Mittwoch, 5. Dezember 2007

Schulsystem

Ich will Ihnen das mit dem österreichischen Schulsystem, das vor kurzem zum dritten Male vom PISA-Institut studiert wurde, genau erklären. Eine typische Unterrichtseinheit eines beliebigen Faches, an einer beliebigen Schule beginnt mit der Kontrolle und dem Eintragen ins Klassenbuch. Wer fehlt? Ist Meier immer noch krank? Warum klebt Kaugummi auf meinem Sessel? War das Meier? – Nein, Herr Lehrer, Meier ist krank. Usw.
Danach gibt es ein paar einleitende Worte zu dem, was sich im Allgemeinen als Wiederholung des Stoffes der letzten Unterrichtseinheit desselben Faches bezeichnen lässt, was – wenn es wenige Nachfragen und andere Unterbrechungen gibt – nur die Hälfte der zur Verfügung stehenden Unterrichtszeit einnimmt. Es folgt allgemeines Gefasel über dies und jenes, was die müden oder gelangweilten Schüler nicht mehr mitbekommen, weil sie bis dahin bereits eingeschlafen sind. Wenn man schläft oder döst überhört man gerne die innerhalb weniger Sekunden erwähnten, relevanten Dinge des Unterrichts, die während des halbstündigen Vortrages sporadisch aufkommen. Da sich begabte Schüle in einem solchen Unterricht besonders langweilen, sind sie es auch, die am wenigsten von Allem mitbekommen.

Nachfragen ist schwierig, wenn man nichts mitbekommt und auch wenn es darum geht, dem schnellen Diktat des Lehrers zu folgen – z.B. technische Daten, die der Lehrer/ die Lehrerin aus irgendeinem Grund nicht an die Tafel schreiben will – trauen sich sensible Schüler oftmals nicht nach einer Wiederholung des Vorgetragenen zu fragen, weil der Lehrer/ die Lehrerin dies meist nicht macht, ohne einen hämischen Witz auf Kosten des Fragenden los zu werden.

Natürlich spreche ich nur aus Erfahrungen mit Volks-, Haupt-, und Fachschulen, doch wenn es in Unterrichtsanstalten, in denen ein gewissen intellektuelles Niveau auch von den Lehrern/ Lehrerinnen gefordert und nicht ein geringes Niveau bei den Schülern im Vorhinein erwartet wird, ebenso aussieht, so wissen wir wohl was zu tun ist. Lehrerschaft ausmissten und die Guten unter ihnen - die alternativen Unterricht leisten - zahlenmäßig verdoppeln.

Vielleicht sollte man den österreichischen Schülern auch erklären, wozu sie etwas lernen. Und die Notwendigkeit des Lernens sollte man nicht allein damit kommentieren, „weil morgen eine Überprüfung kommt“, oder detaillierter, „weil ihr sonst schlechte Noten schreibt und ohne guten Schulabschluss, als Erwachsene, unter der Brücke schlafen müsst.“

Schüler sollten nicht nur lernen, wie sie in einem System überleben, sondern vor allem, wie sie sich in das System einbringen und es beeinflussen können. Darin steckt nämlich der „kindliche“ Spaß. Wenn die unkritisierte Systematik des Lernens, in der Grammatik, der Mathematik, im Naturwissenschaftlichen, weiterhin einem dogmatischen Denken entspricht, für dessen Hinterfragung meist auch keine Unterrichtszeit bleibt; wenn Wissen reproduziert werden muss, aber nicht in Schaffensprozess der kindlichen Wahrnehmung, als Faktor menschlicher Creatio, einfließt, so brauchen wir uns nicht wundern, wenn die Kinder der Zukunft zwar die Produktbeschreibung ihrer Antihyperaktivitäts-Medikamente auf Beistrichfehler hin untersuchen können, aber nicht wissen wie sie die Gedichte Erich Frieds oder Goethes oder die Geschichten des Till Eulenspiegel lesen und verstehen können.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Schreib dich aus