Mittwoch, 6. Februar 2008

Aus(tria)flüchtlinge

Ob nun Sabine Kampmüller von „Ärzte ohne Grenzen“ zurecht meint, dass ihre Organisation nicht um Hilfe im Tschad bat und dass durch den Einsatz europäischer Militärs die Identifikation der Zuständigkeiten vermischt werden könnte, sodass es der tschadischen Bevölkerung vielleicht unmöglich erscheinen wird, zwischen den Mitgliedern der Hilfsorganisation und den EU-Tarnanzugsträgern zu unterscheiden; ob nun Peter Pilz von den (im Gunde meist geschätzten) Grünen darauf beharrt, dass es sich um einen schlecht vorbereiteten Einsatz handelt, da die österreichischen Soldaten und Soldatinnen über zu wenig Aufklärung verfügen bzw. vom jüngsten und mittlerweile zurückgeschlagenen Rebellenansturm auf die Hauptstadt überrascht wurden, weshalb sich Österreich sofort dorthin zurückziehen solle wo es hingehört – nämlich dort wo nichts los ist und es seiner Neutralität huldigen kann; ob nun H.C. Strache wieder einmal die Chance ergreift zusammenhangslos über die EU zu schimpfen, da diese Frankreich die Möglichkeit gebe, Österreich (auf dem Wege der Freiwilligkeit) für seine „Kolonialpolitik“ zu missbrauchen – dies alles sei dahin gestellt…auf einen Ablagestapel mit der Bezeichnung „Peanuts für Später“. Ein einziger Diskussionsteilnehmer der ORF-Sendung „Runder Tisch“, am 4.2.08, welcher auf neutraler Ebene argumentieren konnte, brachte das Wichtigste auf den Punkt. Der im Teletext des nächsten Tages nicht einmal erwähnte Politologe Belachew Gebrewold schloss nach seiner Darstellung der Schwierigkeiten des Einsatzes, dass man letztlich an die vielen, schutzbedürftigen Flüchtlinge denken müsse.

Vielleicht erschwert die Präsenz europäischer Truppen bei den Flüchtlingslagern die Arbeit von NGOs bzw. von „Ärzte ohne Grenzen“ insoweit, als dass das ausländische Militär das bisherige Vertrauen der Bevölkerung in die ausländischen Ärzte abdämpft. Jedoch stellen diese gut ausgebildeten Mediziner sicherlich auch dann einen hohen Wert für alle Konfliktparteien dar, wenn die EU-Truppen die Flüchtlinge vor Mord, Vergewaltigung, Versklavung und Zwangsrekrutierung behüten, wozu die Ärzte – bei all ihren geschätzten Leistungen – nicht in der Lage sind.

Die Grünen enttäuschen mich im Vergleich zu anderen Parlamentsparteien zwar selten. Doch wenn Peter Pilz meint, aufgrund von Startschwierigkeiten bei diesem ersten gemeinsamen Militärprojekt auf EU-Ebene im großen Stil sollte Österreich lieber das Handtuch werfen, auch wenn dadurch die gesamte Friedensmission aufs Spiel gesetzt wird, deren Verderber dann unsere Alpenrepublik wäre (die sich bereits im internationalen Fußballspiel chronisch blamiert) und das ganze dann als vernünftige Lösung verkaufen will, kann ich ausnahmsweise Thomas Meyer aus „Der Standard“ (5.2.08) heranziehen, der „altbackenem grünem Populismus gegen das Militär“ genauso wenig zusprechen kann wie ich.

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass sich Österreich mit dieser Friedensmission im Tschad als europäischer Teamplayer profiliert und seinen Ruf verbessert, der ausgerechnet unter der rechtspopulistischen Politik von FPÖ/BZÖ intereuropäisch immer wieder zu leiden hat. Weshalb gerade die inhaltslosen Sprechblasen von H.C. Strache vom Ablagestapel ruhig weiter in den Mülleimer wandern dürfen.

Es muss klar sein, dass es am Beginn von großen Projekten, wie jener militärischen Kooperation der EU-Mitgliedsstaaten, immer zu Störungen kommen wird, zu Fehlern, aus denen schließlich gelernt wird. Bei einer kleinen, kurzfristig notwendig gewordenen Verzögerung aufgrund von Vorsichtsmaßnahmen im Zuge der Mission, sollte man noch nicht die Hose voll haben. Kriegsschauplätze sind immer gefährlich, doch von allen Menschen, die sich im Tschad aufhalten, haben die europäischen Soldaten am wenigsten zu befürchten. Die Soldaten, die naturgemäß Sold mit an das Einsatzrisiko angepassten Bonus beziehen, zu kritisieren (um damit offenbar die eigenen Rückzugs-Argumente zu untermauern), da diese im Grunde nicht wegen der Friedenssicherung, sondern des Geldes wegen im Tschad tätig seien, war in der Diskussion am runden Tisch eine Lächerlichkeit, von der ich nicht einmal mehr weiß, ob sie vom FPÖ- oder Grünen-Minister kam – Und das macht mir Sorgen.

Die Ausflüchte und Spekulationen die im Zuge der Diskussionen über den Tschad-Einsatz von vielen getätigt werden, denen ich zu anderen Themen sehr oft zustimmen kann und die darauf abzielen, durch Haarspalterei an der Peripherie der Kernproblematik die österreichische Beteiligung als schweren Fehler der politischen Gegner hinzustellen, machen mich manchmal traurig, manchmal sehr wütend. Das sind allerdings Peanuts im vergleich zu den Leiden der Flüchtlinge im Tschad, denen wenigstens eine sichere Flucht, wenn schon keine sichere Heimat, ermöglicht werden soll – und zwar durch den Beitrag eines Landes, das Flüchtlinge innerhalb der eigenen Grenzen selten gut behandelt.

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