Montag, 12. Mai 2008

Medialschrecken und sein Irren

Die Bilder und Töne, die uns von grölenden Anhängermassen der rechten Gesinnung aus Serbien gesandt wurden, hatten den Eindruck erweckt, dass es bei dieser Wahl für Tadic und seinem Kurs gen EU schlechter aussehen könnte. Aber diesmal wurde mittels dramatischer Berichterstattung über die, aufgrund des Verlustes des Kosovos, wütenden Serben, ein falscher Pessimismus erzeugt. Mit 39 % der Wählerstimmen siegte der Europa-Block über die extremnationalistische SRS (29%).

Man muss sich also nicht immer von den durch die Medien vermittelten Perspektiven den Eindruck über die Welt vermiesen lassen. Zudem zeigt dieses Beispiel, dass die Berichterstattung der meisten Massenmedien sich vor allem auf die Dramatik einer explosiven Stimmung konzentrierte, als auf eine möglichst breite Sicht der serbischen Vorwahlstimmung – wo waren da all jene zu sehen und hören, die sich für Europa entschieden hatten und gegen die ultranationalistische Destruktivität.

Angesichts dieser Einseitigkeit der Medienmasse muss man somit auch vorsichtig sein, wenn von der Entscheidung der italienischen Maroni berichtet wird, die das Schengen-Abkommen für EU-Bürger einer gewissen Herkunft aussetzen will, weil u.a. Roma und Sinti unter Generalverdacht stehen, Vergewaltiger und Mörder zu sein (im Gegensatz zu Muslimen, die in diesem aufgeklärten Europa nach wie vor als Frauenunterdrücker und Terroristen gelten).
Da werden beispielsweise – auch auf meinem Lieblingsradiosender – die Begründungen der italienischen Regierung zu diesem Vorhaben unbestreitbaren Fakten gleich wiedergegeben.
Ich frage jedoch: Wo sind die Beweise, dass die Immigrationswelle nicht zu bewältigen sei, dass Integration von Wirtschaftsflüchtlingen überhaupt je versucht wurden. In einem Parlament, in welchem Parteien wie die Lega Nord sitzen und die Regierung erneut von Berlusconi geführt wird, sprechen die Indizien für die „Angeklagten“.

Man lässt Urteile über Menschenschicksale niederfallen und gestattet sich dies allein auf der Basis des eigenen unkontrollierten Populismus-Dranges. Hat ein Menschenschicksal nicht das Recht, durch durch Rechtsprechung bewusst deformiert zu werden? Nicht nur das man Klage bar jeder juristischen Vernunft und Legitimation, gegen Menschen eines gewissen Ursprungslandes erhebt, man verzichtet auch auf jegliche Beweisführung. Diese ist aber unabdingbar, denn gegen die Betroffenen wird gehandelt, man beeinflusst und bedroht deren Existenz und kann dafür nicht einmal konkrete Begründungen liefern. Würden sich diese klagenden Politiker auf ihre Polemik gegen gewisse Menschengruppen beschränken, so könnten sie auf Legitimationen verzichten; da sie aber direkt restriktiv und feindselig gegen diese Menschen vorgehen, darf eine Gesellschaft, die sich zu Rechtstaatlichkeit bekennt, doch nicht damit Begnügen, dass diese ablehnenden Vorgehensweisen allein durch Vorurteile und Gerüchte begründet werden. Diese Menschen werden vom Staate, der das Recht- und Gewaltmonopol repräsentiert, vorverurteilt und man gewährt ihnen nicht einmal ein Verfahren, das die erneute Entrechtung rechtfertigt.

Obwohl ich mit diesem Begriff üblicherweise behutsam umgehe, kann ich diese Politik der italienischen Regierung nur faschistisch nennen. Die Juden sind längst unantastbar geworden, doch wie schnell vergessen wir, trotz der ganzen Dokumentationen und Filmtragödien, die uns umschwirren, wohin das anfängliche Gewähren unbegründeter, unterdrückender Maßnahmen gegen minderheitliche Volksgruppen letztlich uns bringen kann. Diese Ungerechtigkeit muss nicht zu einem Realfaschismus führen und ist bei weitem nicht mit dem Schicksal der Juden, Roma, Sinti, Homosexuellen und humanistische Moralisten während des zweiten Weltkrieges zu vergleichen, um dennoch zu etwas Schreckliches zu beschwören.
Vielleicht sind wir aber gerade aufgrund der Schrecknisse, die uns die Medienmasse tagtäglich liefert, zur Unempfindsamkeit, unsere Sinne zur Trübheit abgenützt worden, um die Ungerechtigkeit noch erkennen zu können – auch wenn diese nicht zu blutigen Gewaltdarstellungen hinreicht. Ein Einreiseverbot – unbegründet – kann immer noch ein ganzes Leben zerstören, auch wenn es nichts mit einer AK-47, einem vermummten Entführer in irgendeiner Wüste, einem fernen Regime zutun hat, sondern nur mit dieser unseren EU-Politik.

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