Dienstag, 12. Februar 2008

Wer fürchtet sich vorm Erdogan

Der Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan hatte Wirkung auf sicherlich jede Emotion, dazu taugt politische Meinungsbildung zu begleiten – Auch den Humor lockte er zur Stellungsnahme. Und es ist doch eine entlarvende Tatsache: Die Aussage, Immigranten müssten sich integrieren, wobei allerdings wichtig sei, dass diese nicht die durch das Ursprungsland geprägte (kulturelle) Identität vernachlässigten, da einseitige Assimilation falsch sei, klingt sicherlich vernünftig - Nur nicht wenn sie vom falschen Sprecher stammen.

Vielleicht macht es tatsächlich einen Unterschied, ob die deutsche Kanzlerin solche Worte spricht oder der türkische Kollege, da dieser immerhin einem Staat entstammt, in dem Assimilation eine grausam Tradition besitzt und die Beleidigung des so genannten Türkentums mit Gefängnis, praktisch jedoch oftmals mit dem Tod, bestraft wird. Jedoch darf man auch nicht außer Acht lassen, dass mit Erdoğan eine Reform der alten nationalistischen Strukturen in der Türkei stattfand und das solche Worte von europäischen Politikern eben nur selten zu hören sind.

Zugleich ist es bezeichnend, wenn die zahlreichen Kritiker des Auftritts Erdoğans in Köln, diesem nationalistische Ambitionen vorwerfen, um im selben Text die türkischstämmigen Europäer als unmündige „Soldaten“ darzustellen, denen sie keine politische Kritikfähigkeit zurechnen. Dieser türkische Ministerpräsident erkannte, dass Integration in einen EU-Staat nicht durch Außerachtlassung der kulturellen Basis und vor allem nicht ohne Menschenwürde und Selbstvertrauen möglich ist.

Aber ich erinnere mich, dass mit dem lange gebremsten Amtsantritt des islamisch-konservativen Politikers, viele seiner Gegner verlauten ließen, er würde die Türkei vom Laizismus in den Islamismus führen. In Wahrheit wurde unter seiner Regierung erfolgreich begonnen, mit der enormen Korruption – u.a. innerhalb des türkischen Militärs – aufzuräumen und die Türkei, vom extremen Nationalismus weg, ein Stück weit gen EU zu steuern. Wer nicht versteht, dass ein EU-Kurs auch ohne Kopftuchverbot möglich ist bzw. mit dem Verbot kultureller Symbole – die man fälschlicherweise einer religiösen Unterdrückungsfunktion zurechnet, nur um eigene Unterdrückung zu legitimieren – nicht funktionieren wird, sollte seine Vorurteile prüfen. Und seine Menschenkenntnis.

Ich wäre skeptisch, wenn ein Mensch nicht mit gewissem Stolz von seiner eigenen kulturellen Herkunft und Identität sprechen wollte. Denn so jemand ist entweder unterdrückt oder lebt im inneren Zwiespalt. Daher fühle ich mich unter meinen türkischen Nachbarn und Nachbarinnen bei weitem wohler, wenn die türkische Fahne über den Baklava-Tabletts hängt und die Damen mit orientalisch-protzigen Kopftüchern herumlaufen.

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