Samstag, 22. März 2008

Ach, China?

China gesteht ein, so sagte man, Gewalt gegen rebellierende Tibeter, Demonstranten und Protestbewegte. Der Westen ruft, man möge bei der Unterdrückung auf Gewalt verzichten, und das chinesische Staatsfernsehen zeigt relativierendes Material – man sieht Blutende, Verhaftete, Geschlagene; und sofern sie keine Uniformen tragen, fragt sich der Westmensch: Wer ist Wer?
Aufbruch, Umbruch, Rebellion? Auch andere Provinzen seien angesteckt, sagt man und der Politiker fragt sich, ob dies Zufall war oder ausgerechnet vor den Olympischen Spielen geschehen musste. Da frage ich mich wiederum, ob wir ausschließlich mit verwackelten Bildern unser Gehirn speisen?

Wir kaufen Produkte aus China, wir sehen, dass Chinesen Wolkenkratzer bauen und Autos fahren, mit dem Handy telefonieren und in Cafes mit üppigen Glasfassaden sitzen, Mokkachino trinkend, geschminkt, geziert fröhlich tratschen, und wir glauben an die Veränderung, an die veränderte Kraft der Marktwirtschaft.
Wir verehren ihre Industrialisierung, denn sie gibt den Menschen was sie brauchen. Ihre Produktionsmacht raubt uns den Atem und füllt die Lungen mit Versprechungen: Die Reform habe China verändert. Wohl war – der Jangtse ist nicht mehr das, was er einmal war. Wir hören und sehen von den entrechteten Menschen, doch was ist schon Freiheit, angesichts der Gelöbnisse die solch modernisierte Städte produzieren.

Schon hängen die Banner der Werbeindustrie, in gigantischen Formaten, an riesigen Hauswänden; die Models - glatt, die Fassade - glatt, das Image der Volksrepublik – Spiegelglatt; wir sehen uns selbst darin, unsere Anzüge, unsere Frauenbilder, unsere Statussymbole, unseren Mammon. Daher sind wir glücklich, daher kaufen wir ihr Zeug, daher spielen wir Olympia – das Feuer der freien Hellenen – in der Hauptstadt einer tyrannischen Chimäre.

Zugleich wissen wir: Dieses China ist ein Regime, durch das wir uns des Geldes wegen gerne blenden ließen. Und nun, da die Bilder, die unseren Kopf ernähren, sich mit verhafteten Tibetern füllen, können wir nicht mehr ignorieren, dass etwas faul ist, in diesem Staate.
Jetzt rufen wir: Keine Gewalt! Jetzt kritisieren wir, als hörten wir zum ersten Male, dass China jene Rechte unterwirft von denen wir behaupten, sie wären unser höchstes Gut. „Wir“ meint die Medien, denn sie sind unser kollektives Gesicht, das versucht, eine verdutzte Mimik zu bewahren. Heilige Objektivität, du scheißt den Opfern ins Gesicht, mit deiner Sauberkeit; du willst dir die Hände nicht schmutzig machen und fällst gerade deshalb in den Dreck.

Wer Freiheit unterdrückt, kann auf Gewalt nicht verzichten, sei sie physisch oder anders beschaffen. Wer große Geschäfte mit großen Produktionsregimen machen will, kann auf Ignoranz nicht verzichten. Und wer in einer Demokratie des Westens Wahlen gewinnen will, kann sich nicht auf die Seite der Unterdrücker stellen. Deshalb ist es lächerlich China zum Gewaltverzicht aufzufordern, ohne von ihm die Freiheit für seine Menschen zu verlangen; es ist lächerlich, von ihm überhaupt etwas zu fordern, nur weil es die Wählergunst verlangt, aber es nicht wirklich zu meinen, weil man immer noch Geschäfte mit ihm abzuschließen hat.
Nein, das stimmt nicht: Zur Gewaltlosigkeit aufzurufen, ist niemals lächerlich – das allein macht Sinn.

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