Freitag, 25. April 2008

Señor Vargas und der tote Hund

Auch ich will hierzu antworten, da ich gerade eine E-Mail bekam, in der gebeten wird, eine der Petitionen gegen Guillermo "Habacuc" Vargas zu unterzeichnen, der 2007 in der Galerie Códice einen Straßenhund festgebunden haben soll, woraufhin dieser angeblich verhungerte. Dies behaupten sowohl unzählige Blogs, als auch der Spiegel.de. Auf guillermohabacucvargas.blogspot.com kommt nicht etwa der Mann selbst zu Wort, sondern es wird über ihn postuliert. Dort werden auch Statements von Vargas selbst zitiert, in verschiedenen Varianten seine Tat erklärend, die er auf seinem mySpace-Bereich veröffentlicht haben soll. Auf diese Seite wurde allerdings nicht verlinkt und ich selbst konnte unter dem Namen des angeblichen Provokateurs auch keinen Eintrag finden.

Der englischsprachige Eintrag zu ihm, stellt die Tötung des Hundes sogar als unbewiesen dar, wobei man nicht vergessen darf, dass das Wikipedia-Projekt natürlich nicht lückenlos und unfehlbar sein kann – wenn es auch glaubwürdiger ist, da es mit aufschlussreichen Quellen aufwarten kann. Widersprüchliches findet sich allerdings auch im Wikipedia-Artikel: Da wird die Galerieleitung zitiert, die erklärt, dass der Hund zum einen von Vargas selbst gefüttert wurde, zum anderen „only“ für drei Stunden an einem Tag angebunden war, bevor er entkam. Einen Absatz davor verneinte die Galerie, in indirekter Rede, dass der Hund je angebunden war. Auf den kursierenden Fotos war der Hund angebunden, wobei der Wiki-Artikel erwähnt, dass nicht ersichtlich ist, wer die Fotos wo aufgenommen hatte.
Dem Spiegel-Report nach, soll der Hund, nachdem Vargas mit Hundefutter über ihn an die Wand "Eres Lo Que Lees" („Du bist was du liest“) schrieb, tags darauf gestorben sein.
Die Angaben zu oder von Guillermo Vargas selbst, sind im Internet – soweit ich das erkennen konnte – spärlich gesät, die Einträge zu seiner vermeintlichen Tat sind umso zahlreicher und scheinen sich gegenseitig zu kopieren. Ob dieser Mensch tatsächlich existiert und jenen Hund verhungern lies oder nicht, kann ich also nicht schreiben, jedoch ist es herrliches Beispiel dafür, wie Informationsvermittlung, oder auch die „virtuelle Kybernetik“, funktionieren. Man muss, selbst bei Informationen seriöser bzw. großer Medienunternehmen, sich eine gewisse Skepsis bewahren – gerade im Internet. Denn es scheint so, als ob die Qualität der jeweiligen Informationsformen mit der Höhe der Quantiät ihrer Gattung und Übertragungsform seltener wird; und je einfacher die technischen Möglichkeiten der Kommunikation sind, umso schlampiger wird sie. Aber auch dies ist nur eine Hypothese. Überzeugt euch in diesem Fall selbst, die Widersprüchlichkeiten sind schnell gegoogelt.

Sollte dieser ganze Fall der Wahrheit entsprechen, so sei folgendes von mir angemerkt: Wenn ein offenbar Verrückter oder ein Sadist, vor oder sogar für die Augen der Öffentlichkeit ein Tier quält, ist die Schuld derer, die dies nicht verhindern, obwohl sie es könnten, nicht sogar größer, als die des eigentlichen Täters? Schließlich wäre der Täter als wahnsinnig oder krank zu erklären, wonach von ihm kein vernünftiges Verhalten vorauszusetzen ist, schon gar nicht, wenn er das Gegenteil von Vernunft und Gerechtigkeit - im wahrsten Sinne des Wortes – vorführt; während von den Beobachtern doch durchaus ein vernünftiges und gerechtes Verhalten zu erwarten sei. Natürlich lässt sich dem entgegenhalten, dass die Besucher einer solchen Ausstellung nicht unbedingt einsehen können, dass der Hund am verhungern ist. Meines Erachtens sollte sich jedoch jeder Mensch fragen, ob es mit rechten Dingen zugehen kann, wenn man ein lebendiges Tier an einem Seil in einer Galerie angebunden hält. Ob das Ausbleiben von Zivilcourage mit Unkenntnis, Feigheit oder dem Mangel an Vernunft, Gerechtigkeitssinn und Gesundheit zusammenhängt, lässt sich nicht eindeutig ersehen. Welche Ausreden gäbe es ansonsten: Wenn die Kunst Kritik äußerst, indem sie das zu Kritisierende nachahmt widerspricht sie sich selbst und die Künstler, sofern Kritik gegen Verbrechen gemeint sind, machen sich selbst zu Verbrechern.

Links:
http://en.wikipedia.org/wiki/Guillermo_Vargas
http://guillermohabacucvargas.blogspot.com/
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,512799,00.html

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