Mittwoch, 12. März 2008

70 Jahre Feigheit.

In Österreich wird dessen gedacht, was immer noch als „Anschluss“ des Ständestaats an Nazi-Deutschland vor 70 Jahren bezeichnet wird, womit aber eine offizielle Machtübernahme durch die deutschen nationalsozialistischen Faschisten, mit Einverständnis der meisten ÖsterreicherInnen, gemeint ist. Selbst wenn es nur der alte Otto (ehemals von) Habsburg, als konservativer Blaublütler war, der meinte, das damalige austrofaschistische Österreich (mit Hang zum Monarchismus) sei Opfer der Nazis gewesen, ist der eigene Umgang mit der historischen Wahrheit, zugunsten eines illusorischen Selbstbildes, typisch für ein Land, das sich aktiv am Beginn der beiden schrecklichsten Kriege der Menschheitsgeschichte und dem Holocaust, als sichtbarstes Zeichen zivilisatorischer Grausamkeit und kultureller Verkommenheit, beteiligte.

Österreich sei ein friedliches Land, seine Bewohner seien eines der friedlichsten Völker der Welt (allein aus genetischen Gründen und weil wir so viel beruhigendes Bier trinken). Wir lieben Wein, Walzer und Kipferl zum Kaffee, sowie Steuervergünstigungen für die oberen Zehntausend. Stimmt - Und wir lieben das totschweigen von unangenehmen Wahrheiten; und wenn sie sich nicht mehr totschweigen lassen, so lieben wir es, sie zu verniedlichen. Es war ja nur a kleines Rollerl, das wir da g´spielt haben, in dieser schiachen Zeit und Schuld ist sowieso nur der Hitler…

Bei den offiziellen Stellungsnahmen zum Jubiläum des Unterganges, des bereits untergegangen gewesenen Österreichs, kam wieder einmal eines zur Erkenntnis: Diplomatie kann ein Mittel der Vernunft sein, ist aber meist ein Mittel der Verdrängung von Wahrheiten. Vor allem sollten sich Gusenbauer, Molterer und Co darüber im Klaren sein, dass Hitler tot ist und uns vom Norden her keine braunen Truppen mehr bedrohen. Es gab als keinen Grund für die diplomatische Zurückhaltung in ihrem Quasseln über die Ereignisse von 1938. Vor wem hielten sie sich dermaßen zurück und für wen betrieben sie die Methode der Diplomatie? – Also im Grunde die Kunst, den anderen glauben zu lassen, die Idee, die man ihm injiziert, sei seine eigene. In diesem Fall war es eine rückwärtsgewandte Diplomatie, in zweifachem Sinn, wie mir scheint.

Otto Habsburg hatte vielleicht insofern recht: Österreich war ein Opfer, aber nicht erst 1938, sondern bereits 1933, als der Ständestaat erzwungen wurde. Das dieser autoritäre Austrofaschismus wenig internationale bzw. europäische Unterstützung erhielt, als Hitler sich anschickte die Macht zu übernehmen, lag sicher auch daran, dass der Nationalsozialismus weltweit unterschätzt bzw. falsch eingeschätzt wurde. Denn auch damals hörten die Politiker all zu selten auf die Weisen der Welt. Der Austrofaschismus wurde jedoch vermutlich schlecht eingeschätzt und als das schwächere, zweier übler Systeme, woraufhin – wie das bis heute in ehemaligen Kolonialgebieten üblich ist – sich die Weltmächte dazu entschieden, jenes Übel zu tolerieren, das die größere Stabilität in der Region versprach. Insofern war Österreich Opfer seiner selbst und die Nazis wurden als jene betrachtet, die es vor sich selbst retten konnten.

Man sieht am Verlauf der Geschichte, wohin autoritäre Verziehung ganzer Massen und die Kultivierung angepasster Feigheit führen können. Wie passend also, dass das offizielle politische Österreich nicht mutig genug ist, die Assimilierung Österreichs durch die Nazis, als das zu bezeichnen, was es ist: Die freiwillige Aufgabe der Souveränität zur Unterstützung der Expansions- und Kriegspolitik der Nazis, und die willige Beteiligung einer ganzen Nation an den Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs.

Des Weiteren wird – vielleicht bewusst – völlig außer acht gelassen, dass ein System, wie jenes des autoritären Ständestaates, ein natürlicher Wegbereiter für nationalsozialistischen, militärisch mächtigeren Faschismus sein musste. Durch dieses Versäumnis, wird nicht nur die Rolle Österreichs während der Zeit des Nazi-Terrors verklärt, sondern auch der Austrofaschismus des Dollfuß und des Schuschniggs verharmlost.

Kein Mensch ist gefeit vor den eigenen Abgründen, ebenso keine Nation. Der Abgrund nähert sich jedoch gefährlich, wenn man ihn versucht zu ignorieren, ist jedoch zu umgehen, wenn man sich mit ihm auseinandersetzt.

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