Bühnenkonstruktion des LKW-Anhängers umher, deren im Anschlag befindlichen Luftballone und identischen T-Shirts schon von weitem ihre Zugehörigkeit zur Integrations-Aufklärungscrew verrieten. Währendessen verharrten die männlichen Gegenstücke der Informationsdamen bei der Technik und das heißt überwiegend im Schatten, plaudernd über das Irgendwas und Beschäftigung vorgaukelnd (wobei die Damen der Veranstaltung vermutlich trotzdem weniger verdienten – schließlich Kosten Hoden, auf unserem gleich berechtigenden Arbeitsmarkt, extra). Eine Frau schien jedoch die Informations-Hoheit inne zu haben, denn sie trug zu ihrer Tour-Kappe ein fesches, orientalisch wirkendes Hemd aus Egalistan und hielt sich hauptsächlich auf den in der Sonne gleißenden Informations-Tischchen vor der Bühne auf, um zu grinsen und mit seltenen Besuchern zu plaudern.

Irgendein Kundgeber meinte beim Anblick der Integrations-Ballonsträuße: „Lassen Sie einen Ballon für jedes abgeschobene Kind steigen.“ – Das fand ich ebenso witzig wie ein paar der auf den, das Bühnenkonstrukt umstellenden, Info-Tafeln (die dem starken Wind tapfer trotzen) stehenden Sprüche/Zitate – deren WortspenderInnen u.a. Arabella Kiesbauer waren, die tatsächlich sehr gut ins Mediengeschäft integriert ist und das obwohl sie dunkle Haut hat. Da können sich die Flüchtlinge aus Kenia einmal ein Beispiel nehmen, auch wenn fraglich bleibt, ob das mitteleuropäische Fernsehen Bedarf für weitere Talkshow-Moderatoren hat (wir können nur hoffen das es keine Bedarf für weitere Talkshows im allgemeinen hat) – ob es schwer wäre, Barbara Karlich durch einen afrikanischen Feldarbeiter zu ersetzten, solange dieser lesen kann? Die Fragen stehen ja ohnehin auf den Kärtchen.

Statt Luftballone für jedes abgeschobene Kind steigen zu lassen, wurden sie an Kinder verschenkt, deren Mütter den Eindruck machten, als seien sie in Besitz eines österreichischen Passes. Außer einem bettelnden Jungen in alten Klamotten, mit dem eine der Info-Frontsoldatinnen sprach – die inzwischen als einzige der Hitze trotzte, während ihre KollegInnen gar nicht mehr von der überdachten Infobühne stiegen – fand sich niemand im Haupthof des MQ ein, der sich dem es genützt hätte sich über die Einfachheit der Integration in österreichische Gesellschaft aufklären zu lassen. Aber ob sie mit den diversen Sprüchen und Tabellen, die beispielsweise anzeigten, wie hoch der Anteil welcher „Ausländer“ in welchem Bezirk Wiens ist, etwas anfangen hätten können? Wahrscheinlich nicht – Immerhin hatten die integriert, weil wohlhabend, wirkenden Passanten der Mittagshitze auch kein Bedürfnis, sich unter dem Strahlemann-Portrait von Innenminister Platter darüber aufklären zu lassen, wie toll nicht die Möglichkeiten der Integration sind. Vermutlich lag dies auch an den, teilweise grotesk erscheinenden, Binsenweisheiten, die den Ort umgaben. Ich kann bis heute nichts mit dem Motto „Gemeinsam kommen wir zusammen“ anfangen. Wie nennt man einen solchen Satz noch einmal in der germanistischen Fachsprache? Er ist jedenfalls ähnlich sinnig wie „Abgeschoben sind wir deportiert“ oder „Entrechtet werden wir illegalisiert.“ Aber für die meisten Integrations-Sonderfälle, deren Thematik scheinbar nicht in die „Platter-Show“ integriert wurde, müsste ohnehin der Slogan „In Asylhaft kommen wir zusammen“ – eigentlich sollte Asylhaft ja zum Unwort des Jahres 2008 gewählt werden, denn zwischen Asyl-geben und Inhaftieren sollte in einem Rechtsstaat unterschieden werden.

Apropos Rechtsstaat: Vor diesem würden alle Menschen gleich behandelt, meinte eine der Infotafeln (siehe Bilder), zwischen lächelnden Gesichtern. Vielleicht macht das den Protest der KundegberInnen ein wenig verständlicher, die irgendwann begannen, gleichzeitig mit den Integrations-Informantinnen, aktiv zu werden, Flugzettel zu verteilen und Transparente bzw. Schilder umher zutragen. Irgendjemand hatte mit Kreide „Platter Zynismus“ auf den Boden gekritzelt und das sagt meines Erachtens eigentlich alles über diese „Integration on Tour“-Sache aus. Ich verließ die Show um Mittagessen zu gehen und um der Band zu ent-gehen, die sich bereit machte, auf der Infobühne die Siesta der Anwesenden musikalisch zu begleiten. Übrigens aß ich in meinem Beinahe-Stammlokal, dem „all you can eat – pay as you wish“ Beisl “Wiener Deewan“, das pakistanische Küche bietet und von einem so genannten bi-nationalen Ehepaar geleitet wird, das gerade durch den Veranstalter der Integrations-Show bzw. dem Gesetzgeber, in ungerechte Schwierigkeiten geriet, weshalb der weibliche Teil des Paares ebenso an der Kundgebung teilnahm, um für die Sache der „Ehe ohne Grenzen“ wacker, in der Mittagshitze, zu werben.



Links: Behauptungen des Innenministeriums; Rechts: Forderungen der Kundgebenden - auf den ersten Blick hat man den Eindruck, als ob sich beide Parteien igrendwie einig sein müssten, wäre da nicht der lässtige Unterschied zwischen Sein und Schein, den der Text des linken Bildes so sich selbst verhöhnend inszeniert, was man eher noch in "Rechtsstaaten" wie Weißrussland erwarten würde.



Auf dem rechten Bild erkennen wir deutlich die überdimensionalen Särge, in denen die Imagekorrektur Platters und deren Gefährtin, die Vertrauenswürdigkeit, aufgebart liegen. Da beide bereits nach Verwesung stinken, bleiben die Deckel geschlossen. Vielleicht liegen dort aber auch die Wahrung der Menschenrechte und das Gewissen der Nation unter Verschluss - beim Grad der Entstellung der Leichen lässt sich da kaum ein Unterschied machen.

Gusenbauernopfer?

Wenn man sich die Frage stellt, ob Bundeskanzler Alfred Gusenbauer weiterhin den Parteivorsitz innehaben sollte, entkommt man selten der Überlegung, warum der praktische Anschaffende und das Sagen Habende nicht auch offiziell den Parteichef darstellt. Vielleicht liegt es daran, dass Michael Häupl nicht Bürgermeister Wiens, Parteivorsitzender und vielleicht auch Bundeskanzler zugleich sein kann, zudem sich dieser davor hüten wird, seine lokale Popularität für den unbedankten Kanzlerposten aufs Spiel zu setzten. Da bleibt es wohl klüger, als gemütlicher Lokalmatador die Partei nach Jörg Haider-Manier zu bequatschen. Aber gerade die Haider-Partei, das Bündnis zerstreuter Österreicher, erfreut sich derzeit nicht sonderlicher Wahlerfolge, was vielleicht daran liegt, dass die orange Rechtspopulismus-Agentur (für geistig Minderbemittelte und/oder von der Illegalität gewisser Menschengruppen profitierenden Wirtschaftslobbyisten), einen Vorsitzenden hat, dem man die Chefrolle einfach nicht abkaufen kann, während selbige in Wahrheit einem scheinbar abseits stehenden Provinzfürsten zugesprochen wird. Auch in der SPÖ gibt es stärkere LänderpolitikerInnen (Burgstaller) und jedenfalls beliebtere ParlamentarierInnen (Prammer), was vielleicht auch in der Natur ihrer jeweiligen Positionen liegt, weshalb es Unverständnis in mir erzeugt, wenn ein öffentlich Schwächerer an der Partei-Spitze der Sozialdemokraten stehen muss. Die einzige Erklärung liefert hierbei ebenso das Haider-Beispiel: Man will sich offenbar nicht an die gefährliche Front stellen, wo die Attacken von Medien und politischen Gegnern (die zugleich Partner sein können), einem die relative Wählergunst schnell zerschießen. Man könnte auch formulieren, dass nur wenige Mitglieder der SPÖ bereit zu sein scheinen, die Verantwortung der Chefpostens zu übernehmen – und A. Gusenbauer wirkt aus dieser Sicht wie ein unwissender Kugelfang, den man ins Schussfeld vor-geschoben hatte, während die Übrigen noch überlegen, wie es weitergehen sollte. Bereiten die Parteifreunde, hinter der Deckung kauernd, eventuell den nächsten Schachzug vor, während sich ihr Bauernopfer mit Vize Molterer herumschlagen darf? Vielleicht die Krönung einer Genossin, als Retterin der Partei in höchster Not?

Freitag, 13. Juni 2008

Abschied von den Rosen

Rosenkranz
Du umschließt eng den Hals,
Inwärts der vielfachen Kreise,
Deine Dornen wachsen leise,
Und sanft schmerzt du als
Rosenkranz
Am Haupte deiner Blüten Blut,
Krönt mir einen wunden Narren,
Will er allein der Stiche harren,
So schürt er sich des Blutes Glut
Zum Rosentanz
An seinem Reigen ist verloren,
Was der Gegenwart ist Gegenwert,
Gegenwärtig wird’s gewährt,
Nüchternzeit zu Wein vergoren,
Zum Rosentanz
Schmeckt der Wein alsbald nimmer,
Wartest du im gefüllten Fluss,
Auf den letzten Regenguss,
Und mit diesem wird es schlimmer
Im Rosenwanst
Das Weh ist dir ohne Gewichte
Drum suchst du seine Rosenmutter;
Hast ihre Reste dort im Zeitenfutter,
Gefunden zum Fraße der Geschichte
Im Rosenwanst
Alles verloren was erkoren,
Nichts gewonnen was ersonnen,
Was genommen schon zerronnen,
Mehr vergoren als gegoren.
Drum Rosenangst,
Stinkender Duft wie Stacheldraht,
Erstickt der Schönheit Stimme,
Treibt hinaus den Rosengrimme,
Hängt feste in der Wundennaht,
Drum Rosenangst.
Die dich alsbald panisch macht,
Stumpf geschrieen nur halbe Worte,
Über falscher Zeiten schlechte Orte,
Läuft der Berserker ohne Acht
In die Rosennacht,
Wo es meint zu irren,
Sprich nicht mit meinem Munde,
Höre nicht auf fremde Kunde,
Zerreiß mit Nichts die Wirren,
In der Rosennacht.
Nicht Trauer ist dein Begleiter,
Melancholie am Himmelsrand,
Geht dir nahe an der Hand,
Und Rosenpracht welkt weiter,
Gen Rosendämmerung
Längst verfault der Rosenduft,
Und des Lebensatem Tanz,
Sprengt den engen Rosenkranz,
Setzte Rosenmann an die Luft.
Nach der Rosendämmerung
Wo nun frische Veilchen gedeihen,
Und helle Birkenstämme stehen;
Wo der Weiden Blätter wehen,
Und Rosen in ihren Töpfen weilen,
am Rosenende,
Wo am Rosenpfad ich wende,
Mir die Plänzlein folglich scheinen,
Die nicht nur Schein zu geben meinen,
Hoffnungsgewiss verrichte ich behände,
Dein Rosenende.

Mittwoch, 4. Juni 2008

Unbesprochenes offensichtliches Misstrauen

Es ist völlig belanglos, wie, welcher Art die Durchleuchtung, Erforschung, Aufzeichnung und Manipulation des Privaten, von Seiten des Staates, durchgeführt wird. Ob drei fremde Menschen per Internetüberwachung alle von mir besuchten Seiten nennen können oder das gesamte Innenministerium meine Krankengeschichte kennt; ob dies per Einsicht in gespeichert Daten über mein digitales Leben geschieht oder man direkt auf meine Computer zugreift (Microsoft versucht dies regelmäßig), per Trojaner oder polizeilichen EDV-Techniker; ob meine Lieblingsgratispornoseite auf Hinweise von illegalem Bildmaterial untersucht wird oder man die Inhalte der Bücher - über "geheime" Verschwörungstheorien - analysiert, die ich über Internet bestelle; ob man so zusagen „analog“ beobachtet, in welchen Kreisen ich in meiner Freizeit welches Bier in welchem Lokal konsumiere oder man die Details meiner Einkaufsliste einsieht – Egal.

Sobald die Beamtenschaft die Möglichkeit hat, auf diese Weise nach Verbrechern, politischen Gegnern oder den Liebhabern ihrer Ehepartner zu fanden, ohne dafür belangt werden zu können, sobald sie die technischen Möglichkeiten hierfür in Händen hält und es keine gesetzlichen Regelungen gegen ihren generellen Einsatz gibt, wird sie diese anwenden - das erzwingt die menschliche Natur, vielleicht auch nur die Natur der Korruption bzw. die Natur der Macht (das ist mir noch ungewiss).
Es ist mir jedoch völlig gleichgültig, ob einzelne Exekutivbeamte wissen, dass ich ein Epithel-Geschwülst am Arschloch habe und sollte die Abteilung X - für abstruse Existenzen - des Innenministeriums Einblick in die psychologische Struktur meiner Neurosen haben, können sie mir nur leid tun, denn diese sind ansteckend und/oder höchst den Geist verwirrend. Und für den Fall, dass ein Einsatzkommando der Polizei mein Zimmer mit Blendgranaten und Tränengas erstürmt, um meinen Computer zu entführen, während ich allerorts per Steckbrief gesucht werde, weil ich mir vor Jahren einmal eine billige DVD-Raubkopie aufschwatzen lies, so bin ich unter Umständen selbst daran schuld.

Alles was in dieser Sache, über die Ausrüstung und Anwendung der Staatsdienerschaft, entscheidend zu klären ist: Wird sie rechtens eingesetzt oder stellt sie nur ein weiteres Instrument der „Freunderlwirtschaft“ dar? Wird sie gerecht eingesetzt, um der Sicherheit des Gemeinwesens zu dienen oder um dieses zu korrumpieren?

Es hat keinen Sinn über die Details von Überwachungsmaßnahmen zu reden, wenn wir nicht einmal bestimmt aussagen können, der Staat und die Exekutive würden ihre Macht niemals missbrauchen – dies nämlich können die Machthaber, so sie wollten, mit oder ohne Onlinespionage und Lauschangriff, hierzu dienen auch altmodische Methoden. Wir sollten uns also zunächst über die Existenz und Gefahr eines Attentäters beraten, bevor darüber diskutieren, ob er uns mit dem Dolch oder dem Giftpfeil nachstellen wird. Und wenn man annimmt, dass im Gebüsch ein wildes Tier lauert, so sollte man zu erst das Gebüsch meiden, bevor man darüber redet, um welche Art Getier es sich möglicherweise handelt und ob es einen wohl zuerst mit Krallen oder Horn angreifen wird.

Bei Churchills Melone! Es scheint so, als ob man sich bereits mit der Tatsache des Missbrauchs von Exekutiv-Stellungen abgefunden hätte und nun nur noch darüber verhandeln wolle, wie weitgehend, mit welchen Methoden und durch welche Ausnahmen beschränkt diese vollzogen werden sollte – ganz so, als ob sich innerhalb eines, wie auch immer ausgeprägten, korrupten Systems davon ausgehen ließe, dass sich irgendjemand an solche Abmachungen halten würde. Jeder schwatzt über Bedingungen und Ausmaß von Überwachungsmethoden, so als ob es völlig natürlich wäre, dass diese dem Missbrauch anheim fallen würden, sobald sie zum Einsatz kämen – warum aber diskutiert dann niemand über die Gefahr des Missbrauch an sich, die jeder erwartet, voraussetzt und überall zu erkennen scheint. Mit „jeder“ meine ich natürlich die verantwortlichen PolitikerInnen. Vielleicht weil sie allesamt am Missbrauch beteiligt sind, niemand jedoch den Fellzipfel am Ungetüm, das wir (Staats-)Macht heißen, loslassen will, von dem ein jeder meint es kontrollieren zu können, wiewohl es ihn mitreisst wohin sein Eigenwille es treibt? Kann es sein, dass die Gefahr des grundlegenden Missbrauchs undiskutiert bleibt, da man zwar fürchtet, dieser könnte die eigene Machtposition gefährden, ihn jedoch als Instrument, auf das man selbst zugreifen könnte, dennoch nicht missen wollte; und nun versucht man über Verhandlungen zu regeln, das der Missbrauch nicht das eigene Ressort befallen könnte?
Wir sollten dringend über den Ursprung des Misstrauens sprechen, bevor wir uns detailiert mit der Frage der richtigen Orte für Positionierungen von Überwachungskammeras auseinandersetzten. Das eigentliche Problem ist der ausführende Mensch hinter der Technologie - würden wir die Technologie an sich verdammen, so könnten wir auch zu den Amish-People auswandern. Doch die Holzaxt wird dennoch vom zornerfüllten Eifersüchtigen geschwungen und schlägt sich nicht selbstständig in den Schädel des Widersachers. "Woher rührt der Zorn, der Missbrauch der Axt", lautet dann die zu stellende Frage und nicht woher die Axt komme, wo sie zu sein habe und wer sie geschliffen - letztere Punkte überlassen wir den Anwälten.

To Rule Or To Repair

Der entscheidende Unterschied zwischen Hillary Clinton und Barak Obama liegt vielleicht in der Ehrlichkeit oder zumindest in der Ehrbarkeit der jeweiligen Zielsetzungen. „Change“ ist zwar gewissermaßen das Motto beider Kandidaten, doch Differenz und Teufel liegen im nicht unwesentlichen Detail bestimmter Randbemerkungen. Clinton ruft: „…to rule the world again! “. Jedoch hört man von Obama: „…to repair the world! “ Dass nun letzterer das Vorwahlrennen endgültig gewonnen hat, spricht gegen die, in den letzten Jahren mutierten, vorurteilenden Stimmen des Antiamerikanismus.

Sonntag, 1. Juni 2008

Grind

Hoheit - hoch heiter,
Ohnmacht - dahin weiter;
Macht gemacht,
Mal erwacht,
Nun gewacht!
Über die Streiter.

Weiter - muss weitergehen,
Verständnis - muss verstehen;
Schneller schaffen,
Mehr raffen,
Weniger gaffen!
Gaffer müssen vergehen.

Nichts - nicht sprechen,
Alles - alles brechen;
Blöde sein,
Stumm schrein,
Kaufe lieber ein!
Waren halten Versprechen.

Manchmal.

Zeitlich verschobenes Beschwerderecht

Hatte freitags einen Rechtshilfe-Workshop besucht. Wusstet ihr, dass man sich in Österreich – vermutlich auch in den meisten anderen Staatskonstrukten – nicht gegen eine Amtshandlung wehren oder einmischen darf, selbst wenn man ihre Rechtswidrigkeit erkennt. Das einzige Mittel, dass einem zur Verfügung steht, um seine Rechte gegen das Gewaltmonopol des Staates zu verteidigen, ist im Grunde jenes, auf welches ohnedies jedes Opfer – durch was auch immer dazu gemacht - in der Regel zugreift, das zu dessen Anwendung noch in der Lage ist: Beschwerde darf man im Nachhinein einreichen (es sei denn man hat dunkelbraune Haut – dann dürfte man zwar auch, ist aber meist nicht mehr dazu in der Lage). Solange die österreichische Polizei sich an die Regeln hält, verhältnismäßig handelt, ist die Ohnmacht des zivilen Bürgers gegen über dem Gewaltmonopol ausgeblendet – Korruptionsfälle hin, Parteilichkeit her.

Dieses Verhältnis von Demokratie und bürgerlicher Ohnmacht erinnerte mich sehr an die heitere Welt der Politik: Man wählt alle 4 oder 5 Jahre eine Partei, lässt sich von ihrem Wahlprogrammen und Versprechungen beeinflussen (sofern es ein Programm gibt, die Versprechungen nicht zu absurd sind) und kann für die Dauer einer Legislaturperiode zusehen, wie die gewählten Vertreter der Wirtschaftslobbys – ich meine – die „Vertreter des Volkes“, tun und lassen können was sie wollen, ohne das es von Seiten der Bürger oder der unmittelbar Betroffenen die Möglichkeit zum Eingreifen oder zur Mitsprache gibt. Angst vor dem Zorn der Wähler müssen Politiker erst viel zu spät fürchten und das Gedächtnis des Wahlvolkes ist schlecht, ebenso wie seine kollektive politische Wahrnehmung. Zudem gibt es ein ausreichendes Kontingent an Stammwählern, die die Parteiklüngel mit der Bedeutung von Fußballvereinen gleich setzen, sodass es in Österreich eigentlich nur zwei Parteien gibt, die sich seit Beginn der zweiten Republik die Macht im Lande teilen.
Aber auch hier gilt: Solange es zu keiner ärgeren Krise, zu keiner Katastrophe kommt, solange der verhältnismäßige Wohlstand die Bürger an ihren, von Fernsehflimmern beschienen Fleisch-Plastiktöpfen hält und sie ausreichend Zeit und Ressourcen finden, sich mit ihren alltäglichen Problemen zu ärgern, wird niemanden diese Machtlosigkeit auffallen, der das Volk auch in dieser Demokratie ausgeliefert ist.

Nun gibt es Menschen, die aus offensichtlichen Pseudo-Demokratien in unsere einwandern wollen und was kann man nun tun, wenn man als Beobachter erkennen muss, dass das Innenministerium die (Menschen-)Rechte dieser Personen missachtet? Nichts. Ausnahme: Man kann sich beschweren, protestieren, demonstrieren – im Nachhinein, wenn das eine Flüchtlingspaar während der unberechtigten Abschiebung längst in Italien abhanden gekommen ist, wenn der Afrikaner während des Fluges bereits verstorben ist, wenn das Urteil über ein unbescholtenes Mädchen aus Frankenburg längst verhängt wurde. Der verantwortliche Innenminister tourt derzeit durch Österreich, um sein Image aufzubessern. Sollte dies mit euren Steuergeldern finanziert werden – was wollt ihr tun? Ihr könnt euch im Nachhinein beschweren, auch wenn dies keine Konsequenzen für den Verschleuderer haben würde. Solltet ihr während einer Kundgebung, durch die ihr euren Unmut gegenüber der aktuellen Asylpolitik zum Ausdruck bringen wollt, - ob begründet oder nicht – vom Schlagstock eines Polizisten geküsst worden sein: Könnt ihr im Nachhinein eine Beschwerde einreichen – sich zur gegebenen Zeit gegen die Gewalt des Polizisten zu wehren ist nicht gestattet, kann sogar zur Anzeige gegen euch führen. Ohnmacht. Würde eure Kundgebung, die eines der wenigen politischen Mittel, der wenigen Möglichkeiten zur öffentlichen freien Meinungsäußerung darstellt – welche euer Recht ist – aus unerfindlichen Gründen aufgelöst werden…Richtig: Ihr könnt im Nachhinein einen Beschwerdebrief schreiben. Ihr könnt Anzeige erstatten, ihr könnt den Staat vor seine eigenen Gerichte schleppen – so ein Staat ist allerdings ziemlich schwer und wie hoch die Urteile des obersten Gerichtshofes in diesem Rechtsstaat geschätzt werden, kann man an der Ortstafel-Problematik in Kärnten erkennen. Wenn die Gruppe, um einen lokalen Parteiklüngel die Würde einer Volksgruppe nicht anerkennen will, so kann man gegen diese Ignoranz nichts machen. Natürlich, man kann sich beschweren.

Auch in Russland kann man sich bescheren. Manchmal, wenn die Beschwerde all zu verbreitet, zu fundiert, zu erschütternd ist, kann man nicht einmal das. Was unterscheidet Österreich von Russland? Bisher war der allgemeine Wohlstand ausreichend, um die Politiker der Parteien in ihrem Machtstreben zu sättigen und sich mit kleineren Korruptionen zufrieden zu geben. Würde sich die ändern und läge den Mächtigen – z.B. aufgrund sinkenden Wohlstandes und Reichtums, aufgrund einer Lebensmittelkrise oder eines Zusammenbruchs der Finanz-Wirtschaft – an einer einseitigen Festigung ihrer Position, ihrer Privilegien, so könnte man sich nur noch im Nachhinein beschweren.

Natürlich wird es dazu niemals kommen, genauso, wie es niemals Studiengebühren an österreichischen Hochschulen geben wird; ebenso, wie niemals Menschen, die ein Verwaltungsdelikt begingen, indem sie die Grenze inoffiziell übertraten, für Monate in eine Zelle gesperrt werden; wie Staatsverträge niemals ausgesetzt werden, nur weil private Unternehmen an einem Fußball-Großereignis ohne Zwischenfälle verdienen möchten; so wie es niemals Machtmissbrauch durch Politiker innerhalb der Polizei gibt und die katholische Kirche im säkularen Staat sich nicht in politische Entscheidungen einmischt.

Wir haben zugelassen, dass die allgemeinen und wesentlichen Menschrechte, sogar das Asylgesetzt zu gewissen Teilen, gegenüber Personen ausgesetzt wird, die am Rande der Weltgemeinschaft stehen, die uns nichts angehen, für die wir nichts machen wollen, von denen wir unsere Gesichter abwenden. Nun wurden Tierschützer verhaftet und ob diese nun eine militante Gruppe gebildet haben, ein Terrornetzwerk zwischen Kindercafe und Graffitiszene, oder nicht – im Kampf gegen den Terror ist schließlich jedes Mittel recht und was „Terror“ ist bestimmt das Innenministerium – gewisse Rechte der noch nicht einmal offiziell Angeklagten wurden teils tatsächlich, teils angeblich, nicht berücksichtigt. Man ist gerade dabei sich zu beschweren. Natürlich kann es sein, dass diese Tierrechtler Vandalismus begangen haben, irgendwelche Tierquäler bedrohten, natürlich ist es möglich, dass sie eine militante Organisation gegründet haben, doch macht sie das sogleich zu Vogelfreien?

Richtig: Es handelt sich nur um „Alternative“, um linke Zecken, Leute die zu viele Bücher lesen. Doch waren es zunächst die Papierlosen, die illegalen Einwanderer, etwas später die legalen, die gewissen Leuten nicht passten; waren es noch später die Muslime, die wir unter Generalverdacht stellten; so sind es heute die links-alternativen Lästerer, die Spielverderber beim Treiben des zügellosen Kommerzes und morgen sind es vielleicht alle Bürger die sich kritisch gegenüber der Gesundheitspolitik äußern. Russland ist nicht so weit weg, wie wir möglicherweise annehmen und was dem Putin der Tschetschenienkrieg ist, ist unseren Staats-Parteien der – wie auch immer geartete – internationale Terrorismus (und wenn wir lange keinen mehr hatten, dann erfinden wir uns einen neuen). Schritt für Schritt, kaum merklich und hinter verschlossenen Türen – darin ist Österreich seit jeher besonders gut - nähern wir uns den Vorbildern des modernen, international uneingeschränkt agierenden Ultrakapitalismus an. China und Russland sind die großen Idole derer die sich für Politik nicht interessieren, es sei denn sie bedeutet Geld. Die Ohnmacht des Bürgers innerhalb des republikanischen Systems, gegenüber den wirtschaftlichen oder politischen Machthabern, ist bei uns längst angekommen: Aber schreiben wir doch im Nachhinein eine Beschwerde-Email und verschenken wir Abfindungen an überbezahlte Manager, dann ist alles wieder gut.