Dienstag, 20. Mai 2008

Österreichische Debatte über die Reform des österreichischen Gesundheitswesens

Österreichische Debatte über die Reform des Gesundheitswesens? Was sollte man darüber schreiben?
Ich kann nicht sagen, ob es zweckdienlich – nämlich für die Patienten – wäre, wenn man den Ärzten vorschreiben würde, was sie, von welchem Hersteller, in welcher Form verschreiben dürfen - wobei sich der Schrei nach mehr Generika, im Gebot der ausschließlichen Wirkstoffverschreibung zu ersticken scheint, es sei denn, die Apotheker verzichten freiwillig auf Einnahmen, wovon der Sozialstaat allerdings auch nichts hätte. Im Zweifelsfall, und der ist gegeben, es sei denn, ein langsam sprechender TV-Pädagoge erklärt mir noch einmal, warum die bisher veröffentlichten neuen Vorschriften, in Detailbereichen wie dem Missbrauchschutz der E-Card oder der Form(alität) der Medikamenten-Verschreibung das Gesundheitssystem großartig entlasten würden, - im Zweifelsfall also, entscheide ich mich einerseits für den Arzt als Chefkoch der Rezeptur des für mich bestimmten Gesundheitscocktails, da dessen Geschäftsziel gesunde Patienten sind, während der Apotheker naturgemäß vor allem einen möglichst hohen Umsatz mit dem Verkauf diverser Mittelchen erzielen will, wobei ich nicht bestreiten möchte, dass auch er ausschließlich von gesundenden Kunden profitiert, wenn auch diese Gesundung nicht unbedingt an den Preis gekoppelt ist – was dem verschreibenden Arzt egal sein kann, es sei denn er wird von Pharma-Firmen geschmiert. Aber das will ich nicht voraussetzten, wenn ich fordere, dass den Ärzten das selbständige Arbeiten gestattet bleiben soll.

Andererseits kann ich die Regierung gut verstehen, wenn sie von den einzelnen Ordinationen mehr Kontrolle darüber fordert, wer mit welcher Sozialversicherungsnummer was von der Krankenkassa gezahlt bekommt. Immerhin tragen die Kassen die Verantwortung für die Verwaltung sämtlicher Mitgliedsbeiträge, die den praktizierenden ÄrztInnen und ihren MitarbeiterInnen nicht gleichgültig sein sollten. Ob diese verbesserten Kontrollen allerdings das Gesundheitswesen ausschlaggebend modifizieren würden, weiß vielleicht Prof. Mag. DDr. Günther Hosenträger – der in den Medien allerdings völlig unterging?

Immer wieder wird von der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (OÖGKK) als Musterbeispiel berichtet. Diese wirtschaftet offenbar sehr gut, so eine Erkenntnis, mit welcher nicht viel angestellt zu werden scheint, auch wenn die politischen Verfechter der bisherigen Reformvorschläge, die die Ärztekammer auf den Großglocknergipfel der Entrüstung treiben, behaupten, man wolle die übrigen Kassen der OÖGKK anpassen.

Warum – bei Paracelsus Wanderschuhen – beklagen sich die Ärzte und Politiker Oberösterreichs, sogar aus den Parteien der Verfechter, über die angestrebte Gesundheitsreform dermaßen? Fragen über Fragen – ich weiß, es ist unfruchtbar, aber in dieser Causa habe ich nicht mehr zu bieten. Dafür aber noch mehr Fragen: Stiegen die Ärzte in Oberösterreich je auf die angedeuteten Barrikaden? Wird den Ärzten die Verschreibung von Generika bzw. ausschließlich von Wirkstoffen, deren pharmazeutische Produktform die ApothekerInnen bestimmen dürfen, von der OÖGKK vorgeschrieben? Gibt es in Oberösterreich strengere Kontrollen gegen die Sozialversicherungs-Piraterie (welch ein boulevardeskes Wort)im Vergleich zu anderen Bundesländern? - ein Phänomen von dem mittlerweile gesprochen wird, als wäre es quantitativ auf der Höhe der Banken-Korruptionsfälle angelangt. Wo nicht, scheint der Erfolg der OÖGKK vermutlich am wirtschaftlichen Management zu liegen. Über dieses wird aber nicht debattiert – über alles andere offenbar schon.

In dieser Aneinanderreihung gegenseitiger Missverständnisse, die den jeweiligen Verhandlungspartner erzürnen und das Ausbügeln von Ungereimtheiten in eine Länge zieht, die durchaus als „österreichische Bügelfalte“ in die Geschichte eingehen könnte, wenn von vergleichbaren politischen Entscheidungsprozessen die Rede ist, sollte man sich darauf beschränken offen über Anliegen und Ziele zu sprechen, anstatt die Betroffenen und Konsens-Beteiligten mit bereits vorausgeschickten Maßnahmen-Paketen, die die Anliegen und Ziele überdies zu vernebeln scheinen, zu verunsichern.

Gut, gut! Raphael sagte, ich solle mich aufs Wesentliche beschränken. Also: Ehrlichkeit und Offenheit, sind selten in öffentlichen (ja, richtig…) Debatten, aber scheinbar auch bei nicht öffentlichen Entscheidungsprozessen zu finden - Obwohl Ehrlichkeit und Offenheit einem sehr viel Zeit, Energie und Erfolgschancenreduktion sparen. Als vernünftiger Mensch unter Menschen ist man sich darüber im Klaren, tut aber alles Erdenkliche um sich nicht daran erinnern zu müssen. Ich weiß natürlich, dass das oberste Ziel am Ende eines Seminars für Führungspersonen zur richtigen Verhandlungsstrategie, ein etwas smarterer, etwas besser gekleideter, etwas besser gebildeter und mit etwas wichtigeren und komplexeren Themen beschäftigter Klon eines Gebrauchtwagenhändlers aus Dallas ist, in solchen der Teilnehmer transformiert wird, auf dass er seinen energetischen, strategischen Taurin-Rhetorik-Elan auch in der Politik zur künstlichen Blüte treiben kann. Auch will man selbstverständlich nicht all seine Karten offen legen, wenn man meint, aus einer entsprechenden Verhandlung, mit etwas Vorsicht, mit etwas Geschick einen persönlichen Vorteil herausholen zu können. Ist diese Spielerei aber notwendig, in solchen Debatten wie um die Reformierung/Restaurierung des österreichischen Gesundheitswesens – oder können die Beteiligten, aus lauter Gewohnheit, schon nicht mehr anders? Vielleicht müssen wir auch in einem ganz anderen Bereich „restaurieren“, bevor wir uns ans Gesundheitswesen machen.

Setzen wir eine geschlechtlich heterogene Gruppe von Schülern ins Verhandlungszimmer und wir erhalten bis zur großen Pause ein Ergebnis, das von allen Beteiligten unterzeichnet werden kann. Das Alter ist, bei all der zunehmenden Lebenserfahrung, doch manchmal ein Fluch dessen genauer und hoch offizieller Name „Verkomplizierung“ lautet – aber nicht aussprechen, sonst trifft euch der Fluch ebenso.

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