Dienstag, 9. Oktober 2007

Arigona hat "Balls" - die den PolitikerInnen zuweilen fehlen

Zum Fall Arigona Zogaj lässt sich wirklich viel und ausführlich schreiben, denn das Schicksal ihrer Familie steht für ein tieferes Problem der österreichischen Gesellschaft. Das Beispiel hingegen, dass dieses Mädchen individuell, aus ihrer Situation heraus, gibt, ist jedoch einzigartig – in seiner Wirkung, nicht unbedingt in seinem Handeln. Es gilt zu vermuten, dass Asylhäftlinge, in den jeweils existenziellen Krisen, die ihnen das so genannte Fremdenrecht beschert (der Name suggeriert fälschlicherweise, dass der Staat Österreich Fremden irgendwelche Rechte gewährt), ebenfalls abenteuerliche Aktionen setzten, um die Aufmerksamkeit der Zivilbevölkerung, auf ihr Schicksal zu lenken. Über solche Fälle erfährt man jedoch nur selten.
Arigona Zogaj setzt, ihrer vermutlichen Verzweiflung, Mut entgegen, setzt ihr Wissen ein, wahrscheinlich ebenso ihre guten Kontakte zu Freunden und Bekannten, um zunächst der drohenden Abschiebung zu entgehen, dann – per Brief und Videobotschaft – die Wahrnehmung der Öffentlichkeit, für ihrer Situation und damit der Situation vieler, von der Abschiebung bedrohter Familien, wach zu rütteln. Hier ist es an der Zeit Dank auszuschreiben – an Arigona einerseits, aber auch an ihre heimlichen und öffentlich Solidarität demonstrierenden Helfer.

Denn so sollte sich eine republikanisch demokratische Zivilbevölkerung, angesichts offensichtlicher Ungerechtigkeit, verhalten; so wie dieses 15jährige Mädchen, das aus einem Land stammt, in dem es an allem mangelt, was Herr und Frau Österreich, scheinbar im Überfluss, gleichsam als überflüssig betrachten, weil sie sich darüber keine Gedanken mehr machen müssen: Menschenwürde und Menschenrechte.

Seien Sie doch ehrlich: Womit haben Sie sich im Alter von 15 Jahren beschäftig? Haben wir damals nicht chemische Waffen im Krieg gegen unsere Mitesser geführt, während sie nicht wussten, was wir zu unserer ersten Party anziehen sollten, auf der das Mädchen/ der Junge unserer frühesten, romantischen Träume wartete. Haben wir uns nicht mit allerlei Unsinn befasst, auf die Schule geschimpft, den Alkohol noch lustig gefunden, das wirkliche Leben mit erschreckender Echtheit auf uns zukommen sehen?

Arigona dürfte sich wohl nichts sehnlicher wünschen, als in Österreich weiterhin zur Schule gehen zu dürfen und das wirkliche Leben nähert nicht in absehbarer Ferne. Das wirkliche Leben schlug bereits, wenn ich so schreiben darf, recht erbarmungslos zu. Aber vielleicht ist es unter anderem der Neid so mancher Landsleute, die das Mädchen, nun erst recht, gerne abgeschoben sehen würde. Von Erpressung ist die Rede, Verhöhnung des Rechtstaates wird als Vorwurf geäußert und noch Schlimmeres, meist begründet auf Unwissendheit und Ignoranz. Viele der Schmähredner und Polemik-Schreibern, die kein Problem, mit der unvernünftigen, grundlosen Gnadenlosigkeit gegen Familie Zogaj, haben, dürften sich weder mit 15, noch in ihrem übrigen Leben, sonderlich nennenswerten Abenteurern gewidmet haben. Doch Arigona macht Politik und setzt Taten, welcherart man unter den meisten „professionellen“ Parlamentariern vergeblich sucht.
Natürlich setzt sie sich für die eigenen Anliegen ein, doch welcher politische Mensch macht es anders - sollte es anders machen können? Sich für die Menschenwürde und –Rechte zu engagieren, indem man seine eigene Würde und Rechte verteidigt, kann nicht falsch sein. Doch ist es vermutlich eine Krankheit unserer Tage, dass dies von manchen als Schmähung angesehen wird. Viele meiner Landsleute ducken sich, selbst wenn ihre eigenen Rechte, oder zumindest die sie betreffende Gerechtigkeit, in Gefahr gerät – auch dann, wenn sie die offizielle Erlaubnis haben, sich zu wehren.

Gäbe es doch mehr Arigonas in diesem Land, die seinem politisch trägen Hintern, ordentliche Tritte verpassten. Das Mädel könnte, sollte doch noch alles gut werden, eine großartige Politikerin werde. Vielleicht sogar eine Poltikerin die man, ohne unangenehme Bedenken, wählen könnte, weil sie, im Gegensatz zu den meisten Tatsächlichen, "Balls" hat.

achtrag: In der unmenschlichen, weil gnadenlosen, Denkweise mancher Fürsprecher der Abschiebung, findet sich ein vorgeschobener Pragmatismus, der Folgendes zu bedenken gäbe, wenn man sich seiner bediente:
Hätte man die Möglichkeit, zum Wohle der Republik – das als Vorwand der gegenwärtigen Fremdenpolitik gilt – Menschen abzuschieben, so wäre es ratsam sich Anderer, als der betroffenen „Fremden“, zu entledigen. Das Wohl der Republik braucht keine Personen, die bereit sind, ihres (Selbst-)Hasses wegen, ihnen fremde Menschen ins Unglück zu stürzen. Nach der angegeben Denkweise, wäre es also logisch, diese Personen der unvernünftigen Unmenschlichkeit, abzuschieben, statt jene loszuwerden, die, wie Arigona, bereit sind, für ihr Glück, ihre Würde und Gerechtigkeit zu kämpfen.
Zum Glück hat die Denkweise diverser Rechtpopulisten keine Logik und ist auch nicht der Nachahmung würdig – auch wenn die letzte Regierung, inklusive Opposition, das anders sah. Zum Glück, würde ein vernünftiger Mensch eher heilen, als amputieren und zum Glück haben Menschen, die Mitgefühl für Arigonas LeidensgenossInnen empfinden, auch Mitleid, mit den Angst- und Hasserfüllten dieser Nation.

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