Montag, 26. November 2007

Zeit für Gesundheit

In der europäischen Gesellschaft mangelt es sicherlich nicht an Krankheiten und ungesundem Lebensstil. Allerdings verfügen wir über einen komplexen, medizinischen Apparat, der es uns ermöglicht, mit allerlei Medikamenten, Gerätschaften und Computeranlagen, den physischen Körper zu reparieren, Krankheiten zu beseitigen und manchmal auch den Tod hinaus zu zögern.
Zeit haben die Mitglieder unserer Gesellschaft allerdings wenig und die Klage über die Hektik unserer Tage geht Hand in Hand mit der starken Belastung des öffentlichen Gesundheitswesens in vielen europäischen Ländern.

Ich bin aktuell selbst krank und habe das Glück, zum Einen als Student zu jobben und somit nicht dem großen Druck ausgeliefert zu sein, so schnell wie möglich wieder an meinen Arbeitsplatz zurückkehren zu müssen, so wie es bei Menschen mit hauptberuflich normalen Beschäftigungen der Fall ist. Ich wechsle diesen Job zum Anderen auch in Kürze, weshalb ich mich nicht davor fürchten muss, aufgrund lang anhaltendem Krankheitstand gekündigt zu werden – auch deshalb nicht, weil ich keine Frau oder Ausländer bin. Ich habe also Zeit für meine Krankheit und dementsprechend kann ich mich meiner Genesung widmen.

Das war während des letzten Jahres anders. Innere Hektik, das Bedürfnis Job, Studium, Privatleben und Berufung ausreichend zu bedienen, ließen mich in Eile geraten, sobald sich Krankheit anbahnte und bereits angekommen war. Ich nahm zwar keine ultrastarken Medikamente, probierte es jedoch gelegentlich mit abgeschwächten Rosskuren. Das hilft erfahrungsgemäß nur vorübergehend. Ich hatte es viel zu eilig gesund zu werden, sodass ich mich bereits wieder zur Arbeit drängte, bevor ich völlig genesen war.

Wer all zu oft auf seine Gesundheit trinkt, erliegt der Leberzirrhose schneller, als er vielleicht glaubt. Wer all zu oft seine Gesundheit erzwingt, wird auf Dauer krank bleiben.

Je länger mein ungesunder Lebensstil dauerte – Job, Studium, Berufung und manchmal sogar das Privatleben wurden vor dem PC verbracht, weshalb ich entsprechend wenig Bewegung hatte – um so eindeutiger wurden die Verschleißerscheinungen und vor Beginn des letzten Jahresviertels war ich nicht mehr in der Lage die Gesundung, oder das was ich dafür hielt, zu beschleunigen. Ich wurde immer öfter krank und blieb es auch immer länger.

Nun habe ich verstanden und nehme mir Zeit, meine Erkältung grippehafter Natur auszubaden – im wahrsten Sinne. Ich bezeichne meine Krankheit deshalb so schwammig, weil ich bei ihrer Diagnose auf meine Intuition und Erfahrung zurückgreife. Beim Arzt war ich noch nicht, denn was würde der/die mir wohl verschreiben? Ein Abführmittel gegen meine Verstopfung, ein Magenmittel für und manchmal gegen meinen Magen, ein leicht oder stark antibiotisches Grippemittel, Hustensaft, Halstabletten, Ohrenstöpsel, Mundwasser. Das soll keine böse Anspielung gegen die Ärzteschaft sein. Ich habe nichts gegen die Ärzte, ich mag nur keine Arztbesuche. Gerade typische Grippepatienten werden ohnehin mit Symptombekämpfungsmaßnahmen bedient. Aber wen wundert es? Während ich mit meinen Leiden auf eine genaue Untersuchung hoffe, sitzen im Wartezimmer 25 andere Patienten, die für sich das selbe erhoffen – Und das Wartezimmer wird von Morgens bis Abends nicht leer werden. Auch den Ärzten mangelt es oft an Zeit für Gesundheit.

Ich verschreibe unserer Gesellschaft daher dringen: Entschleunigung und mehr Zeit für das Wesentliche, wozu ich die Gesundheit doch meine zählen zu dürfen.

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