Donnerstag, 17. April 2008

Demokratiezweifler als deren Verteidiger

Argumente interner Diskussionen zur EU-(Politik), die sich mit der propagierten Darstellung rechtspopulistischer Parteien decken, werden in ihrer Ausführung meist mit beschwichtigender Rhetorik geführt, dahingehend, dass man durchaus eine objektive Ansicht vertreten wolle, um in der Endphase – wenn im Radio beispielsweise der Moderator Einhalt gebietend an die notwendige Beschränkung der Redezeit erinnern muss – in emotional aufgeheizte Plaudererei über fragwürdige Vorstellungen zu verfallen. Es erwächst der Eindruck, dass auf sehr unterschiedliche Weise versucht wird, die Vorurteile und Propaganda-Meinungen niedriger Politik, in denen durchaus ein wahrer Kern stecken kann, in eine plausible Erscheinung zu fügen, sie in eine hochwertigere Rhetorik zu kleiden, damit der Populismus gegen die EU – vermutlich auch im Auge solcher Kommentatoren selbst – glaubwürdiger und vom Nationalismus distanziert erscheint. Es scheint so, als müsste sich ein gewisser, besser gebildeter Teil der Bevölkerung selbst davon überzeugen, dass es tatsächlich so schlimm um die EU steht, wie es auch ohne den Rechtspopulismus den Anschein haben könnte und wie es deshalb sein muss, weil selbst die rechten Kleinparteien und die Massenblätter nicht völlig falsch liegen können, wenn sie mit solch großen Mengen an Kritikpunkten aufzuwarten wissen, wie sie es tun.

Anhand der so genannten Atompolitik, die im Zuge der drastischen klimatischen Veränderungen innerhalb der EU jenen Zuspruch erhält, der einen Ausbau dieser Technologie fördert, lässt sich der Trugschluss solcher argumentativer Logik – zumindest meines bescheidenen Erachtens – ersichtlich machen. Denn seit Anbeginn der AKWs ist das AKW-freie Österreich von solchen Kraftwerken umzingelt und seine Bewohner beziehen, meist ohne ihr Wissen, aus anderen Netzen solchermaßen genannten Atomstrom zu einem gewissen Teil. Als einziges Land ist Österreich, nunmehr EU-Mitglied, gegen den Ausbau der Atomenergie-Struktur in Europa und EU-Kritiker fassen diesen Umstand auf, um ihn als Beispiel dafür herzunehmen, wie sich Brüssel über kleine Staaten wie Österreich hinwegsetzt, indem es Atomenergie als saubere Alternative zu jenen Energie-Kraftwerken heranzieht, welche einen hohen CO2-Ausstoss verursachen oder nicht ausreichend Strom erzeugen können.

Allerdings war Österreich vor dem Beitritt zur EU gegen den Bau von AKWs, war es danach und wird es auch weiterhin bleiben, während im übrigen Europa Atomkraftwerke gebaut wurden und werden. An dieser Haltung Österreichs ändert sich – meiner Einschätzung nach -, mit oder ohne Einfluss der EU, nichts und Brüssel wird Österreich nicht zum Bau von AKWs zwingen können. Selbst wenn also der Ausbau der Atomenergie gegen die Meinung der österreichischen Bevölkerung steht, so muss diese die gegenteilige Meinung anderer Völker und Staaten der EU akzeptieren, sowie sie es vor dem österreichischen Eintritt bereits musste, sowie auch die Bevölkerungen der AKW betreibenden EU-Staaten sicherlich über Teile verfügen, die ebenfalls der gefährlichen Atomkraft gegenüber abgeneigt sind, die demokratischen Beschlüsse ihrer von den jeweiligen Mehrheiten gewählten Vertretern jedoch zu akzeptieren haben. Das EU-Parlament und die EU-Kommission hat die Bemühung, einen Konsens zwischen all ihren höchst unterschiedlichen Mitgliedern zu finden, was wahrlich keine leichte Aufgabe sein kann.
Schon jene Menschen, die von den Europäern gerne als geistige Vorväter betrachten werden, allen voran jene, welche die Begriffe schufen, nach denen sich auch moderne Staaten definieren, wussten, dass die Staatsform der Demokratie nicht vollkommen ist. Deshalb jedoch die EU, aufgrund der Mängel der Demokratie, durch die es immer einen Teil geben wird, der mit den Beschlüssen der Regierenden nicht zufrieden ist, als Gesamtes, als Übel zu verunglimpfen und dabei den Mechanismus der demokratischen Entscheidungsfindung, der von den selben Leuten als ein höchstes Gut wahrgenommen wird, zu ignorieren, beinhaltet anarchische Tendenzen.

Es zeigt freilich die Geschichte, dass selbst gebildete Menschen, auch hoch intellektuelle, sich nicht zum ersten Male von regionalen Machtstrebenden verführen lassen. Dass hierbei jedoch, innerhalb der offenbar beeinflussten Argumentationsweise, die Demokratie als solches, die man glaubt gegen den Machteinfluss Brüssels zu verteidigen, in Frage gestellt wird – und solche Äußerungen mehren sich scheinbar – war wohl schon lange nicht mehr dermaßen ausgeprägt.
Vielleicht hat auch Katharina Moser in ihrer humoristischen Arbeit zu den typischen Eigenschaften der Österreicher, nicht ganz Unrecht, wenn sie meint, dass die Österreicher, trotz ihrer angeblichen Freundlichkeit, immer etwas herablassend auf andere Länder und Völker blicken. Vielleicht habe auch ich in der Ansicht Recht, dass im Kernland des ehemaligen Habsburgerreichs das Verständnis für demokratisch ermittelte Beschlüsse sich nie voll entwickelt hatte. Dies könnte auch erklären, warum seit Beginn der zweiten Republik – und auch während der ersten – sich nur zwei Parteien die Macht teilen.

Der durchschnittliche Österreicher wählt aus Gewohnheit und ist er nicht zufrieden, so sucht er die Gründe nicht in der realen Politik, sondern in den Massenblättern, schimpft darüber und schweigt des weiteren, bis er wieder Grund zum Maulen hat, wenn sich junge Menschen zu Demonstrationen und Protestmärschen auf die Straße begeben, um der Demokratie Leben einzuhauchen. Die jungen Menschen werden als Intellektuelle und Linke verschrien, so als wären dies beleidigende Bezeichnungen, und des Weiteren nicht ernst genommen und auch nicht zum Anstoß genommen, die eigene politische Trägheit zu überwinden.
Stattdessen wird darauf vertraut, dass falsche Interpretationen zu teilweise richtigen Fakten, sich eines Ärgernisses lohnen und das Fremde, welches nicht als das Eigene erkannt wird, Schuld am oftmals eigenen Versagen ist.

Die Unzufriedenen, die gerne schimpfen, wenn sie glauben keine Verantwortung zu tragen und nicht handeln zu können, aber den Mund halten, wenn es tatsächlich etwas zu sagen und zu tun gäbe, sie könnten sich ebenso mit Pflastersteinen bewaffnen und willkürlich in Geschäfte eindringen, um ihrem inneren Streben Ausdruck zu verleihen. Sie unterscheiden sich zu sprachlosen Anarchisten vor allem darin, dass sie zwar Sprache besitzen, aber keine Taten vollführen, während die anderen, aus dem Mangel an Sprache heraus, ihre Taten setzten. Sowohl die innere, als auch die äußere Anarchie bleibt ohne Ergebnis. Wer zulässt, dass sich seine Kritik an Europa, mit rechtsextremen und linksradikalen Parolen vermengt, sollte sich nicht über die Ergebnislosigkeit wundern – oder aufwachen. Wer um der politischen Show willen, kurz vor Ultimatum einer Entscheidung, eines Beschlusses, wild zu plärren beginnt, muss verstehen, wenn sein Engagement wie das eines Verrückten erscheint. Gerade auf der Ebene der Politik muss man der Öffentlichkeit die Möglichkeit gewähren, den eigenen Standpunkt, die eigene Gruppe und vor allem die eigene Position kennen zu lernen. Doch meist zu spät tauchen die Protestierenden in rebellischer Aufmachung auf den kleinen Bühnen des politischen Geschehens auf und erwarten, dass ein jeder auf sie hören solle, nur um sich hernach wieder ins Abseits aller Wahrnehmung zu verabschieden. Warum wird die EU selbst nicht als die eine große Bühne angesehen und genutzt, die eigenen Anliegen zu präsentieren. Geht die Kritik an der riskanten Atomenergie nur uns Österreicher an, die Undurchschaubarkeit der EU-Bürokratie, der Mangel an Mitbestimmung?
Doch vielleicht vereinigen sich diese gegenteilig begabten Verwirrten eines Tages unter einem jener regionalen Fürsten, die Angst haben, in der großen Einheit Europas an Macht zu verlieren und daher die jeweils eigenen Massen aufschaukeln, auf dass diese sich, über- und gegeneinander stürzend, als eine destruktiven Flut des gegenseitigen Misstrauens über den Kontinent ergießen.

Viele EU-Kritiker sehen die Souveränität ihres Landes bedroht, doch akzeptieren sie ihrerseits nicht die Entscheidungs-Souveränität der übrigen Mitgliedsländer und jene Brüssels. Entscheidet die EU gegen ihre Meinung, betrachten sie dies als Mangel an demokratischem Verständnis, als Diktatur europäischer Lobbyisten. Besser jedoch wäre es, den politischen Kindergarten zu verlassen und zu begreifen, dass wir nur durch den gegenseitigen Respekt, vor allem vor den Entscheidungen anderer Mitgliedsländer, in Europa zu einer tatsächlichen Einigung kommen und dass diese Einigung die Grundlage für eine politische Beteiligung schafft, uns zur Mitbestimmung berechtigt, durch die Österreich seinen Anliegen Geltung verschaffen kann. Wozu die verbalen oder physischen Gewaltakte, wenn wir zum ersten Male in der Geschichte Europas die Chance haben, ohne Gewalt zueinander zu gelangen. Wozu durch jene Gewaltakte die eigenen Argumente vergiften lassen, die bei weitem bessere Kritik abgeben, wenn sie ihre Klugheit bewahren und an ihrem Höhepunkt, vor lauter Eile, nicht ausgleiten und in den Dreck fallen. Wenn man sich von Schmutzkampagnen distanzieren möchte, so soll man dies ganzheitlich tun. Das Europa, das ich mir wünsche, wird es jedem danken.

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