Freitag, 25. April 2008

Señor Vargas und der tote Hund

Auch ich will hierzu antworten, da ich gerade eine E-Mail bekam, in der gebeten wird, eine der Petitionen gegen Guillermo "Habacuc" Vargas zu unterzeichnen, der 2007 in der Galerie Códice einen Straßenhund festgebunden haben soll, woraufhin dieser angeblich verhungerte. Dies behaupten sowohl unzählige Blogs, als auch der Spiegel.de. Auf guillermohabacucvargas.blogspot.com kommt nicht etwa der Mann selbst zu Wort, sondern es wird über ihn postuliert. Dort werden auch Statements von Vargas selbst zitiert, in verschiedenen Varianten seine Tat erklärend, die er auf seinem mySpace-Bereich veröffentlicht haben soll. Auf diese Seite wurde allerdings nicht verlinkt und ich selbst konnte unter dem Namen des angeblichen Provokateurs auch keinen Eintrag finden.

Der englischsprachige Eintrag zu ihm, stellt die Tötung des Hundes sogar als unbewiesen dar, wobei man nicht vergessen darf, dass das Wikipedia-Projekt natürlich nicht lückenlos und unfehlbar sein kann – wenn es auch glaubwürdiger ist, da es mit aufschlussreichen Quellen aufwarten kann. Widersprüchliches findet sich allerdings auch im Wikipedia-Artikel: Da wird die Galerieleitung zitiert, die erklärt, dass der Hund zum einen von Vargas selbst gefüttert wurde, zum anderen „only“ für drei Stunden an einem Tag angebunden war, bevor er entkam. Einen Absatz davor verneinte die Galerie, in indirekter Rede, dass der Hund je angebunden war. Auf den kursierenden Fotos war der Hund angebunden, wobei der Wiki-Artikel erwähnt, dass nicht ersichtlich ist, wer die Fotos wo aufgenommen hatte.
Dem Spiegel-Report nach, soll der Hund, nachdem Vargas mit Hundefutter über ihn an die Wand "Eres Lo Que Lees" („Du bist was du liest“) schrieb, tags darauf gestorben sein.
Die Angaben zu oder von Guillermo Vargas selbst, sind im Internet – soweit ich das erkennen konnte – spärlich gesät, die Einträge zu seiner vermeintlichen Tat sind umso zahlreicher und scheinen sich gegenseitig zu kopieren. Ob dieser Mensch tatsächlich existiert und jenen Hund verhungern lies oder nicht, kann ich also nicht schreiben, jedoch ist es herrliches Beispiel dafür, wie Informationsvermittlung, oder auch die „virtuelle Kybernetik“, funktionieren. Man muss, selbst bei Informationen seriöser bzw. großer Medienunternehmen, sich eine gewisse Skepsis bewahren – gerade im Internet. Denn es scheint so, als ob die Qualität der jeweiligen Informationsformen mit der Höhe der Quantiät ihrer Gattung und Übertragungsform seltener wird; und je einfacher die technischen Möglichkeiten der Kommunikation sind, umso schlampiger wird sie. Aber auch dies ist nur eine Hypothese. Überzeugt euch in diesem Fall selbst, die Widersprüchlichkeiten sind schnell gegoogelt.

Sollte dieser ganze Fall der Wahrheit entsprechen, so sei folgendes von mir angemerkt: Wenn ein offenbar Verrückter oder ein Sadist, vor oder sogar für die Augen der Öffentlichkeit ein Tier quält, ist die Schuld derer, die dies nicht verhindern, obwohl sie es könnten, nicht sogar größer, als die des eigentlichen Täters? Schließlich wäre der Täter als wahnsinnig oder krank zu erklären, wonach von ihm kein vernünftiges Verhalten vorauszusetzen ist, schon gar nicht, wenn er das Gegenteil von Vernunft und Gerechtigkeit - im wahrsten Sinne des Wortes – vorführt; während von den Beobachtern doch durchaus ein vernünftiges und gerechtes Verhalten zu erwarten sei. Natürlich lässt sich dem entgegenhalten, dass die Besucher einer solchen Ausstellung nicht unbedingt einsehen können, dass der Hund am verhungern ist. Meines Erachtens sollte sich jedoch jeder Mensch fragen, ob es mit rechten Dingen zugehen kann, wenn man ein lebendiges Tier an einem Seil in einer Galerie angebunden hält. Ob das Ausbleiben von Zivilcourage mit Unkenntnis, Feigheit oder dem Mangel an Vernunft, Gerechtigkeitssinn und Gesundheit zusammenhängt, lässt sich nicht eindeutig ersehen. Welche Ausreden gäbe es ansonsten: Wenn die Kunst Kritik äußerst, indem sie das zu Kritisierende nachahmt widerspricht sie sich selbst und die Künstler, sofern Kritik gegen Verbrechen gemeint sind, machen sich selbst zu Verbrechern.

Links:
http://en.wikipedia.org/wiki/Guillermo_Vargas
http://guillermohabacucvargas.blogspot.com/
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,512799,00.html

Donnerstag, 24. April 2008

Es gibt Stimmen die Sorgen über die, in einer Umfrage aufscheinende, Unzufriedenheit der Chinesen gegenüber Frankreich bzw. Europa raunen. Ich frage mich warum. Wirtschaftliche Gier hin und her, es kann sicher nicht falsch sein, den Unmut eines tyrannischen Regimes zu erwecken, wenn es auffordert sich zu bessern. Dass die europäischen Einmischungen schlecht ankommen ist, aus der Sicht des (europäischen) Verständnisses von Gerechtigkeit und Freiheit, ein gutes Zeichen.

Das steht nicht im Regierungsprogramm

Warum, o Herr, o heiliges Doppelkinn von Krawattenhausen, muss mein Herz diesen Wogen der Zweifel ausgesetzt sein, mein Aug solch Posieren schauen, mein Ohr solch Geplapper hören.
Die ersten 1 1/2 Jahr breites Gezanke, mit Stückchenweisen ansägen der eigenen Abmachungen darüber was getan werden darf und was nicht, und nun allgemein breites, jedoch verzweifelt wirkendes Grinsen und ebenso breiter Konsens – welcher darin besteht: Was auch immer bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP abgemacht wurde, daran wird festgehalten. Warum diese späte Einsicht? Schon klar: Man hat gemerkt, was den Demokraten in den USA noch nicht einleuchtet, dass man sich nur gegenseitig politischen Schaden zufügt, wenn man versucht allein dem Anderen, dem Koalitions-Partner, dem Genossen und Kollegen, zu schaden. Und eine Erstarkung der verkappten, faschistoiden(haften) PR-Agentur FPÖ, will man selbst der Wilhelm nicht, dem das zwar aus elitären, wirtschaftsbrachialen Gründen ganz gut passen müsste, jedoch nicht aus katholischer Sicht (irgendwie ist man ja doch auch Christ).

Also wurde mit einem Male aufgehört, sich gegenseitig in die Rippen zu boxen, weil man annahm, dies würde dem Gegner, für die nächste (Neu)Wahl einen blauen Fleck – der auch grün sein könnte - verpassen. Was in Russland die Oligarchie ist, ist in Österreich ein Kasperltheater, dessen Puppenspieler gerade Pause machen, weil die Kinder vereinzelnd weinen und plärren. Man nun grübelt, woran das wohl liegen kann und wie es wohl möglich wäre, den eigenen Dilettantismus weiterhin auf die Bühne zu bringen und zwar – was sehr schwierig ist – ohne das er bemerkt wird. Zeitweise wird sogar hinter zugezogenen Vorhang gezockt und dann heißt es nur „Wir tun das, was im Regierungsprogramm steht“, wenn nicht „Kein Kommentar.

Was im Regierungsprogramm steht…Als würde sich ein Dirigent fürchten (oder zwei) beim Dirigieren den Blick aus den Noten zu nehmen. Das Orchester sucht vergeblich nach Augenkontakt, denn der Maestro (die Maestros) wollen keinen Fehler begehen und dadurch etwa missfallen. Als würde ein (oder zwei) Steuermann vor lauter Sorge sich im großen Unwetter zu verfahren, nicht den Blick vom GPS-Navigationsgerät lassen können, um geradlinig in den nächsten Eisberg zu donnern. Schlimme, schlimme Vorstellungen. Aber vielleicht bewahrheiten sich dies Metaphern demnächst in einer Katastrophe, vielleicht durch eine Privatisierung der Regierung – oder ist das schon geschehen? Denn was kann schon bei einer Regierung herauskommen, die sich davor fürchtet zu re(a)gieren, weil man Angst vor den möglichen Reaktionen des Regierungspartners hat, weil man zudem den Wählern gefallen will und daher die Maske der Professionalität, in den Farben der Passivität, aufsetzt. Ein Parteinklüngel, der regiert, um zu gefallen und in Ruhe gelassen zu werden, der entweder den Partner attackiert, weil er sich davon einen indirekten Machtzufluss erhofft oder es sein lasst, aus den selben Gründen bzw. weil er bemerkt das es nicht funktioniert, nenne ich heuchlerisch und stark beeinflussbar. Eine solche Regierung brauchen wir nicht – aber ich weiß: Ein Machtwechsel steht nicht im Regierungsprogramm.

Dienstag, 22. April 2008

Das Grüne Wundern

Eigentlich ist´s amüsant. Vor kurzem war die Forderung nach so genannten Bio-Treibstoff, also Sprit aus pflanzlichem Rohstoff, hier und da lauter, als sogar die grüne Opposition hierzulande rufen konnten – die hatte gewisse Vorbehalte bezüglich der Umsetzbarkeit, während die großen Fische vermeinten, umweltbewusste Wähler vom Wasserspiegel der Politikfrustration schnappen zu können. Nun kann man heftiges Zurückrudern dieser Tage beobachten und da es kritisch zu sein scheint, rudert vor allem die Grün-Fraktion der EU fleißig mit, um den Bio-Treibstoff, ohne gewisse Maßregelungen, als nicht uneingeschränkt gerecht für das Bio darzustellen. Auch wenn es zudem andere Gründe für die globale Lebensmittel-Überteuerung gibt - lebensgefährliche Börsen-Spekulationen oder die Überproduktion für die reichsten Länder beispielsweise - ist`s durchaus bedenklich, Nahrungsmittel ins Auto zu pumpen, wo man auch, bei richtigem Management, die Tonnen an weggeschmissenem, weil zum Überfluss hergestelltem, Brot verwenden kann. Insofern haben es einige, die vielleicht zunächst die Förderung des Bio-Sprits wollten, nun besonders eilig, diese Entwicklung abzubremsen bzw. einen konstruktiven Weg zu vermitteln, damit der Segen der nachwachsenden Fahrzeug-Energie, nicht den Verlust von Lebensenergie bedeutet und somit noch mehr Konfliktpotenzial in den ärmsten Regionen.

Die EU will zwar nicht von ihrem Kurs auf das Land des Tortilla-betriebenen KFZ abweichen, doch gibt es immerhin Zugeständnisse an die Kritiker. Diese haben ihrerseits einen sehr frisch wirkenden Kontrahenten für sich entdeckt: „Die Agrarlobby“ profitiere in erster Linie vom Kartoffel-Sprit. Immer diese Lobbys.
Dabei sollten sich die ursprünglichen Preisenden des pflanzlichen Fahrzeugstoffes selbst einmal an den naiven Nasen nehmen. Denn wenn sogar die Republikaner in den USA dessen Ausbau beschleunigen und es keinen Widerstand anderer Lobbys gibt, wie soll diese Entwicklung dann das Wohl der Menschheit fördern – das wäre vielleicht in einem Paralleluniversum möglich, jedoch nicht im Universum unserer guten alten, ewig gierenden Menschheit - so wie wir sie kennen. Diese übertreibt sogar den Klima- und Umweltschutz ins maßlos Destruktive, sofern dabei kurzfristig profitiert werden kann. Infantilisierung der "westlichen" Menschheit? Wenn ja, dann tragen die Infantilen nicht T-Shirts mit Trash-Aufdrucken und lustige Haartracht, sondern Anzug, Krawatte und (nicht plus) lackierte Stöckelschuhe.

Freitag, 18. April 2008

Reduktion der Ansprüche und des Mannes Würde

Den bierschwangeren Atem der EM 2008 bereits witternd, ist es dieser Tage kaum möglich, den Einfällen der Werbebranche, zu diesem Fußballspektakel, zu entgehen. Von allen für die Reklame zugelassenen Fassaden und Pfeilern, wehen die Banner des Nonsens. Wichtig allein ist die thematische Kombinierbarkeit einzelner Produkte mit der lang ersehnten Ballsport-Festivität.

In zweifacher Hinsicht fiel mir im Besonderen eine Plakatserie auf, die Reklame für Männerunterhosen zum Zweck hat, wobei die verantwortliche Werbeabteilung auf die Idee kam, den Bezug zum Fußball allein in kleinen, den Bildern angefügten Begrifflichkeiten herzustellen. Also kann man hierbei die - ausschließlich auf den Schrittbereich des männlichen Models fokussierte – Darstellung einer, gerade in Benutzung befindlichen, Unterhose sehen, über der „An die Latte“ oder „Freistoss“ zu lesen ist. Witzig?

Stellt euch vor, man würde das reichhaltig ausgefüllte Dekolleté einer nicht näher ersichtlichen, weil in Sichtbarkeit auf den Brustbereich beschränkten, Dame in Großaufnahme an irgendeiner Bushaltestelle anbringen, die mit dem nicht minder großen Schriftzug „rann an die Bälle“ oder noch simpler „Ballsport“ aufwartet. Das würde einige Menschen, selbst wenn diese Feminismus für eine Sexpraktik halten sollten, nicht nur irritieren, sondern vermutlich auch abstoßen. Dasselbe billige Schema, auf die Männlichkeit bezogen, scheint den meisten Betrachtern hingegen wie der späte, aber gerechte, Ausgleich für die üblichen Darstellungsformen von weiblichen Körpern als Subjekte der sexuellen Begierde. Es ist auch verständlich, dass hierbei die bisherigen, auf Weiblichkeit beschränkten, Sex-Sales-Kampagnen, bei den männlichen Varianten übertrieben werden, um nicht völlig in den BHs und Badeanzügen unterzugehen, auch wenn das bedeutet, den Mann noch stärker auf eine Sexus-Figur zu reduzieren, als es bei Frauen ansonsten in der Werbung, jedoch in der Pornografie, üblich ist. Die halbnackten Grazien der Werbelandschaften bewahren sich wenigstens ihre Gesichter, die Erose hingegen genügt es offenbar auf die Lenden zu beschränken. An anderer Stelle und anderem Plakat wird ein junger Schönling in eine Positur gebracht, die bisher den weiblichen Aktmodellen vorbehalten war, während beim weiblichen Gegenstück der selben Serie, auch bei anderen Projekten, die Bemühung stattfindet, dem fraulichen Sumpf der Darstellungsklischees zu entrinnen und neue Formen für sie zu finden.

Ist das nun die Emanzipation der Frau? Gleichberechtigung? Gleichschmälerung?
Männer tragen Eyeliner und das Potenzial ihres sinnlichen plastischen Wirkens wird auf ihr Geschlechtsteil eingegrenzt, untermalt mit derb vertrottelten Sprüchen, welche mit Begriffen der männlichen Sexualität spielen - und (beinahe) ohne eine Stimme der Kritik hörbar werden zu lassen. In Wirklichkeit hat sich allerdings nicht viel in den Ansichten der Menschen, über die Rollenverteilung und deren Bedeutung im Kontext einer künstlichen Geschlechter- Apartheid, gewandelt. Zur selbstverständlichen Ausschlachtung der Sexsymbolik des Frauenkörpers, traut man sich nun, auch aufgrund der Zunahme von Frauen in Führungspositionen von Unternehmen, sowie durch die Erkenntnis, dass etwa 50% der Bevölkerung und somit der potenziellen Kunden Frauen sind, zusätzlich vermehrt die Sex-Codes am männlichen Körper zu entdecken und einzusetzten. Ein Symptom der bisherigen so genannten Frauenpolitik und aller Bemühungen, die klare Forderung nach einer Gleichberechtigung zwischen den sozialen Geschlechtern durch zusetzten. Frauen verdienen in beinahe allen Berufen, bei gleicher Qualifikation, immer noch weniger als Männer, aber dafür plakatiert man nun auch Männer als hohle Sex-Puppen.

Nachdem der Feminismus/ die Feminismen bisher noch keine ganzheitlichen Erfolge verbuchen konnte, versucht man offenbar die gesamtgesellschaftlichen Ansprüche zu senken – damit, wenn es schon in den Geschichtsbüchern peinlich werden könnte, sich wenigstens die gegenwärtige Generation erfolgreicher fühlt, als sie es tatsächlich ist.

Anstatt die vorgegebenen (Be)Wertungen und Rollenvarianten der Frau qualitativ zu erhöhen, was offenbar nicht gelingt, senkt man jene der Männer, um sich einem Gleichwert anzunähern. Qualität misst sich hierbei an der Würde des Menschen in der Ganzheitlichkeit seines Seins, für welche die körperliche Beschaffenheit des Geschlechtes kein Wertungskriterium darstellt.

Aber wir werden sehen, was sie davon haben – wir sehen es bereits: Was für reiche Manager und in minderer Form für alle übrigen, die Wert darauf legen, Designeruhren, Sportwagen und der heldenhafte Geldverlust am Pokertisch sind, sind den erfolgreichen Geschäftsfrauen und ihren Hofdamen, ungesunde Schuhe mit hohen Absätzen, Handtaschen und, aus wissenschaftlicher Sicht, hochstaplerische Diätpläne. Die Werbung hat dieser Tage für alle (selbst für sehr junge Menschen, die noch nicht laufen oder ihren eigenen Namen aussprechen können) etwas zu bieten und Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herrscht im Verteilungssystem der Selbsttäuschung und Verblödung schon – nur in den wichtigen Bereichen des Lebens leider noch nicht.

Donnerstag, 17. April 2008

Kein Volksmund

Das nichts sich ändert - etwas bringt,
Spricht Volksmund aller Ewigkeiten,
Als wolle er sich selbst bestreiten,
Dass solche Rede nichts erringt.

Demokratiezweifler als deren Verteidiger

Argumente interner Diskussionen zur EU-(Politik), die sich mit der propagierten Darstellung rechtspopulistischer Parteien decken, werden in ihrer Ausführung meist mit beschwichtigender Rhetorik geführt, dahingehend, dass man durchaus eine objektive Ansicht vertreten wolle, um in der Endphase – wenn im Radio beispielsweise der Moderator Einhalt gebietend an die notwendige Beschränkung der Redezeit erinnern muss – in emotional aufgeheizte Plaudererei über fragwürdige Vorstellungen zu verfallen. Es erwächst der Eindruck, dass auf sehr unterschiedliche Weise versucht wird, die Vorurteile und Propaganda-Meinungen niedriger Politik, in denen durchaus ein wahrer Kern stecken kann, in eine plausible Erscheinung zu fügen, sie in eine hochwertigere Rhetorik zu kleiden, damit der Populismus gegen die EU – vermutlich auch im Auge solcher Kommentatoren selbst – glaubwürdiger und vom Nationalismus distanziert erscheint. Es scheint so, als müsste sich ein gewisser, besser gebildeter Teil der Bevölkerung selbst davon überzeugen, dass es tatsächlich so schlimm um die EU steht, wie es auch ohne den Rechtspopulismus den Anschein haben könnte und wie es deshalb sein muss, weil selbst die rechten Kleinparteien und die Massenblätter nicht völlig falsch liegen können, wenn sie mit solch großen Mengen an Kritikpunkten aufzuwarten wissen, wie sie es tun.

Anhand der so genannten Atompolitik, die im Zuge der drastischen klimatischen Veränderungen innerhalb der EU jenen Zuspruch erhält, der einen Ausbau dieser Technologie fördert, lässt sich der Trugschluss solcher argumentativer Logik – zumindest meines bescheidenen Erachtens – ersichtlich machen. Denn seit Anbeginn der AKWs ist das AKW-freie Österreich von solchen Kraftwerken umzingelt und seine Bewohner beziehen, meist ohne ihr Wissen, aus anderen Netzen solchermaßen genannten Atomstrom zu einem gewissen Teil. Als einziges Land ist Österreich, nunmehr EU-Mitglied, gegen den Ausbau der Atomenergie-Struktur in Europa und EU-Kritiker fassen diesen Umstand auf, um ihn als Beispiel dafür herzunehmen, wie sich Brüssel über kleine Staaten wie Österreich hinwegsetzt, indem es Atomenergie als saubere Alternative zu jenen Energie-Kraftwerken heranzieht, welche einen hohen CO2-Ausstoss verursachen oder nicht ausreichend Strom erzeugen können.

Allerdings war Österreich vor dem Beitritt zur EU gegen den Bau von AKWs, war es danach und wird es auch weiterhin bleiben, während im übrigen Europa Atomkraftwerke gebaut wurden und werden. An dieser Haltung Österreichs ändert sich – meiner Einschätzung nach -, mit oder ohne Einfluss der EU, nichts und Brüssel wird Österreich nicht zum Bau von AKWs zwingen können. Selbst wenn also der Ausbau der Atomenergie gegen die Meinung der österreichischen Bevölkerung steht, so muss diese die gegenteilige Meinung anderer Völker und Staaten der EU akzeptieren, sowie sie es vor dem österreichischen Eintritt bereits musste, sowie auch die Bevölkerungen der AKW betreibenden EU-Staaten sicherlich über Teile verfügen, die ebenfalls der gefährlichen Atomkraft gegenüber abgeneigt sind, die demokratischen Beschlüsse ihrer von den jeweiligen Mehrheiten gewählten Vertretern jedoch zu akzeptieren haben. Das EU-Parlament und die EU-Kommission hat die Bemühung, einen Konsens zwischen all ihren höchst unterschiedlichen Mitgliedern zu finden, was wahrlich keine leichte Aufgabe sein kann.
Schon jene Menschen, die von den Europäern gerne als geistige Vorväter betrachten werden, allen voran jene, welche die Begriffe schufen, nach denen sich auch moderne Staaten definieren, wussten, dass die Staatsform der Demokratie nicht vollkommen ist. Deshalb jedoch die EU, aufgrund der Mängel der Demokratie, durch die es immer einen Teil geben wird, der mit den Beschlüssen der Regierenden nicht zufrieden ist, als Gesamtes, als Übel zu verunglimpfen und dabei den Mechanismus der demokratischen Entscheidungsfindung, der von den selben Leuten als ein höchstes Gut wahrgenommen wird, zu ignorieren, beinhaltet anarchische Tendenzen.

Es zeigt freilich die Geschichte, dass selbst gebildete Menschen, auch hoch intellektuelle, sich nicht zum ersten Male von regionalen Machtstrebenden verführen lassen. Dass hierbei jedoch, innerhalb der offenbar beeinflussten Argumentationsweise, die Demokratie als solches, die man glaubt gegen den Machteinfluss Brüssels zu verteidigen, in Frage gestellt wird – und solche Äußerungen mehren sich scheinbar – war wohl schon lange nicht mehr dermaßen ausgeprägt.
Vielleicht hat auch Katharina Moser in ihrer humoristischen Arbeit zu den typischen Eigenschaften der Österreicher, nicht ganz Unrecht, wenn sie meint, dass die Österreicher, trotz ihrer angeblichen Freundlichkeit, immer etwas herablassend auf andere Länder und Völker blicken. Vielleicht habe auch ich in der Ansicht Recht, dass im Kernland des ehemaligen Habsburgerreichs das Verständnis für demokratisch ermittelte Beschlüsse sich nie voll entwickelt hatte. Dies könnte auch erklären, warum seit Beginn der zweiten Republik – und auch während der ersten – sich nur zwei Parteien die Macht teilen.

Der durchschnittliche Österreicher wählt aus Gewohnheit und ist er nicht zufrieden, so sucht er die Gründe nicht in der realen Politik, sondern in den Massenblättern, schimpft darüber und schweigt des weiteren, bis er wieder Grund zum Maulen hat, wenn sich junge Menschen zu Demonstrationen und Protestmärschen auf die Straße begeben, um der Demokratie Leben einzuhauchen. Die jungen Menschen werden als Intellektuelle und Linke verschrien, so als wären dies beleidigende Bezeichnungen, und des Weiteren nicht ernst genommen und auch nicht zum Anstoß genommen, die eigene politische Trägheit zu überwinden.
Stattdessen wird darauf vertraut, dass falsche Interpretationen zu teilweise richtigen Fakten, sich eines Ärgernisses lohnen und das Fremde, welches nicht als das Eigene erkannt wird, Schuld am oftmals eigenen Versagen ist.

Die Unzufriedenen, die gerne schimpfen, wenn sie glauben keine Verantwortung zu tragen und nicht handeln zu können, aber den Mund halten, wenn es tatsächlich etwas zu sagen und zu tun gäbe, sie könnten sich ebenso mit Pflastersteinen bewaffnen und willkürlich in Geschäfte eindringen, um ihrem inneren Streben Ausdruck zu verleihen. Sie unterscheiden sich zu sprachlosen Anarchisten vor allem darin, dass sie zwar Sprache besitzen, aber keine Taten vollführen, während die anderen, aus dem Mangel an Sprache heraus, ihre Taten setzten. Sowohl die innere, als auch die äußere Anarchie bleibt ohne Ergebnis. Wer zulässt, dass sich seine Kritik an Europa, mit rechtsextremen und linksradikalen Parolen vermengt, sollte sich nicht über die Ergebnislosigkeit wundern – oder aufwachen. Wer um der politischen Show willen, kurz vor Ultimatum einer Entscheidung, eines Beschlusses, wild zu plärren beginnt, muss verstehen, wenn sein Engagement wie das eines Verrückten erscheint. Gerade auf der Ebene der Politik muss man der Öffentlichkeit die Möglichkeit gewähren, den eigenen Standpunkt, die eigene Gruppe und vor allem die eigene Position kennen zu lernen. Doch meist zu spät tauchen die Protestierenden in rebellischer Aufmachung auf den kleinen Bühnen des politischen Geschehens auf und erwarten, dass ein jeder auf sie hören solle, nur um sich hernach wieder ins Abseits aller Wahrnehmung zu verabschieden. Warum wird die EU selbst nicht als die eine große Bühne angesehen und genutzt, die eigenen Anliegen zu präsentieren. Geht die Kritik an der riskanten Atomenergie nur uns Österreicher an, die Undurchschaubarkeit der EU-Bürokratie, der Mangel an Mitbestimmung?
Doch vielleicht vereinigen sich diese gegenteilig begabten Verwirrten eines Tages unter einem jener regionalen Fürsten, die Angst haben, in der großen Einheit Europas an Macht zu verlieren und daher die jeweils eigenen Massen aufschaukeln, auf dass diese sich, über- und gegeneinander stürzend, als eine destruktiven Flut des gegenseitigen Misstrauens über den Kontinent ergießen.

Viele EU-Kritiker sehen die Souveränität ihres Landes bedroht, doch akzeptieren sie ihrerseits nicht die Entscheidungs-Souveränität der übrigen Mitgliedsländer und jene Brüssels. Entscheidet die EU gegen ihre Meinung, betrachten sie dies als Mangel an demokratischem Verständnis, als Diktatur europäischer Lobbyisten. Besser jedoch wäre es, den politischen Kindergarten zu verlassen und zu begreifen, dass wir nur durch den gegenseitigen Respekt, vor allem vor den Entscheidungen anderer Mitgliedsländer, in Europa zu einer tatsächlichen Einigung kommen und dass diese Einigung die Grundlage für eine politische Beteiligung schafft, uns zur Mitbestimmung berechtigt, durch die Österreich seinen Anliegen Geltung verschaffen kann. Wozu die verbalen oder physischen Gewaltakte, wenn wir zum ersten Male in der Geschichte Europas die Chance haben, ohne Gewalt zueinander zu gelangen. Wozu durch jene Gewaltakte die eigenen Argumente vergiften lassen, die bei weitem bessere Kritik abgeben, wenn sie ihre Klugheit bewahren und an ihrem Höhepunkt, vor lauter Eile, nicht ausgleiten und in den Dreck fallen. Wenn man sich von Schmutzkampagnen distanzieren möchte, so soll man dies ganzheitlich tun. Das Europa, das ich mir wünsche, wird es jedem danken.

Samstag, 12. April 2008

Verloren in Wien - Literatur gefunden

„Lost in Vienna“ titelte man den Abend des 11. Aprils 2008, im ottakringer Ragnarhof, der im Programm eine Buchpräsentation, Videos zum Thema, sowie den Betrieb einer Musik-Lounge verzeichnete. Nachdem man gegen einen Eintrittspreis von € 5, mit dem Schriftzug „found“ abgestempelt und eingelassen wurde, zeigten sich im Verlauf des Abends einige Überraschungen, die der ausgesandte Flyer mit keinem fernem Wink vorweggenommen hatte.
Keine herkömmliche Lesung wolle sie machen, kündigte Katharina Moser an, die ihr Buch, mit dem vorläufigen Titel „Typisch Österreich, das Ansichten von Österreich-Besuchern aus den anderen EU-Ländern verdichtet, zu Beginn präsentierte. Von grüner Leselampe kein winzigster Schatten geworfen, hatte sich die STUTHE (Das Studierende Theater) unter der Regie von Helge Salnikau ein hinreißendes Lesespektakel zur Darbietung komponiert, welche, in einer Melange aus Clownerie und Bewegungs-Performance, Teile des Buchtextes in fließender Rhythmik zu Leben erweckten.

Zwar wird man nicht umhin kommen, das 2009 erscheinende, in Überarbeitung stehende Buch selbst zu lesen, um sich ein Urteil bilden zu können, doch steht fest, dass Katharina Moser sich mit stilistisch äußerst charmanten und eleganten Humor dem typischen Österreich annähert, um es zugleich in Zweifel zu ziehen.

Vor allem wenn man ihr Erstlingswerk über europäischer Klischees, aus der Sicht reisender österreichischer Jungmenschen, kennt, fällt auf: Österreich ist wie jedes andere europäische Land, nur ein bisserl anders. Ob sich letztlich herausstellt, was es mit den Missverständnissen bezüglich der auf beiden Wangen verteilten Begrüßungsbussis im Detail auf sich hat, und ob es sich bei den sprachlichen Differenzen, zwischen Österreichisch und Hochdeutsch, in des Buches Wahrheit vor allem um die Unterscheidung von Wienerisch und „Bundesdeutsch“ handelt, wird sich erst herausstellen.

Der Rest des Abends überraschte in weniger erquickender, aber immer noch interessanter Weise. Die Kurzfilmrolle war wohl ein Sammelsurium aus Archivmaterial, das dem Titel „Lost in Vienna“ zu entsprechen versuchte, dies aber nicht vollständig schaffte. Das offenbar älteste Werk entstand 2001.

Verloren kam zumindest ich mir angesichts der auftretenden Musikgruppe vor, verloren in den 80ern und in einer Klangweltmischung aus Kraftwerk und Depeche Mode. Aber interessant, wie geschrieben, war auch dieses Erlebnis. Die Gruppe hatte für die elektronisch harten Sounds nicht etwa bloß einen Laptop, mit Mischpult, Mikro und vielleicht einem Keyboard aufgestellt, wie es vermutlich zeitgenössische Poper getan hätten – Sie warteten vielmehr als komplexes, dezent blinkendes und neon leuchtendes Elektroorchester auf und das war immerhin optisch beeindruckend.

Die übrige Nacht verlief technomäßig durchschnittlich, begleitet von sehr viel Dunst und lustigen, kleinen Videoprojektionen. Der Innenhof war verlockender Verkehrsknoten der einzelnen Party-Grüppchen und auch Grund für das obligatorische Polizeiaufgebot, ob der lärmbelästigten Nachbarschaft. Ich warte nun auf das Buch, meine E-Mail-Adresse steht auf der Liste und, so glaube ich, damit ist einem unterhaltsamen Lesestoff, im nächsten Jahr, der Weg zu mir geebnet.

Freitag, 11. April 2008

Der Lenz

S´gewiss - Frühling wächst, mit wahrer Revolution. Re-Evolution. Mit einem Schmunzeln in jeder Knospe, mit leichtem Tanz über die erblühenden Wiesen. Sanft entrollen sich die grünen Banner, hoch fliegen die Boten über das nun weichere Auge des Menschenvolkes. Angeschmiegt am Starren des Winters, dessen Klotzen umschmeichelnd, strudelnd und schraubend, beginnt er des Lebenskreises neue Bahn. Revolution, Rebellion gegen das Stocken, gegen das Verwesen. Welcher Pflasterstein kann, in wütender Eile seines zersplitternden Fluges, solch einen Neubeginn erringen?

Mittwoch, 9. April 2008

Aus der Mitte...

...entspringt ein Fluss. Schwemmt er groß und weit über die dürstenden Lande? Politik ist doch nichts anderes, als das Dealen mit Klischees, das kollektive Drängen zu einer Meinung, die man also haben zu müssen glaubt - wie man von Kindessinnen an lernt, das Neueste an Süßigkeiten zu naschen, das modischste an Schuhen zu tragen, das konformste an Möbel in die Wohnung zu stellen, den trendhaftesten Grabstein sich zu erkoren.

Mensch, du bist nichts anderes als ein Hirngespinst. Ob geschaffen von Gott oder von deinem eigenen Wahnsinn - darüber streiten die Gelehrten. Uns so wie dich selbst erschaffst, so treibst du in der politischen Suppe. Du glaubst dem Läufer nicht, dass auch du über die Suppe gehen kannst. Stattdessen glaubst du dem Zweifler, dass Wellen und Strömung deinem Willen untertan sind. Derweil: Die Richtung bestimmt dein Friseur, deine Kleidermarke, dein Freundeskreis oder mit wem du dich sonst nächtens dem Feiern hingibst - deine Gratiszeitung vielleicht. Und all das von außen Kommende, scheint dir Eigenwerk zu sein.

Welchen Sinn macht die Demokratie, wenn die wählende Mehrheit aus Masochisten zu bestehen scheint? Sie macht Sinn, für die Sadomasochisten - die haben ihr Einkommen. Peitsche mich mit dem Palästinenserschal, würge mich heftig mit dem Rosenkranz, steche mich mit den Zacken deines roten Sterns, schlage mich kräftig mit dem alten Säbel, kreuzige mich am Hakenkreuz und überfahre mich langsam mit deinem Luxus-Geländewagen, in der Einfahrt meiner Bürgerschaft...

Dienstag, 8. April 2008

Unzufriedenheit

Auch den Protest (gegen den EU-Reformvertrag) müsse man ernst nehmen, sagte Zweitkanzler Molterer, da dieser vielfach auch Ausdruck der Unzufriedenheit der Bevölkerung sei. Wie er wohl darauf kam? Vielleicht war ein analytischer Geist unter seinen PR-Beratern, der nach einem langen, nachdenklichen Blick ins Prosecco-Glas, am Fenster einer hochgelegenen VIP-Lounge, zu der Erleuchtung kam: Es gibt eine Verbindung zwischen Protesten und einer negativen Stimmung ihrer Beteiligten. Auch Unzufriedenheit könnte eine Ursache sein. Schnell zum Schüssel…und dann zum Molterer.

Dass der Think Tank der SPÖ ähnlich gemächlich seine Geistesblitze abfeuert, mag sich auch an deren Verhalten, innerhalb der bisherigen Legislaturperiode, ablesen können. Beide, SPÖ und ÖVP, waren bisher eher damit beschäftigt ihren Koalitionsstreit medial zu managen, anstatt konstruktive Informations- und Aufklärungsarbeit bezüglich der EU und dem EU-Reformvertrag zu leisten, was eindeutig im Aufgabenbereich der Regierung liegt – oder gibt es auch dafür bald eine NGO?

Ebenso wie die österreichische Bevölkerung, profitiert die Regierung von der EU-Politik, allem voran von ihrer Erweiterung. Trotz des peinlichen öffentlichen Verhaltens der Regierung, kann diese, dank der EU-Wirtschaftsexpansion in den nachbarschaftlichen Osten, sich Wirtschaftswachstum und sinkende Arbeitslosigkeit an die Doppelfahne heften.
Aber weder die Regierung hat sich sonderlich um das Gemeinschaftsgefühl für die EU gekümmert, und so es bequemer erschien, war gelegentlich Brüssel an begangenen Fehlern schuld – was unverständlich ist – noch die Opposition – was teilweise unverständlich erscheint. Die Opposition sollte die mangelnde Informationspolitik der regierenden Konkurrenz nützen, um es besser zu machen – zur mangelnden Aufklärung in Opposition gehen. Nichts. BZÖ/FPÖ kann man in diesem Zusammenhang nicht ernst nehmen, diese Parteien haben weder Programm noch Ideale, sie sagen das, was ihnen gerade besser in den Kram passt, auch wenn sich das Geäußerte widerspricht.

Die Kronen Zeitung plus Anhang des Dichand-Reiches, mit ihrer Anti-EU-Kampagne, hat durchaus Grund sich gegen ein gemeinschaftliches Europa zu stellen. Ebenso wie die extremen Nationalisten, müssen sie befürchten, Macht und Einfluss zu verlieren, wenn die ÖsterreicherInnen nicht mehr von ihrer Informations- und Politik-Hoheit abhängig sind.

Aus der Mitte entspringt der Fluss (I)

Die Kälte staubt von Wänden aus Beton, Stahl und Glas. Ich sitze in der S-Bahn nach hause, reise in nächtlich eiligem Tempo über einen kargen Planeten. Architekten sind in diesem Augenblicke eine Berufsgruppe, deren Schaffen ich große Schmerzen in meiner Brust zuschreiben muss. Und da liegt auf dem Boden, dessen Inhalt heut morgens im Radio bereits thematisiert wurde, als ich gerade die ersten Schlucke Kaffees einsaugte: Protest gegen den EU-Reformvertrag, welchen das österreichische Parlament, nach alter Sitte, über die Wahlberechtigten hinweg, unterzeichenen wird – „Groß Demo“ heißt es auf dem Flugblatt, zu solcher ruft man auf. Und „man“ sind in diesem Fall eine überparteiliche Initiative, in deren Fersen sich allerdings durchaus politische Parteien verbeißen.

Man verstehe mein Dilemma: Eben noch, wieder einmal, von unhöflichem Schweigen eines Tankstellen-Angestellten daran erinnert, dass man mir meine Andersartigkeit am Gesicht ansieht und am Faktum, dass ich höflichen Respekt vorm nächsten Menschen zu artikulieren gelernt habe, wie an einem rot auf meiner Stirn glühenden Stigmata, ablesen kann, dessen Symbolik bedeutet: Das ist ein Weichling – der hat Manieren und ist augenscheinlich trotzdem kein „Jemand“.

Ich gehe also ein wenig beleidigt die letzten Meter nach hause, müde von einem langen Tag mit wenig Schlaf, und werde am Eingang, an der WG-Pinnwand, von der Aufforderung an der Demo und Mahnwache gegen das EU-Referendum teilzunehmen eingeholt. Infoblätter, die in knappen Textzeilen erläutern sollen, warum der EU-Vertrag schädlich sei. Man fordert eine „Volxsabstimmung“ – deren Teilnehmer Hubsi Kramer die EU als faschistoid bezeichnet haben soll.

Ich kann durchaus verstehen, wenn BürgerInnen protestieren, weil bei wichtigen politischen Entscheidungen niemals ihre Meinung eingeholt wird. Dieses Demokratie-Manko ist jedoch sicherlich nicht der Grund für den Protestaufruf, denn die Menschen werden von der Politik seit Anbeginn der zweiten Republik an der parlamentarisch kurzen Leine gehalten und kein/e Gockel/Gockelin krähte bisher laut genug, wenn österreichische Großparteien eine Legislaturperiode nach der anderen machen was sie wollen, auf Wahlversprechen vergessen, Ideale und Werte über Bord werfen, die sie bei Ankerlichtung noch zu besitzen meinten und mit jeder/jedem Schlampe/Schlamper ins Bett springen, um die große Show am laufen zu halten, um bei der nächsten Wahl wieder gewählt zu werden. Die typischen ÖsterreicherInnen haben kein Interesse und daher auch keinen Plan von der Politik, solange es sich nicht um etwas handelt, über das man sich per Kronen Zeitung, Heute, Österreich oder News aufregen kann und solange es genug Bier gibt, um die ewig jammernde Stimme zu ölen – Gejammert wird viel, gehandelt wenig, schlechte Zeiten werden durchtaucht.

Doch seit der letzten Protestaktion einer überparteilichen Initiative, gegen den Ausbau eines islamischen Kulturzentrums, dessen bestehender Teil angeblich bereits zu laut war, ist es zum hiesigen Trend geworden, alle auffindbaren Kräfte zu sammeln, um die eigenen Ziele durchzusetzen. Ausnahme in einer Masse aus Gegröle ist wohl Attac. Mit sachlicher Frische wünschen sie sich zu distanzieren, von Krone und rechtem Rand. Immer gut, jedoch warum?
Wenn so viele Gruppierungen der selben Meinung sind – trotz unterschiedlicher Meinungsbildung, sehr verschiedener Argumentationsweise und Beweisführung, trotz Detail-Differenzen – sollte dies doch alle Parteien freuen, die auf diese Weise mehr Gewicht haben, wenn es um die Forderung nach einer Volksabstimmung, und zwar gegen den EU-Vertrag bzw. die EU als solche geht. Aber dieser Brei aus unterschiedlichen Forderern passt nicht ins Öffentlichkeitskonzept seiner einzelnen Bestandteile. Man will einen Sieg gegen die EU als jeweiligen Erfolg der eigenen Gruppierung verbuchen können, den man jeweils nicht mit Linken, Rechten, Gentechnik-Gegnern, Radikalen, Gemäßigten oder Kronen/Heute-Zeitungslesern teilen möchte. Das entlarvt die Sache zum Teil als gewollte Nutznießerei, die man tunlichst als solche verdeckt halten will, da es sich um eine Polit-Show handelt, die weitergehen muss, und nicht um Inhalte – diese traue ich in erster Linie den Leuten von Attac zu, die vermutlich als einige von wenigen Gegnern den Vertragsentwurf studiert und sachlich analysiert haben.

Einstein (ich lese gerade ein diesbezügliches Buch), als Zeitzeuge beider Weltkriege, als einer der wenigen echten Linken, als kluger Pazifist, hatte von einem Model, dass der NATO nahe kommt, geträumt und noch viel mehr hätte er sich wohl jene Errungenschaft herbeigesehnt, deren Luxus wir genießen können – eine europäische Gemeinschaft, keine Grenzen, Niederlassungsrecht, Solidarität – für EU-Bürger innerhalb der EU. Auch wenn ihre Funktionsweise nicht immer perfekt läuft, ist mir eine verbesserungswürdige und vor allem verbesserbare EU weitaus lieber, als die Abhängigkeit von einem einzigen Nationalstaat, ist mir lieber, als keine EU und ein EU-Reformvertrag, der konsensorientiert, wie er ist, nicht alle Wünsche von Attac und anderen Gruppierungen vollends entsprechen kann, ist mir lieber, als überhaupt kein Reformvertrag. Über weitere Reformen kann man verhandeln, solange man in der EU bleibt, sie am laufen hält und nicht über die Schwierigkeiten mit einem Wagen meckert, dessen Motor man selbst ständig zum Absterben bringt.

Anstatt zu versuchen sich von anderen Gruppen zu distanzieren, deren Ziele man durchaus teilt, sollten die einen oder anderen, denen dies zu zutrauen ist, sich fragen, warum denn alle eben diesem Wirken gegen die EU und ihrem Reformvertrag nachhetzen, ob es nicht doch Gemeinsamkeiten zwischen den Interessensgruppen der „Kronen Zeitung“ und Linksradikalen gibt – vor allem, was die Reflektion des EU-Reformvertrages betrifft. Wie viele kennen seine Inhalte? Wie viele verstehen sie?

Mein Dilemma zeichnet sich noch deutlicher ab, wenn man die eben skizzierte Grundierung kennt: Es gibt Menschen die mich für einen Linken halten und vermutlich trifft dies in einem gemäßigten Grade auch zu. Hier bin ich ziemlich alleine, also kann ich ruhig schreiben, dass ich meist die Grünen wähle und meine Tageszeitung einen beinahe rosafarbenen Anstrich hat.
Dennoch bin ich zuweilen und in bestimmten Belangen sehr bürgerlich, verstehe nur meist etwas anderes unter solcherlei Begriffen (konservative Politik sollte erhaltend wirken – und zwar nicht auf die lukrativen Machtpositionen geschniegelter Egoisten).
Also finde ich mich alsbald in der Mitte eingekesselt wieder. Linke schreien Selbiges wie Rechte und alle schreien es gegeneinander und dennoch gemeinsam – ich fühle mich umzingelt hier, von einem Meer aus Radikalismen. Und das nach einem langen, ermüdenden Tag, an welchem die Stadt kaum einen schönen Blick, mir auf sich, vergönnt hatte.

Ich bin im Grunde für die Methode einer Volksabstimmung, bei wichtigen politischen Entscheidungen, sehe aber doch, dass es bedenklich wäre, ein Volk über eine Sache abstimmen zu lassen, über die es sich per billigem Massen- und Flugblatt informiert hat, obwohls hochkomplexe Materie betrifft. Wofür wählt man eigentlich angebliche Experten in eine Regierung? Wenn es um deren Scheitern geht regt sich die Masse nicht, hält ihr die Treue und allen Stellen entnimmt man, dass man doch nichts machen könne. Andererseits regt sich die Masse sehr wohl, furchtbar auf, wenn die Regierung zur Abwechslung ihre Arbeit macht und einen EU-Reformvertrag ratifizieren will. Sollte dieser Nichts oder Schlechtes bringen, kann man immer noch auf die Barrikaden steigen, auch wenn es dann Mut erfordert, weil es nicht gegen nahe Muslime oder das ferne Brüssel geht – dann nähmlich, wenn es gegen real greifbare Probleme ginge, das kann ich prophezeien, würde man - zumindest in meiner Heimat - die Protestparolen im Wirtshaus allein hören können.

Und auch wenn es meine wirklich sehr gemochte, liebenswürdige Mitbewohnerin nicht lesen will (ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, dass die liebsten Freunde oftmals gar nicht meiner Meinung sind): Lasst unsere Gewählten einen Reformvertrag (wir haben keinen anderen) wagen - und uns für vielversprechendere Anliegen einsetzten. Aber soll demonstrieren gehen wer möchte - um 5 vor Zwölf gegen etwas, aus politischer, rechtlicher Sicht, Unabänderbares. Ich möcht nur auf folgendes noch hinweisen: Die Tibet-Unterstützer sind rar am Stephansplatz.

Sonntag, 6. April 2008

1968 - What else?

Große 1968-Reminiszenz in den Medien. Besonders ausgeprägt manifestiert sich diese in der Wochendausgabe der von mir gelesenen Tageszeitung – kein Wunder, sie gilt als links gewichtetes Blatt. Warum sich ausgerechnet dieses Jahr als monumentale Markierung für eine Entwicklung etablieren konnte, die sich bereits in den 50ern begann und an manchen Orten niemals ankam oder endete (oder immer wieder aufgetaut wird), mag an den vielen einzelnen, historischen Begebenheiten liegen, die 1968 birgt, obwohl die meisten von ihnen unschöne Zeugnisse menschlicher Zerstörungswut und Dummheit ablegen (die Ermordung Martin Luther Kings, Die Ermordung Robert F. Kennedys, Beginn des Guerillakampfes der Roten Khmer, das Massaker von Tlatelolco vor den Olympischen Spielen in Mexico City, der Wahlsieg Nixons, etc…). Jedenfalls ist es ein Jahr mit Symbolkraft, insofern es den Aufbruch der Nachkriegsgeneration irgendwohin, mit allerlei unterschiedlichen Mitteln – Hauptsache es bewegte sich irgendetwas – wieder spiegelt und man kann nicht sagen, dass dieser meist blinde Aufbruch nicht ein ordentliches Rumpeln im Weltgeschehen verursacht hatte. Heute hört man zwar so manchen Zeitzeugen oder Aufbrecher sagen, man hätte eigentlich gar nicht so viel bewegt und getan, wie sich dies nachfolgende Generationen vorstellen, wenn ich jedoch an die politische Trägheit dieser Tage denke, so bleibe ich bei meiner Ansicht: Eine chaotische Reise nach Utopia bringt real mehr ein, als biederes Festhalten am altvertrauten Übel.Aus der Sicht eines heute 27jährigen hat die Zeit um 1968 durchaus eine faszinierende Aura, vielleicht gerade weil ich sie persönlich, und insbesondere als Österreicher, nicht erlebt habe.

Natürlich ändert sich auch diese Sicht, bei zunehmenden Wissen und gleich bleibendem Interesse am Mythos – Manches wird bekräftigt, anderes hinterlässt Desillusion und wieder andere Dinge, waren einem im Kontext sonderlich wichtig. Würde, wie in den 90ern, die Hippie-Mode erneut ihre Renaissance feiern, so würde mir dies nicht mehr – wie einst – dass Gefühl geben, dass es sich um die Wiederentdeckung antiken Kulturguts handele, das, gleichsam dem Klassizismus 18/19 Jahrhunderts, einer Sinnsuche im Fundus einer verklärten Epoche auf die Gesellschaft wirkt. So übertrieben war es freilich auch nicht, aber es lag ein Hauch von Sommer of Love-Revival in der Luft und was immer das bedeuten mochte, es fühlte sich nach einer good Vibration an.

Hat man erst einmal das erste Viertel eines Jahrhunderts gelebt, so verändert sich vor allem die Wahrnehmung der Zeit. Plötzlich wird einem klar, dass zwischen der eigenen Geburt und dem Jahr, das nun, zu seinem 40jährigen Jubiläum, in Aller Medien ist, eigentlich nur 13 Jahre liegen und dass dies – vor allem im historischen Zusammenhang – keine besonders lange Zeit ist. Was auch immer das Gute an den unterschiedlichen Aufbrüchen der 68er ist, meine Generation, die Kinder der frühen 80er sind unmittelbare Nutznießer – So manches konnte über die 70er reifen und war zugleich nicht der destruktiven Wirkung der Welthysterie, am Ende der 90er, ausgesetzt, wie z.B. pädagogische Zugeständnisse an die Intelligenz der Kinder, Zurücknahme der Autoritätssucht im Allgemeinen oder der Feminismus.

An dieser Stelle gilt mein Dank all jenen, welche die große Aufbruchswelle dereinst nutzten, um auf ihr versuchsweise besseren Zeiten entgegen zu segeln. Vor allem Manifestierten sie die kollektive Erkenntnis, dass eine Zivilgesellschaft ganz gut ohne verinnerlichten Militarismus, Furcht vor politischer Obrigkeit und ohne die innere und äußere Uniformierung der BürgerInnen leben kann. War die Entwicklung der Zeitspanne mit dem Titel 1968 ein Bekenntnis und eine Wiedererstarkung, so wie eine konsequentere Durchsetztung der Idee des Bürgertums ansich, welche die Nachwehen der beiden Weltkriege beenden musste? War sie eine Erneuerung und Erweiterung des bürgerlichen Bewusstseins?
Die Errungenschaften des (friedliche-)Revolution-macht-Spaß-Gedankens sind jedenfalls auch im Kleinen nicht zu verachten. Ich hatte in meiner Jugend sehr viel Freude an der Plattensammlung meines Vaters.

Samstag, 5. April 2008

An des Ganges Ende

Des Ganges Ende scheint,
Wider allem lichtem Sein;
Wo sich willenlos vereint,
Der treuen Träumer Heim.

An der weiten Schwelle dort,
Am Rande wirrer Dunkelheit,
Findet dich der Niemalsort,
Und allsehend ist die Blindheit.

Es ist nichts mehr zu verhandeln,
Suchst du die Träume der Kinder,
Musst du auf neuen Pfaden wandeln,
Unbeweglich schreitender Finder.

Im Schatten der Zeit fallen ab von dir,
Dein Herzschlag gleicht dem tiefen Schlummer,
Wissen, Kunst und deren strebende Gier,
Treibt dich Angst und Staunen und Kummer,
Bleibt dir zerfließend treibendem Geist,
Der frei hoffende Glaube allein,
Der den weglosen Weg dir weist,
Frei willst du sein, frei wirst du sein.

Glauben geboren im Hoffen,
im Geist,
im Wahnsinn,
Wird im Wahn zu des Geistes hoffendem Sinn.

Freitag, 4. April 2008

Weil es die Erfahrung lehrt

Kritik, Anmerkungen, Vermutungen über andere Menschen zu verbreiten, die einem nahe stehen, sollte man wenn möglich vermeiden. Die Zuhörer neigen all zu oft dazu, deine Äußerungen zu übertreiben. Wird dann der Schuldige eventueller Verleumdungen gesucht, tastet man die Informationskette so lange ab, bis ihr Ursprung gefunden wurde. So wirst du in jedem Fall zum Urheber übler Gerüchte erklärt, auch wenn du ursprünglich nur zum Ausdruck bringen wolltest, dass ein Bekannter von dir manchmal ein wenig vergesslich sei. Die Menschen finden Mücken schließlich nicht sehr interessant, im Vergleich zu den faszinierenden Elefanten.
Also immer nur den Betroffenen auf dies und jenes ansprechen, ansonsten lieber keine Risiken eingehen und vor Vielrednern und Schnelldenkern den Mund verschließen.

Donnerstag, 3. April 2008

Zweitkanzlers unterdrückte Homophobie

Österreich ist wohl die einzige Republik der Welt, mit zwei zeitgleich regierenden Bundeskanzlern. Jener zweitgewählte Kanzler Molterer spricht sich nicht klar gegen Beziehungen homosexueller Menschen aus, doch will er sich nicht in den geheiligten Hallen hiesiger Standesämter als eingetragene Partnerschaft bestätigt sehen – es deucht mich, er hätte sich zudem gegen eine begleitende Zeremonie ausgesprochen. Ich würde eine Karte für den nächsten Schwulen- und Lesbenball geben, um Einblick in sein Gehirn zu bekommen. Vielleicht würde sich dadurch herausstellen, wo und wie er die Partnerschaft von Homosexellen offiziell eintragen lassen möchte, wenn nicht am Standesamt, belegt mit einem Zeremonienverbot – vielleicht im Keller des Innenministeriums, von Sicherheitsleuten bewacht, die verhindern sollen, dass sich die frisch eingetragenen Partner und Partnerinnen all zu sehr erregen und in Feierlaune geraten. Die Folgen wären schließlich nicht auszudenken, wenn sich Menschen über ihre homosexuelle Beziehung freuen würden – da könnte ja jeder schwul oder lesbisch werden.
Würde ich in Herrn Quasi-Kanzler Molterers Kopf einen Blick hinein wagen, würde mir vermutlich zu allererst „Ben Sixteen“ Ratzingers erhobener Zeigefinger ins Auge fahren. Der Mann wird zwar „heiliger Vater“ genannt, hat aber, soviel ich weiß, noch keine Wunder vollbracht, die der offiziell-katholischen Heiligsprechung vorausgehen müssten; Vater ist er wahrscheinlich auch nicht, nachdem er soviel Wert auf sein Zölibat legt. Der Papst ist also relativ unfruchtbar, verlangt aber von anderen, sich zu vermehren und die Welt mit braven Christen zu bevölkern – weshalb er auch ein Problem mit Kondomen hat, die nach seiner Meinung nur dem Schutz von Ehepartnern dienen sollen.

Das erweckt in mir den Wunsch ebenso Einsicht in das Oberstübchen dieses greisen Herrn zu erhalten. Meint er bezüglich des Schutzes von EhepartnerInnen, die jeweils eigenen EhepartnerInnen, bzw. ist dies eine unterschwellige Erlaubnis zur Untreue unter verheirateten Katholiken, gleichsam einem Swingerclub katholischer Eheleute, um das Gen-Material der zukünftigen Schäflein per besserer Durchmischung zu steigern? Denn die Kondomerlaubnis (nur) für kirchlich Verheiratete kann nicht die tatsächliche Motivation dieses Zugeständnisses an die Latex-Lebensretter sein. Denn es kommt sicherlich höchst selten vor, dass zwei heiraten, um verhüteten Sex zu haben – noch dazu mit Gummi. Aber vielleicht hat „Papa-Ratzi“ von solchen Dingen zu wenig Ahnung; Und dass er Kondome nur Verheirateten erlauben will, zugleich Homosexuellen die Heirat verweigert, lässt mich vermuten, dass nicht alle Priester schwul sind. Auch nicht Benedikt, obwohl es da gewisse klischeehafte Anzeichen gibt: Sanfte - beinahe feminine Stimme, gilt als gutmütiger Kerl, trägt auffällige lange Kleider, steht auf Fortpflanzung – mag Kinder, wollte aber selbst nie welche haben und ist nicht verheiratet, obwohl er dauernd von der Ehe spricht. Außerdem arbeitet er mit einem Haufen Männern zusammen, von denen er sich „Papa“ nennen lässt. Man stelle sich das vor: Ein alter Mann mit langem Rock, friedlich verklärtem Blick und der Berufsbezeichnung Papst (vom lateinischen Papa abgeleitet) - wie ruft dieser wohl nach seinem Sekretär? Komm zu Papa?

Aber das ist natürlich nur blödes Geschreibsel. Der Papst hat mit Homosexuellen nichts zu tun, weshalb er sie für eine Perversion gegen die heilige Ordnung der Kirche…pardon - Natur hält. Außerdem würde sich Zweitbundeskanzler Molterer, seiner irreführender Weise als „bürgerlich“ benannten Gesinnung wegen, nicht vom Dogmatismus des katholischen Oberhaupts zu seiner Aberkennung des Rechtes auf Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben (sowie Queer-People) nötigen lassen, wenn der Vater und sein Stuhl am anderen Ufer stehen würden. Vielmehr will unser Vize eine gewisse – ebenfalls irreführend als konservativ bezeichnete – Wählerschicht nicht enttäuschen. Sowie eine faschistoide Weltanschauung nichts mit Konservatismus zu hat, so hat Molterers Ablehnung einer Befürwortung von eingetragenen Partnerschaften für Homosexuelle, nichts mit vernünftigen Gründen zu tun. Allerdings kann er nicht laut sagen, dass die kulturell und geistig Zurückgebliebenen, die seine Partei wählen, ihn zu einem Nein zwingen, wogegen er auch nicht viel machen will, denn als ehrbarer Katholik würde er Homosexualität am liebsten völlig verbieten. Dabei bekommt er für seine Haltung sogar Kritik aus der eigenen Partei und ich kann mir nicht vorstellen, dass es Homosexuelle in der ÖVP gibt – letzte Bürgerliche hingegen, die diese Bezeichnung nicht von Bürgerrechten trennen wollen, offenbar schon, die am Plan zu Gleichberechtigung festhalten wollen.